10 Jahre AfD: Von Blau zu Braun
Vor zehn Jahren gründeten ein paar ältere Herren die AfD. Seitdem hat sie sich immer weiter radikalisiert. Welche Verantwortung tragen ihre Gründer?
K onrad Adam sitzt mit verschränkten Armen vor seiner prall gefüllten Bücherwand und sagt: „Ich bin nicht unzufrieden, dass ich die Partei gegründet habe. Es war richtig, das damals versucht zu haben.“ Dennoch bedauere er, was aus der AfD geworden sei. Aber ein Monster? Das habe er nicht erschaffen.
Empfohlener externer Inhalt
Der ehemalige Parteisprecher wohnt im hessischen Oberursel, etwas abgelegen in einem Reihenhaus direkt am Wald. Im Wohnzimmer des 81-Jährigen stehen dunkle Biedermeier-Möbel vor Schränken mit dicken Hitler-Biografien, alter deutscher Literatur und vielbändigen Enzyklopädien. In einer Ecke, beinahe verschämt, ein kleiner Flachbildfernseher.
Als die taz telefonisch bei dem ehemaligen FAZ-Feuilleton-Redakteur und Welt-Korrespondenten Adam anfragt, ob er Zeit für ein Gespräch über zehn Jahre AfD habe, fragt der zurück: „Sie wissen aber schon, dass Sie gerade mit dem Klassenfeind sprechen?“, lädt dann aber doch zu sich ins Wohnzimmer und redet anderthalb Stunden lang. Hin und wieder wird er etwas lauter – wenn es um die Migrationspolitik von Ex-Bundeskanzlerin Merkel geht etwa, oder den Gehorsam „der Deutschen“ bei der Maskenpflicht, die er als Ungeimpfter „zum Kotzen“ findet.
Eingeladen zur Geburtstagsfeier der AfD im nahe gelegenen Königstein sei er nicht. Ob er trotzdem feiern werde? „Warum sollte ich feiern, die heutige AfD ist ja nicht mehr diejenige Partei, die wir seinerzeit gegründet hatten“, sagt Adam.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Unter den Augen des Herrn
Gegründet wurde die AfD von 18 überwiegend älteren Männern, die sich am 6. Februar 2013 in Oberursel trafen. Weil ein Konferenzraum in einem Hotel zu teuer war, traf man sich im Gemeindesaal der evangelischen Christuskirche. Den Raum hatte Adam organisiert, der bis heute Gemeindemitglied ist. Der schlichte, lang gestreckte Saal ist wenige Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Eine große Glasfront gibt den Blick auf einen Busch, einen dahinter liegenden Spazierweg und eine Wiese frei.
Im Saal steht noch immer eine große Jesus-Statue aus Holz, die wie zum Segen beide Hände ausbreitet. Vor rund zehn Jahren diskutierten die Gründer hier, wie die Partei heißen solle. Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke plädierte für den Namen „Alternative für Deutschland und Europa“, damit der Parteiname nicht zu national konnotiert sei. Letztlich setzte sich jedoch der Vorschlag „Alternative für Deutschland“ durch. Auch Adam stimmte dafür.
Das Wort „Alternative“ war eine nicht ganz ungeschickte Replik auf den Politikstil von Merkel. Die hatte ihre Entscheidungen immer wieder als „alternativlos“ bezeichnet. Der Begriff wurde 2010 zum „Unwort des Jahres“, weil er Politikverdrossenheit fördere. Kurz vor der AfD-Gründung hatte die Kanzlerin behauptet, die Rettung des Euros sei „alternativlos“. Lucke und Co. waren gegen Merkels Euro-Politik und wollten die D-Mark zurück.
Die öffentliche Debatte dieser Jahre war stark von Thilo Sarrazin geprägt. Damals noch SPD-Mitglied, hatte er 2010 „Deutschland schafft sich ab“ veröffentlicht, eine ressentimentgetriebene Streitschrift, die schnell zum Bestseller wurde – und als Türöffner für die AfD verstanden werden kann. 2013 war die Bundesregierung schwarz-gelb. Die FDP trug die Euro-Politik der Kanzlerin mit – zum Ärger vieler Wirtschaftsliberaler und Konservativer, die sich in verschiedenen Vereinen, Plattformen und Organisationen sammelten. In diesem Umfeld gründeten Adam, Lucke und Alexander Gauland im September 2012 die „Wahlalternative 2013“, aus der später die AfD hervorging. Zulauf kam fortan auch von ganz rechts.
Adam war neben Lucke und der Chemikerin Frauke Petry einer von drei AfD-Bundessprechern, die wenig später auf dem ersten Parteitag in Berlin gewählt wurden. Petry hat sich mittlerweile aus der Politik weitgehend zurückgezogen, auch Lucke ist wieder als Wirtschaftsprofessor an der Uni Hamburg tätig und will sich nicht mehr zur AfD zitieren lassen – seine Positionen zur Entwicklung der Partei sind allerdings bekannt: Er sprach sich 2019 gar für die Beobachtung durch den Verfassungsschutz aus, nannte die AfD eine „latent fremdenfeindliche, deutschnationale Partei mit rechtsradikalen Einsprengseln“, die er so nicht noch einmal gründen würde.
Vogelschiss und Wende
Lucke wurde 2015 abgewählt und spaltete sich mit einem wirtschaftsliberalen Flügel ab, nachdem Petry sich mit rechtsextremen Kräften verbündete und ihn wegrechtsruckte. Sie selbst ereilte danach ein ähnliches Schicksal: Nach anhaltenden rechten Tabubrüchen diverser AfD-Politiker forderte Petry einen „realpolitischen Kurs“ und Mäßigung. Danach wurde sie selbst ausgegrenzt und trat schließlich aus. Was blieb, ist ein Mechanismus, der in der AfD danach stets griff: Wer versuchte, die Grenzen des Sagbaren innerhalb der Partei nach rechts abzustecken oder ernsthaft vom Kurs der Fundamentalopposition abwich, galt als Verräter. In der AfD ist seither die Wutbürger-Parole ein Grundprinzip: Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.
Adam ist derjenige unter den ersten Parteichefs, der es am längsten in der AfD ausgehalten hat. Er trat erst Ende 2020 aus. Warum er so lange blieb? Er erklärt das so: „Ich habe eine Zeit lang gewartet, obwohl ich die unschöne Entwicklung natürlich mitbekommen habe. Aber die Sache war mir wichtiger als Personen.“
Letztlich hätten Aussagen wie die Forderung nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ von Björn Höcke oder das Alexander-Gauland-Zitat, Hitler und die Nazis seien „nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“, die Erkenntnis wachsen lassen, dass es jetzt höchste Zeit sei, zu gehen. Die Äußerungen fielen allerdings mehrere Jahre vor Adams Austritt.
Wenn Adam heute über die AfD spricht, klingt es teilweise so, als würde er sie noch immer verteidigen. Beim Reden über die Gründungszeit wird er euphorisch. Schwelgend erzählt er von der Dankbarkeit „normaler Bürger“ beim Sammeln von Unterschriften vor dem Supermarkt. Oder vom Zuspruch von Mitgliedern beim geselligen „get together“ nach einer seiner Parteitagsreden. Es sei bei allen Fehlern eine schöne Zeit gewesen, sagt Adam.
Konrad Adam, Gründer der AfD, 2020 ausgetreten
Unterm Strich allerdings wirkt er rückblickend durchaus bitter, wenn er sagt: „Alle drei Personen, die am 6. Februar große Reden zum Zehnjährigen schwingen, haben nichts mehr mit der Gründungsidee zu tun. Die Partei hat einige Umbrüche hinter sich gebracht, Sie kennen ja das antike Sprichwort: ‚Beim Umbruch kommt immer der größte Lump an die Spitze.‘“ Die Festreden zum AfD-Jubiläum werden die Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla sowie der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland halten.
Eine faschistische Rede
Der größte Lump aber wäre in diesem Fall wohl Björn Höcke, Rechtsextremist und Chef der AfD Thüringen. Höcke steht zwar nicht an der Bundesspitze, gilt aber als der mächtigste Mann in der Partei. Alle, die den offenen Konflikt mit den Völkischen suchten, zogen langfristig den Kürzeren. Auch Adam hält Höckes Einfluss in der Partei „leider“ nicht für überbewertet: „Er sieht sich selbst als Heiland, aber der Heiland, ins Politische übersetzt, wird schnell zum Führer und von Führern halte ich nicht mehr viel.“
Das erste Mal habe er Höcke 2014 erlebt, nach dem ersten Einzug in einen Landtag in Erfurt. Höcke sei bei der anschließenden Wahlparty mit erhobenen Armen in das Lokal gekommen und habe Goethe zitiert: „Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewesen“, zitiert Adam. „Ich fand es damals eher komisch, aber der meint das ernst.“
Weniger komisch ist es, als Höcke am 3. Oktober 2022 in Gera vor rund 8.000 aufgepeitschten Demonstrant*innen spricht. Die Angst vor der Energiekrise und dem später wieder abkühlenden Heißen Herbst macht die Runde, angesichts von wachsenden wöchentlichen Protesten von Rechtsextremen sehen einige Beobachter*innen im Osten bereits die Wiederauferstehung einer faschistischen Massenbewegung.
Faschistisch ist jedenfalls Höckes Rede in Gera: Er spricht vom Kampf gegen „das Regenbogenimperium“, dem alle „Alt-Parteien“ angehörten. Es drohe das Versinken „in tödlicher Dekadenz“. Kernland des „Regenbogenimperiums“ sei die USA, die die Zerstörung der Nation durch Masseneinwanderung forciere. Er zeichnet ein Feindbild vom „globalen Imperialismus“ und raunt, dass auch die USA „auf eine andere Art als wir Deutschen“ eine „fremdbestimmte Macht“ sei – der Antisemitismus scheint durch.
Putins Russland nennt Höcke in der Rede den „natürlichen Partner für uns als Nation“, schließlich hätten „Deutsche und Russen eine ähnliche seelische Prägung“. Er sagt, wenn er sich zwischen „Regenbogenimperium“, „globalistischem Westen“ und dem „traditionellen Osten“ entscheiden müsste, wähle er den Osten. Es sind die Stichworte der sogenannten „Neuen Rechten“, wie man sie oft von Vertretern aus Höckes Lager hört, aber einige davon auch vom russophilen Gauland.
Die Sprache der Mitte
Die Weltanschauung der Neuen Rechten hat mit dem Aufstieg der AfD auf einmal einen parlamentarischen Arm. War neurechte Ideologie lange Zeit ein Nischenphänomen in rechsradikalen Zeitungen und Publikationen wie der Jungen Freiheit oder der Sezession des Ideologen Götz Kubitschek in Schnellroda, so bewegen sich nun Teile der Gesellschaft auf ihre Themen wie dem Verschwörungsmythos vom „Großen Austausch“ zu und normalisierten ihre Positionen.
Das rechte Agenda-Setting der AfD im Kampf um kulturelle Hegemonie strahlt längst weit bis in die vermeintlich bürgerliche Mitte aus. In Thüringen brachte die CDU einen Antrag gegen geschlechtsneutrale Sprache mit AfD-Stimmen durch, in Bautzen stimmte die Union gar einem AfD-Antrag zu, um Mittel für Geflüchtete zu streichen. CDU-Chef Friedrich Merz traute sich in einer Talkshow mit NPD-Vokabular vom „Sozialtourismus“ Geflüchteter zu fantasieren. Politiker*innen und Chefredakteur*innen großer Zeitungen polemisieren antiliberal gegen Minderheitenschutz und nutzen das Wort „Wokeness“ als Kampfbegriff von rechts – in Verkennung seiner historischen Bedeutung.
Claus Leggewie, Politikwissenschaftler
Hinzu kommt, dass öffentliche rassistische Diskurse Alltagsrassismus und rechte Gewalt befördern. Der Aufstieg der AfD fällt wohl nicht zufällig in ein Jahrzehnt exzessiver rechter Gewalt. Seit 2014 gab es zahlreiche Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte und Moscheen, Angriffe auf Politiker bis hin zum Lübcke-Mord 2019 und rechtsterroristischen Anschlägen in München, Halle und Hanau. Zuletzt war eine Ex-AfD-Abgeordnete mutmaßlich an einem geplanten Reichsbürger-Putsch beteiligt. Der Lübcke-Mörder hing Plakate für die AfD auf und demonstrierte in Chemnitz, wo die AfD den Schulterschluss mit Rechtsextremisten übte.
Adam macht in seinem Wohnzimmer vor allem Mitgründer Alexander Gauland für das Abdriften der AfD verantwortlich, der stets seine schützende Hand über den völkischen Flügel der Partei gehalten habe. Adam hat sich spürbar mit Gauland überworfen, hält ihn für einen Strippenzieher, dem es nur um seinen Machtgewinn gegangen sei. Inhaltlich wirft er ihm wenig vor außer Profillosigkeit. Ruiniert habe die Partei letztlich die Kombination aus Radikalen und Opportunisten, ist Adam überzeugt.
Gauland lebe in zwei Welten, sagt Adam, inhaltlich werde er nicht mehr schlau aus ihm: „Was ist von der Überzeugung eines Mannes zu halten, der ein Wahlprogramm mit Fontane-Zitaten schmückt, belesen ist, gute Reden hält, sich aber dann mit einem Kerl wie Kalbitz verbündet?“ Andreas Kalbitz gilt als Flügel-Netzwerker, wurde aber wegen seiner neonazistischen Vergangenheit vorerst aus der Partei geworfen.
Enttäuscht von Helmut Kohl
Adam sagt: „Als ich mit Gauland noch sprach, fragte ich ihn mal, warum er denn das erste Landeswahlprogramm für Brandenburg ins Russische übersetzen ließ. Da sagte er mir nur: ‚Ich will gewählt werden – egal von wem.‘ Meiner Ansicht nach eine gefährliche Position, denn wer so denkt, wird über Nacht vom Treiber zum Getriebenen. Das ist das Schicksal Gaulands.“
Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie beschäftigt sich seit Langem mit den radikalen Randzonen im deutschen Konservatismus und hat dazu schon im Jahr 1987 das Buch „Der Geist steht rechts. Ausflüge in die Denkfabrik der Wende“ geschrieben. Am Telefon ordnet Leggewie Intellektuelle wie Konrad Adam und Alexander Gauland klar ein: Sie seien enttäuscht gewesen vom Ausbleiben einer konservativen Wende, die bereits Helmut Kohl Anfang der 80er Jahre versprochen, aber nicht eingehalten hatte. Die Wende hätte letztlich die 68er-Revolution und die damit verbundenen Liberalisierungen rückgängig machen sollen. In dieser Tradition werde auch Merkel betrachtet, die dafür sorgte, dass die Union sich dem Zeitgeist anpasste und in der Mitte angedockt blieb.
Leggewie sieht Adam und Gauland als Teil einer großen revisionistischen Bewegung von 1945 bis heute, der er auch konservative Heimatlose wie Hans-Georg Maaßen zuordnen würde. Sie wollten den Konservatismus „retten“, und das gehe aus ihrer Sicht nicht mit Anpassung, sondern nur noch mit einer konservativen Revolution – um die alte Ordnung von Gott, Vaterland und Familie wiederherzustellen und letztlich die weiß-männliche Vorherrschaft zu erhalten.
Faschistisch sei das allerdings noch nicht, sagt Leggewie: „Das sind Konservative, die eher aus Verzweiflung faschistisches Vokabular verwenden.“ Nach Orbáns Vorbild arbeiteten sie daran, die parlamentarische Demokratie zu destabilisieren. „Sie eröffneten damit eine Grauzone, oder besser gesagt Braunzone, zwischen Faschismus und Konservatismus“, sagt Leggewie. Wichtige Antreiber seien auch Wirtschaftsprofessoren wie Lucke gewesen, die einen „wirtschaftsliberalen D-Mark-Nationalismus“ propagierten.
Wichtig zum Verständnis von Gauland, Adam und Co. sei die ressentimentbehaftete Ablehnung der Migrationspolitik der ehemaligen Kanzlerin. Diese wiederum lasse sich weniger gut erklären: „Dem Ressentiment kann man mit einem menschenrechtlich-humanitären Argument oder wirtschaftlichem Nutzenkalkül nicht beikommen“, sagt Leggewie. Dieses Ressentiment gelte in klassisch-konservativer Tradition letztlich dem vaterlandslosen Juden – nichts anderes meinten Bezeichnungen wie Globalisten, Kosmopoliten oder auch westliche Dekadenz.
Stärkste Kraft im Osten?
Das Ressentiment lässt sich besonders gut beim verbliebenen Gründer wiederfinden – dem heutigen Ehrenvorsitzenden der Partei, Alexander Gauland. Der 82-Jährige war 40 Jahre lang CDU-Mitglied. Er leitete ab 1987 unter anderem als Staatssekretär die Kanzlei des Hessischen Ministerpräsidenten Walter Wallmann und war ab 1991 Herausgeber der Märkischen Allgemeinen in Potsdam.
Als Gauland schließlich 2016 im brandenburgischen Elsterwerda auf eine Bühne stieg, sprach er bei der „Demonstration für unsere Heimat“ von einer „Politik der menschlichen Überflutung“. Man wolle „das deutsche Volk allmählich ersetzen durch eine aus allen Teilen dieser Erde herbeigekommene Bevölkerung“ – neurechte Ideologie im Reintext. Ähnlich ressentimentbehaftete Äußerungen Gaulands sind schon seit Anfang der Neunziger bekannt – nur skandalisierte sie damals niemand.
Alexander Gauland, „Ehrenvorsitzender“ der AfD
Wenige Tage vor ihrem 10-jährigen Jubiläum lädt die AfD zu einem Medienempfang im Bundestag. Weidel und Chrupalla haben in das edle Abgeordnetenrestaurant auf Fraktionsebene eingeladen. Es gibt teure Snacks, gute Weine und ein Trio mit Saxofon, Xylofon und Kontrabass. Die meisten Abgeordneten scheinen gut gelaunt, die AfD profitiert von der geschürten Angst vor der Energiekrise. Viele Demokrat*innen schauen besorgt auf die Landtagswahlen 2024, wo die AfD in Sachsen, Thüringen oder Brandenburg stärkste Kraft werden könnte.
Auf ein Glas Wein mit Alexander Gauland
Selbst Gauland, der sonst eher in die zweite Reihe getreten ist, ist an diesem Mittwochabend gekommen. Er trägt wie immer Tweed-Jackett und trinkt Rosé. Auf Nachfrage erklärt er sich bereit, vor der Tür Fragen zum Jahrestag der AfD zu beantworten.
Gegründet habe er die AfD, weil „es in der CDU der Merkel-Ära nicht mehr möglich war, klar konservative Positionen zu formulieren und damit auch durchzudringen.“ Es habe damals keine wirkliche Opposition mehr gegeben, sagt Gauland. Zu Adam habe er „leider“ keinen Kontakt mehr, weil dieser ihm vorgeworfen habe, ihn nicht ausreichend bei der Wiederwahl in den Bundesvorstand unterstützt zu haben.
Gauland hat noch vor dem ersten Einzug in den Bundestag den Weg der Fundamentalopposition für die AfD ausgerufen, den die Partei seither konsequent verfolgt. Kürzlich hat Parteichefin Weidel davon gesprochen, ab 2024 mitregieren zu wollen. Wenn es nach Gauland geht, muss sich dafür allerdings die CDU bewegen: „Fundamentalopposition wird bleiben und die Regierungsfähigkeit hat nur wenig damit zu tun, was wir jetzt machen“, sagt er.
Der von Beobachtern seit Beginn und von Aussteigern spätestens seit 2014 dokumentierten Radikalisierung der AfD widerspricht Gauland vehement. Nicht die Partei, sondern die Themen hätten sich verändert: „Es ging bei Bernd Lucke um den Euro und die Verschuldung, es ging danach um einen Zustrom von Menschen aus fremden Kulturkreisen, die sozusagen die deutsche Staatsangehörigkeit veränderten“, so Gauland. Es ist erneut die Erzählung vom Großen Austausch.
Demonstrativ betont er auf Nachfrage sein gutes Verhältnis zu Höcke: „Dinge, die man falsch auslegen kann, haben wir alle schon gesagt. Ich auch. Höcke ist ein sehr guter Landespolitiker, sehr vernünftig und in keiner Weise rechtsradikal. Ich bin auch nicht bereit, diese Zuschreibungen des Verfassungsschutzes zu akzeptieren.“
Ob er zufrieden sei mit der Entwicklung seiner Partei? Gauland sagt: „Ich bin nicht unzufrieden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“