+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Scholz telefoniert mit Putin
Olaf Scholz fordert eine diplomatische Lösung und den Waffenstillstand. Die Bundesregierung lehnt weiterhin die Lieferung von Kampfpanzern ab.
Scholz nimmt Gesprächsfaden mit Putin wieder auf
Erstmals seit vielen Wochen hat Bundeskanzler Olaf Scholz wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. In dem 90-minütigen Gespräch habe Scholz am Dienstag darauf gedrungen, dass es so schnell wie möglich zu einer diplomatischen Lösung des russischen Krieges in der Ukraine komme, die auf einem Waffenstillstand, einem vollständigen Rückzug der russischen Truppen und Achtung der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine basiere, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit.
Der Bundeskanzler betonte, dass etwaige weitere russische Annexionsschritte nicht unbeantwortet blieben und keinesfalls anerkannt würden. Der Bundeskanzler forderte den russischen Präsidenten auf, gefangengenommene Kombattanten gemäß der Vorgaben des humanitären Völkerrechts, insbesondere der Genfer Abkommen, zu behandeln sowie einen ungehinderten Zugang des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sicherzustellen.Mit Blick auf die Lage am Atomkraftwerk Saporischschja betonte der Bundeskanzler die Notwendigkeit, die Sicherheit des Atomkraftwerks zu gewährleisten. Scholz forderte in diesem Zusammenhang, jegliche Eskalationsschritte zu vermeiden und die im Bericht der Internationalen Atomenergieagentur empfohlenen Maßnahmen umgehend umzusetzen. Der Bundeskanzler und der russische Präsident vereinbarten weiterhin in Kontakt zu bleiben. (dpa/taz)
Ukraine drängt bei Panzern – Regierung lehnt Lieferung ab
Trotz zunehmendem Drucks der Ukraine und einiger Ampel-Politiker bleibt die Bundesregierung bei ihrem Kurs, der Ukraine keine modernen westlichen Panzer zu liefern. Ein Regierungssprecher verwies am Dienstag auf Aussagen von Bundeskanzler Olaf Scholz, dass es keine deutschen Alleingänge geben werde. „Dem ist nichts hinzuzufügen.“ Ausgelöst wurde die erneute Debatte durch den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba, der seine Forderungen nach Panzerlieferungen wiederholte sowie durch einen Tweet der US-Botschaft.
Scholz hatte am Montag darauf verwiesen, dass man sich vor allem mit den USA, Frankreich und Großbritannien über die Art der Waffenlieferungen an die Ukraine eng abstimme. Keines der vier größten Nato-Länder liefert moderne westliche Panzer an die Ukraine. Der ukrainische Außenminister Kuleba äußerte sich dennoch enttäuscht. Es gebe für diese Haltung kein rationales Argument, sondern nur abstrakte Ängste und Ausreden, schrieb er auf Twitter und nannte konkret den Wunsch nach „Leopard“-Kampfpanzern und „Marder“-Schützenpanzern.
Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall teilte laut NDR und ARD-Hauptstadtstudio mit, 16 „Marder“ aus ausgemusterten Beständen der Bundeswehr auf eigene Kosten weitestgehend wiederhergestellt zu haben. Sie seien auslieferfähig, es gebe aber keine Ausfuhrgenehmigung der Bundesregierung. (rtr)
Sanna Marin fordert im EU-Parlament härtere Sanktionen
Gegen deutschen Widerstand pocht Finnland auf einen umfangreichen Visa-Bann für Russen. Die finnische Regierungschefin Sanna Marin sagte am Dienstag bei einer Rede im Straßburger Europaparlament, die Sanktionen müssten „im Alltag der Russen ankommen“. Die seit Montag erschwerte Visa-Vergabe für russische Touristen reiche nicht aus.
„Wir müssen die Ukraine in jeglicher Hinsicht unterstützen und müssen bereit sein, noch härtere Sanktionen zu verhängen“, sagte Marin bei ihrer von Applaus begleiteten Ansprache. Dazu zähle auch ein verändertes Visa-System.
Russische Touristen können seit dem 1. September in der Regel nicht mehr über das Nachbarland Finnland in die EU einreisen. Finnland sowie die Baltenstaaten hatten die Visa-Ausgabe an Russen national eingeschränkt. Deutschland und andere EU-Länder wie Österreich und Luxemburg hatten sich Ende August bei einem Außenministertreffen in Prag aber gegen einen weitgehenden Einreise-Stopp ausgesprochen. Die Verbindungen zu Russland dürften nicht völlig abreißen, argumentierten sie.
Stattdessen einigten sich die EU-Länder darauf, die Hürden für die Vergabe von Schengen-Visa zu erhöhen. Seit diesem Montag sind die Visa EU-weit teurer und die Antragszeit dauert länger. Zum Schengen-Raum gehören 22 EU-Länder sowie die Schweiz und drei weitere Staaten. (afp)
Vollständige Unabhängigkeit von russischem Gas Ende 2023
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht davon aus, dass Deutschland Ende kommenden Jahres vollständig unabhängig von russischem Gas sein wird. Dank bis dahin voraussichtlich fertiger Importterminals für Flüssiggas könne dann alles nötige Gas aus anderen Ländern bezogen werden, sagte Scholz am Dienstag in seiner Rede beim Deutschen Arbeitgebertag in Berlin. Der Rohstoff komme dann aus Norwegen, den USA „und vielen anderen Ländern“.
Auch mit Blick auf den anstehenden Winter zeigte sich der Bundeskanzler optimistisch, dass es keine Mangellage geben wird: „Wir kommen wohl durch diesen Winter und das ist eine gute Botschaft in dieser Zeit.“
Ein weiteres Problem seien die hohen Preise, führte Scholz aus. Hier begrüßte er, dass die EU-Kommission in der vergangenen Woche „ziemlich genau den gleichen Vorschlag wie wir“ unterbreitet habe. Vorgesehen ist eine Begrenzung der Sondergewinne von Stromerzeugern, die derzeit billig produzieren. Die Sondergewinne sollen zur Unterstützung ärmerer Haushalte und Unternehmen umgeleitet werden.
Diese Reform des Strommarktes muss laut Scholz rasch noch „in diesem Winter“ erfolgen, „damit wir bei den Strompreisen die Verbraucherinnen und Verbraucher entlasten können“. Die EU-Kommission will voraussichtlich am Mittwoch eine konkrete Verordnung vorstellen. Laut einem Entwurf, der AFP vorlag, will sie den EU-Mitgliedstaaten ein einheitliches Vorgehen vorschreiben.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich auch zuversichtlich gezeigt, dass Deutschland Ende 2023 über genug LNG-Terminals für den nötigen Import an Gas verfügen wird. Er verwies auf den Bau von Flüssiggas-Terminals etwa in Stade, Wilhelmshaven, Brunsbüttel und Lubmin, aber auch auf Pipeline-Lieferungen etwa aus Norwegen und den Niederlanden. Die Regierung werde dafür sorgen, dass der Gaspreis wieder sinken werde, betonte Scholz. Zugleich sagte er, dass der Import an LNG-Gas nichts an der nötigen und schnellen Energiewende ändern werde. „Wasserstoff ist das Gas der Zukunft, wir werden einen großen Boom auslösen.“ Für den Ausbau der Erneuerbaren Energien werde die Ampel-Regierung noch 2022 alle nötigen Gesetze etwa zu Planungsbeschleunigung beschließen. (afp/rtr)
Keine Pläne für Generalmobilmachung
Der Kreml erwägt nach eigenen Angaben derzeit keine Generalmobilmachung angesichts der Entwicklungen in der Ukraine. Präsidialamtssprecher Dmitry Peskow sagt im Gespräch mit Journalisten, entsprechende Forderungen und Kritik am Vorgehen der Regierung seien ein Beispiel der „Pluralität“ in Russland. Die Bevölkerung an sich stehe aber weiterhin hinter Präsident Wladimir Putin. (rtr)
18 weitere Kommunalabgeordnete gegen Putin
Kommunalabgeordnete aus 18 verschiedenen Bezirken in Moskau, St. Petersburg und Kolpino haben sich am Montag aufständischen Lokalabgeordneten angeschlossen, die seit letzter Woche den Rücktritt Wladimir Putins fordern. Eine der Lokalpolitiker*innen aus St. Petersburg, Ksenia Torstrem, hat die Petition am Montag auf Twitter geteilt.
🐾 Bereits am Montag berichtete taz-Moskau-Korrespondentin Inna Hartwich über die erste Petition in einem Bezirk in St. Petersburg. Am Wochenende kamen noch aufständische Stimmen aus einem Moskauer Bezirk dazu.
Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine, den der Kreml offiziell „militärische Spezialoperation“ nennt, haben zudem viele Liberale das Land verlassen. Harsche Gesetze bringen Kritiker*innen des russischen Feldzugs hinter Gitter. „Diskreditierung der Armee“ ist ein machtvolles Instrument, um alle, die etwas am Staat auszusetzen haben, zum Schweigen zu bringen.
So ergeht es gerade auch sieben Abgeordneten des St. Petersburger Stadtbezirks Smolny. Vor wenigen Tagen hatten sie ein Ersuchen an die Staatsduma, das Unterhaus des russischen Parlaments, gerichtet. Darin fordern sie Russlands Präsidenten Wladimir Putin zum Rücktritt auf. Sie werfen ihm Staatsverrat vor, weil der Krieg in der Ukraine zum Tod russischer Soldaten, Schwierigkeiten in der russischen Wirtschaft und zur Erweiterung der Nato geführt habe, steht in dem Schreiben.
Nikita Juferew, einer der Initiatoren, hatte bereits im Februar Putin offiziell dazu aufgefordert, den Krieg zu beenden. Daraufhin hatte ihn die Kremlregierung darüber informiert, dass es sich in der Ukraine um eine „militärische Spezialoperation“ handele. Nun werden auch Juferew und seine Mitstreiter*innen wegen „Diskreditierung der Armee“ belangt. Zunächst droht eine Ordnungsstrafe, mehrere davon können zum Straftatbestand führen.
Parallel dazu hat in den letzten Tagen auch der Abgeordnetenrat des Moskauer Stadtbezirks Lomonossow Putin zum Rücktritt aufgefordert. Beide Stadtbezirke in St. Petersburg und Moskau gelten als liberaler und dadurch weniger kremlnah. (taz)
Ziel ist Befreiung aller Gebiete
Die ukrainischen Streitkräfte kommen bei ihrer Offensive in der Region Charkiw im Nordosten des Lands nach Angaben der Regierung weiter gut voran. Dies liege daran, dass die Truppe höchst motiviert und die Operation gut geplant sei, sagt die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar der Nachrichtenagentur Reuters. Es sei allerdings noch zu früh zu sagen, dass die Ukraine die volle Kontrolle über die Region übernommen habe. „Die Kämpfe dauern an“, sagt Maljar. „Das Ziel ist, die Region Charkiw zu befreien und darüber hinaus alle Gebiete, die von der Russischen Föderation besetzt sind.“
Die USA lassen Deutschland freie Hand bei der Lieferung von Waffen an die Ukraine. „Wir wissen die militärische Unterstützung Deutschlands für die Ukraine zu schätzen und werden uns weiterhin eng mit Berlin abstimmen“, heißt es in einem Tweet der US-Botschaft in Berlin. Die USA riefen „alle Verbündeten und Partner dazu auf, der Ukraine im Kampf um ihre demokratische Souveränität so viel Unterstützung wie möglich zu gewähren“. Zum Abschluss wird betont: „Die Entscheidung über die Art der Hilfen liegt letztlich bei jedem Land selbst.“ Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt es bislang ab, der Ukraine die gewünschten Kampf- und Schützenpanzer zur Verfügung zu stellen, mit der Begründung, dass es keine Alleingänge Deutschlands geben werde. (rtr)
SPD-Außenpolitiker Roth für Panzerlieferung
Der SPD-Politiker Michael Roth plädiert dafür, dass sich Deutschland rasch mit Nato und EU über weitere Waffen- und auch Panzerlieferungen an die Ukraine abstimmt. Deutschland habe bereits schwere Waffen geliefert, sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag im Deutschlandfunk. „Und jetzt reden wir darüber, was man noch tun kann, um in dieser ganz entscheidenden Phase der Ukraine beizustehen.“ Er respektiere die Entscheidung der Bundesregierung, sich eng mit den Partnern abzustimmen. Noch niemand habe die von der Ukraine geforderten Schützen- und Kampfpanzer geliefert. „Aber solche Verabredungen sind ja nicht in Stein gemeißelt. Und deswegen sollte man sich jetzt in der EU, in der Nato vor allem auch mit den USA zusammensetzen und klären: Was können wir noch liefern, damit die Ukraine … auch die Chance hat, von Russland erobertes Gebiet zu befreien.“ Dabei stünden auch deutsche Panzer in der Diskussion. „Ich bin dafür, dass man das mit den Partnern endlich klärt, damit wir jetzt noch weitreichender die Ukraine unterstützen können.“ (rtr)
Selenski spricht am Dienstag mit IWF über Milliardenkredit
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski wird Insidern zufolge im Laufe des Tages mit IWF-Chefin Kristalina Georgiewa über einen neuen Kredit sprechen. Es gehe um ein umfassendes Finanzierungsprogramm, erklären zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Die Ukraine strebe ein Darlehen von 15 bis 20 Milliarden Dollar an. Es gilt als unwahrscheinlich, dass ein so hoher Betrag die Zustimmung des IWF findet. Das Exekutivdirektorium des IWF hatte auf einer informellen Sitzung am Montag erörtert, der Ukraine 1,4 Milliarden Dollar an Soforthilfe anzubieten. (rtr)
Blinken: die Ukraine macht bedeutende Fortschritte
US-Außenminister Antony Blinken bescheinigt den ukrainischen Streitkräften bei ihrer Gegenoffensive „bedeutende Fortschritte“. „Ihr Vorgehen war sehr systematisch geplant und wurde natürlich von den Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern unterstützt, um sicherzustellen, dass die Ukraine über die Ausrüstung verfügt, die sie zur Durchführung dieser Gegenoffensive benötigt“, sagt Blinken auf einer Pressekonferenz in Mexiko. Die ukrainische Offensive gegen die russischen Streitkräfte befinde sich noch im Anfangsstadium, es seien aber bereits bedeutende Fortschritte erzielt worden. Angesichts der Verluste, die Russland erlitten habe, kann und sollte Russland dem Ganzen ein Ende setzen. (rtr)
🐾 Bereits am Montag berichtete taz-Moskau-Korrespondentin Inna Hartwich über die erste Petition in einem Bezirk in St. Petersburg. Am Wochenende kamen noch aufständische Stimmen aus einem Moskauer Bezirk dazu.
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