+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Baerbock sichert Ukraine Hilfe zu

Angesichts der ukrainischen Gegenoffensive fordern Ampel-Politiker:innen, weiterhin Waffen in die Ukraine zu schicken. Die Ukraine fordert schweres Gerät.

Eine Frau steht vor einem zerstörten Haus und raucht

Hinterlassenschaft russischer Bomben in Mykolayiv Foto: Umit Bektas

Ampel fordert weitere schwere Waffen für die Ukraine

Angesichts der ukrainischen Gegenoffensive mehren sich die Stimmen in Deutschland, der Regierung in Kiew weitere schwere Waffen zu liefern inklusive Kampf- und Schützenpanzer. Die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann forderte am Sonntag, der Ukraine im Kampf gegen russische Besatzungstruppen auch Waffen aus Beständen der Bundeswehr zur Verfügung zu stellen. Aussagen von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), wonach die Bundeswehr nichts mehr abgeben könne, „teilen wir als Freie Demokraten nicht“. Für mehr Waffen sprachen sich auch Vertreter von SPD und Grünen aus. Die Union fordert dabei auch die Lieferung von Panzern westlicher Bauart.

Strack-Zimmermann verwies im Interview mit der Funke-Mediengruppe auf Äußerungen von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Dieser habe selbst gesagt, dass eine ausbleibende Unterstützung der Ukraine gefährlicher sei als nicht ausreichend gefüllte Waffenlager der Nato-Partner. „Also worauf warten wir dann noch?“ Die Ukraine hat wiederholt gefordert, dass der Westen auch Kampf- und Schützenpanzer eigener Bauart liefert, wie etwa die deutschen Kampfpanzer Leopard.

Der Unions-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter forderte die Bundesregierung auf, sofort Kampf- und Schützenpanzer zu liefern, um die militärischen Erfolge der Ukraine zu forcieren. „Deutschland könnte sofort Marder und Leopard, Fuchs und Dingo liefern und die Industrie rasch anweisen nachzuproduzieren“, sagte er der Funke-Mediengruppe. Ohne diese gepanzerten Fahrzeuge seien die ukrainischen Soldaten oft schutzlos beim Vorrücken. „Damit führt die Verweigerung zwangsläufig zu höheren Opfern auf Seiten der Ukraine, die durch deutsche Lieferungen verhindert werden könnten.“

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, Grüne, sicherte der Ukraine grundsätzlich weitere militärische Hilfe zu, mit Blick auf die Gegenoffensive schloss sie dabei auch die Lieferung von Kampfpanzern westlicher Bauart nicht aus. „So, wie sich die Lage vor Ort verändert, so schauen wir auch immer wieder unsere Unterstützung an und werden weitere Schritte gemeinsam mit unseren Partnern besprechen“, sagte Baerbock am Samstagabend bei ihrem zweiten Besuch in Kiew seit Kriegsbeginn. „Ich weiß, dass die Zeit drängt“, sagte Baerbock. „Die nächsten Wochen und Monate werden entscheidend.“ (rtr)

Freude in der Ukraine über Truppenrückzug

Der von Moskau bekannt gegebene Truppenrückzug aus dem ostukrainischen Gebiet Charkiw ist in Kiew mit Genugtuung aufgenommen worden. „Besatzer haben in der Ukraine keinen Platz und werden keinen haben“, sagte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski in seiner Videoansprache in der Nacht zum Sonntag. Mehr als sechs Monate nach Kriegsbeginn hatte seine Armee die russischen Besatzer im Charkiwer Gebiet bis zum Samstag massiv zurückgedrängt. Wenig später gab das Verteidigungsministerium in Moskau dann einen Rückzug seiner Truppen aus strategisch wichtigen Städten bekannt.

Für weitere erfolgreiche Gegenoffensiven ist Kiew eigenen Angaben zufolge aber auf weitere Waffenlieferungen aus dem Westen angewiesen. Bei einem Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) machte ihr ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba diesbezüglich Druck.

Selenskis Angaben zufolge haben die Ukrainer in den vergangenen zehn Tagen rund 2.000 Quadratkilometer in bislang von Russland besetzten Gebieten zurückerobert. Der ukrainische Staatschef dankte allen Soldaten, die an Rückeroberungen im Charkiwer Gebiet beteiligt waren.

Offiziell begründete Moskau den Abzug der eigenen Truppen damit, dass durch die Umgruppierung Einheiten im angrenzenden Gebiet Donezk verstärkt werden sollen. Viele Militärexperten gehen jedoch davon aus, dass die Russen angesichts des massiven ukrainischen Vorstoßes im Charkiwer Gebiet zuletzt so stark unter Druck geraten sind, dass sie sich zur Flucht entschieden haben. (dpa)

Zerstörte Fahrzeuge stehen auf einer Landstraße, im Hintergrund ein schwer beschädigtes Gebäude

Zerstörte Fahrzeuge in der Region Charkiw. Die Ukraine hat nach eigenen Angaben große Gebiete in der Region zurückerobert Foto: David Ryder/dpa

Besatzer rufen Menschen in Charkiw zur Flucht auf

Nach der Bekanntgabe des Rückzugs riefen die russischen Besatzer alle Bewohner der bislang unter ihrer Kontrolle stehenden Orte in Charkiw zur Flucht auf. „Ich empfehle nochmals allen Bewohnern der Region Charkiw, das Gebiet zum Schutz ihres Lebens und ihrer Gesundheit zu verlassen“, sagte der Chef der von Russland eingesetzten Militärverwaltung, Witali Gantschew, laut Agentur Tass: „Jetzt in seinem Haus zu bleiben, ist gefährlich.“ (dpa)

Ukraine drängt Deutschland zur Lieferung von Panzern

Mit Blick auf weitere Rückeroberungsversuche drängt die Ukraine Deutschland zur Lieferung von Kampfpanzern. „Wir sehen keine Hindernisse dafür“, sagte Außenminister Kuleba nach einem Treffen mit seiner deutschen Kollegin Baerbock in Kiew. Bis sich Berlin dazu entschließe, solle Deutschland weiter Artilleriemunition liefern. „Das erhöht spürbar unsere Offensivmöglichkeiten und das hilft uns bei der Befreiung neuer Gebiete“, sagte der Chefdiplomat.

Baerbock reagierte zurückhaltend auf die ukrainische Forderung. „Wir liefern ja seit Längerem bereits schwere Waffen. Und wir sehen, dass diese schweren Waffen auch einen Unterschied mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine machen“, betonte sie. Konkret nannte Baerbock Mehrfachraketenwerfer, Panzerhaubitzen und Flakpanzer vom Typ Gepard. Von Letzteren werde Deutschland schnellstmöglich zehn weitere liefern. Die Außenministerin sagte zudem schweres Gerät zum Aufbau von Brücken und Winterausrüstung zu.

Baerbock forderte darüber hinaus den vollständigen russischen Abzug vom Gelände des Atomkraftwerks Saporischschja in der Südukraine. Mit der Besetzung des Kernkraftwerks setze der russische Präsident Wladimir Putin die gesamte Region der Gefahr eines nuklearen Zwischenfalls aus, sagte die Grünen-Politikerin. (dpa)

Letzter Reaktor im AKW Saporischschja heruntergefahren

Das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja ist wieder an das Stromnetz angeschlossen worden und hat anschließend den letzten noch laufenden Reaktor heruntergefahren. Das Risiko, dass die Anlage erneut von der Stromversorgung abgeschnitten wird, sei weiter hoch, teilte der Betreiber Enerhoatom am Sonntag mit. In diesem Fall müsse der Strom zur Kühlung der heruntergefahrenen Reaktoren mit Dieselaggregaten auf dem Kraftwerksgelände erzeugt werden. Nach Angaben von Enerhoatom reichen die Dieselvorräte nur für zehn Tage.

Das Kernkraftwerk Saporischschja ist das größte in Europa und war kurz nach Beginn des Krieges von russischen Truppen besetzt worden. Das ukrainische Personal sorgt für den Weiterbetrieb. Russland und die Ukraine werfen sich gegenseitig vor, durch Kriegshandlungen in der Gegend Stromleitungen beschädigt zu haben.

Strom ist entscheidend für die Kühlung der Reaktoren, die eine Kernschmelze verhindert. Vergangene Woche wurde das Werk wegen der Kämpfe vom Stromnetz getrennt und ging mithilfe des letzten laufenden Reaktors in einen sogenannten Inselbetrieb. Das heißt, der Reaktor versorgte das Werk mit Strom für die Kühlung. Diese ist auch nötig, wenn die Reaktoren nicht laufen, weil die Kernbrennstäbe auch dann immer noch Hitze freisetzen. Am Samstag wurde die Stromverbindung laut Enerhoatom wieder hergestellt. (ap)

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