+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: UN warnen vor Atomkatastrophe
Wegen der Kämpfe um ein ukrainisches AKW äußert UN-Generalsekretär Guterres Besorgnis. Estland lässt Russ*innen nicht mehr einreisen.
UN-Generalsekretär warnt vor Atomkatastrophe
Angesichts der Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine um das Atomkraftwerk Saporischschja hat UN-Generalsekretär António Guterres vor einer Atomkatastrophe gewarnt. Vor einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats am Mittwoch in New York zur Situation des größten europäischen AKW im Süden der Ukraine äußerte sich Guterres „zutiefst besorgt“. „Bedauerlicherweise gab es in den letzten Tagen keine Deeskalation, sondern Berichte über weitere zutiefst besorgniserregende Vorfälle. Wenn sich diese fortsetzen, könnte dies zu einer Katastrophe führen.“
Das AKW im Süden der Ukraine, das seit Monaten unter russischer Kontrolle steht, war am Wochenende mehrfach beschossen und teils beschädigt worden. Die kritische Infrastruktur soll aber weiter intakt sein. Russland und die Ukraine geben sich gegenseitig die Schuld. Am Mittwoch griffen russische Einheiten mit Raketenwerfern Ortschaften in der Umgebung an. Dabei starben nach ukrainischen Angaben mindestens elf Menschen. Unabhängig zu überprüfen war dies nicht.
Der UN-Sicherheitsrat – das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen – soll sich auf russische Initiative mit dem Beschuss beschäftigen. Dabei soll auch der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, Auskunft über den Zustand des AKW geben. Russland verwehrt internationalen Experten bislang den Zugang. (dpa)
Estland lässt Russ*innen nicht mehr einreisen
Estland hat entschieden, Russ*innen mit Tourismusvisa nicht länger einreisen zu lassen. „Die Möglichkeit für russische Bürger, Estland in großer Zahl oder Europa über Estland zu besuchen, ist nicht vereinbar mit den Sanktionen, die wir etabliert haben“, wurde am Donnerstag der estnische Außenminister Urmas Reinsalu von der baltischen Nachrichtenagentur BNS zitiert.
Die Europäische Union hat bereits wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine Flugreisen von Russland aus untersagt. Offensichtlich nutzen russische Reisende aber den Landweg, um in ihr benachbartes EU-Mitglied Estland zu kommen und dann Flüge in andere europäische Ziele zu nehmen.
Mit der Sanktion wolle Estland bewirken, dass Russland „außerstande ist, ein normales internationales Leben auch auf der Ebene seiner Bürger fortzusetzen“, erklärte Außenministerin Reinsalu laut BNS. Der Agenturmeldung zufolge sind von der Maßnahme auch russische Bürger mit einer langfristigen Aufenthaltserlaubnis betroffen. Sie gelte auch für Verwandtenbesuche, Beschäftigte im internationalen Waren- und Personenverkehr und Menschen, die aus humanitären Gründen einreisen wollen. (ap)
Schweden beschließt Auslieferung von in der Türkei verurteiltem Mann
Anderthalb Monate nach einer Einigung im Nato-Streit mit der Türkei hat Schweden beschlossen, einen türkischen Staatsbürger auszuliefern. Der Name des rund 35 Jahre alten Mannes soll demnach in türkischen Medien als eine der Personen aufgetaucht sein, die Präsident Recep Tayyip Erdogan ausgeliefert sehen möchte. Wie der Rundfunksender SVT am Donnerstag berichtete, wurde der Mann in den Jahren 2013 und 2016 wegen Bank- und Kreditkartenmissbrauchs von einem türkischen Gericht zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt.
Das schwedische Justizministerium bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass ein solcher Beschluss gefasst worden sei. Justizminister Morgen Johansson zufolge geht es um eine Routineangelegenheit. Der Auslieferungsantrag sei bereits 2021 eingegangen. Das Oberste Gericht von Schweden habe festgestellt, dass einer Auslieferung zum Verbüßen der Strafe nichts im Wege stehe.
Nach SVT-Angaben ist es der erste bekanntgewordene Auslieferungsfall, seit der Prozess zur Nato-Aufnahme Schwedens eingeleitet worden ist. Der Mann saß allerdings schon seit Ende 2021 in Gewahrsam, während er auf die Auslieferungsentscheidung wartete. Der Mann bestreitet laut SVT die Tat und meint demnach, wegen seines Wechsels zum Christentum sowie verweigertem Militärdienst verurteilt worden zu sein.
Schweden und Finnland hatten im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Mitte Mai die Aufnahme in die Nato beantragt. Die Türkei hatte den Beginn dieses Prozesses zunächst blockiert und das mit der angeblichen schwedischen und finnischen Unterstützung von „Terrororganisationen“ begründet. Ende Juni unterzeichneten die drei Länder eine Absichtserklärung, die auf die Vorbehalte einging. Die Türkei hat die Nato-Norderweiterung bislang nicht ratifiziert. (dpa)
Lettland stuft Russland als staatlichen Terror-Unterstützer ein
Das lettische Parlament brandmarkt Russland wegen des Kriegs in der Ukraine offiziell als „staatlichen Terrorismus-Sponsor“. Lettland stufe Russlands Vorgehen in der Ukraine als gezielten Völkermord am ukrainischen Volk ein, heißt es in einer Entschließung des Parlaments. Westliche Nationen werden aufgefordert, ihre militärische, finanzielle, humanitäre und diplomatische Unterstützung für die Ukraine zu verstärken und Initiativen zu unterstützen, die Russlands Vorgehen verurteilen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erklärt, er sei dankbar für die Resolution des lettischen Parlaments. Russland weist die Einstufung dagegen entschieden zurück. „Wenn man bedenkt, dass hinter dieser Entscheidung außer animalischer Fremdenfeindlichkeit keine Substanz steckt, ist es notwendig, die Ideologen als nichts anderes als Neonazis zu bezeichnen“, schreibt die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf Telegram. (rtr)
Russland spricht der Schweiz neutrale Rolle ab
Die Ukraine möchte ihre Interessen in Russland nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen durch die Schweiz vertreten lassen. Die Verhandlungen für ein solches Schutzmachtmandat seien abgeschlossen, teilte das Schweizer Außenministerium in Bern am Donnerstag auf Anfrage mit. „Damit das Schutzmachtmandat in Kraft treten kann, muss noch Russland sein Einverständnis geben“, hieß es.
Ob es dazu kommt, ist aber fraglich. Die russische Botschaft in Bern schrieb dem „Tages-Anzeiger“, die Schweizer Regierung sei durch die Übernahme der Sanktionen gegen Russland nicht mehr neutral. Russland sei „nicht bereit, Vermittlungsangebote von Ländern, die sich den antirussischen Sanktionen angeschlossen haben, in den Verhandlungen mit der Ukraine zu berücksichtigen.“ (dpa)
Mehr Getreideausfuhren aus der Ukraine erwartet
Vor dem Hintergrund der Vereinbarungen zwischen Moskau und Kiew rechnen die Vereinten Nationen mit wachsenden Getreideausfuhren aus der Ukraine. Der UN-Koordinator Frederick Kenney sagte am Mittwoch in einer virtuellen Pressekonferenz aus Istanbul, die Schiffseigner zeigten enormes Interesse am Export von Getreide aus den ukrainischen Häfen. Das Gemeinsame Koordinationszentrum, das die ukrainischen Erzeugnisse auf den Weltmarkt bringen soll, hat seinen Sitz in der türkischen Metropole.
Das Zentrum erhalte jeden Tag Dutzende Anfragen nach ukrainischem Getreide, sagte Kenney, Direktor für rechtliche und externe Angelegenheiten bei der Internationalen Schifffahrtsorganisation und pensionierter Konteradmiral der US-Küstenwache. Details über die Verschiffungen und Inspektionen seien am Montag an die Branche herausgegeben worden. Nun werde mit einem weiteren Anstieg der Anfragen gerechnet. „Wir wissen, dass eine Reihe von leeren Getreideschiffen in türkischen Ankergebieten darauf warten, die Verträge abzuschließen.“ Sobald die Papiere unterzeichnet seien, könnten die Schiffe in Richtung Norden ablegen.
Russland und die Ukraine hatten sich unter Vermittlung der Türkei und der Vereinten Nationen am 22. Juli darauf geeinigt, der Ukraine den Weg für die Ausfuhr von 22 Millionen Getreide zu ebenen. Die Agrarerzeugnisse sitzen seit der russischen Invasion in den Häfen und Silos fest. Das Gemeinsame Koordinierungszentrum, dem Experten aus Russland, der Ukraine, der Türkei und den Vereinten Nationen angehören, genehmigte das Auslaufen von zwölf Schiffen mit über 370.000 Tonnen Getreide sowie die Einfahrt von vier Schiffen zur Aufnahme neuer Fracht, wie Kenney erklärte. Die Schiffe werden stets in der Türkei inspiziert, bevor sie zu ihren Zielhäfen weiterfahren dürfen. Bisher seien bei diesen Inspektionen keine nicht genehmigten Güter aufgefallen, sagte Kenney. (ap)
Aufschub für ukrainische Anleihe-Zahlungen
Ausländische Gläubiger räumen der Ukraine einen zweijährigen Aufschub für anstehende Anleihe-Zahlungen im Wert von fast 20 Milliarden Dollar ein. Damit kann das vom Krieg gebeutelte Land einen Zahlungsausfall vermeiden.
Demnach stimmten die Inhaber von rund 75 Prozent der ausstehenden Anleihen dem Vorschlag aus Kiew zu. „Die Ukraine wird fast sechs Milliarden Dollar an Zahlungen einsparen“, sagte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal. „Diese Mittel werden uns helfen, die makrofinanzielle Stabilität zu erhalten, die Nachhaltigkeit der ukrainischen Wirtschaft zu stärken und die Schlagkraft unserer Armee zu verbessern.“
Experten zufolge kann das Land damit etwas mehr Luft im Krieg in der Ukraine. „Das zweijährige Einfrieren der Schulden ergibt Sinn, denn selbst wenn der Krieg bald zu Ende ist, wird sich die Lage der Ukraine nicht über Nacht verbessern“, sagte der Chefökonom des Londoner Forschungsinstituts Tellimer, Stuart Culverhouse. „Die Gläubiger waren sogar überrascht, dass das Land zunächst beschlossen hat, die Anleihen bis jetzt zu bedienen.“
Seit Beginn des russischen Angriffs steckt die Ukraine in einer schweren Wirtschaftskrise. Die Weltbank geht davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr um mehr als 45 Prozent einbrechen wird. Die internationalen Reserven der Ukraine sind seit März von 28,1 auf zuletzt 22,4 Milliarden Dollar geschmolzen. Mit einem monatlichen Haushaltsdefizit von etwa fünf Milliarden Dollar ist die Ukraine in hohem Maße auf ausländische Finanzmittel von westlichen Verbündeten und multilateralen Kreditgebern wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank angewiesen. (rtr)
🐾 Nukleare Kampfzone: Ein Atomkraftwerk an der Front
Das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja liegt direkt an der Front und alle Seiten berichten von militärischen Angriffen. Doch trotz Beschuss zeigt sich bisher keine erhöhte Radioaktivität. Bernhard Pötter hat sich mit der Lage befasst und ordnet sie vor dem Gesichtspunkt des Völkerrechts und dem historischen Hintergrund ein. (taz)
Mehrere russische Kampfjets auf Krim zerstört
Nach Explosionen auf einer Militärbasis auf der Krim zeigen westliche Satellitenbilder, dass mindestens sieben russische Kampfflugzeuge zerstört wurden. Weitere Jets hätten offenbar Schäden davongetragen, berichtete Planet Labs PBC, ein auf Erdbeobachtung spezialisiertes US-Unternehmen. Dessen Satellitenbilder stammten von Mittwochnachmittag.
Sie zeigen eine rund zwei Quadratkilometer große verbrannte Grünfläche auf dem Stützpunkt Saky. Etliche Krater waren auf dem Boden in der Nähe des Rollfeldes zu sehen, was in der Regel auf eine massive Explosion hindeutet. Einige der Kampfjets auf dem Stellplatz wurden auf der Rollbahn zudem verschoben: auf vor den Explosionen aufgenommenen Satellitenbildern standen sie noch an einer anderen Stelle.
Russland hat bestritten, dass jedwede Flugzeuge bei den Detonationen am Dienstag zerstört worden seien. Auch Hotels oder der Strand der Halbinsel seien nicht betroffen gewesen. Bei den Explosionen, bei denen laut Krim-Chef Sergej Aksjonow eine Person ums Leben kam und 14 weitere verletzt wurden, waren Touristen jedoch in Panik von der nahe gelegenen Küste geflüchtet.
Nach ukrainischen Angaben seien mindestens zehn Flugzeuge zerstört worden. Der Sprecher des ukrainischen Luftwaffenstabs, Juri Ihnat, sagte am Mittwoch im Fernsehen, auf der Krim seien Kampfflugzeuge der Typen Suchoi Su-30M und Su-24 sowie Transportflugzeuge vom Typ Iljuschin Il-76 stationiert.
Die ukrainische Regierung reklamierte die Explosionen nicht für sich, mokierte sich aber zugleich über die russische Erklärung, wonach ein unachtsamer Raucher dafür gesorgt haben könnte, dass Munition auf der Luftwaffenbasis Saky Feuer gefangen habe und hochgegangen sei. Doch hielten Spekulationen an, ob der Vorfall doch auf einen ukrainischen Angriff zurückgehen könnte. In einem solchen Fall würde es sich um die erste große Attacke auf eine russische Militäreinrichtung auf der von Russland 2014 annektierten Krim handeln. (ap,dpa)
Ammoniak ausgeströmt – ein Toter, mehrere Verletzte
Aus einer brennenden Brauerei in der ostukrainischen Separatistenhochburg Donezk ist nach Angaben örtlicher Behörden giftiges Ammoniak ausgetreten. Bei dem durch ukrainischen Beschuss ausgelösten Brand seien ein Mensch getötet und zwei weitere verletzt worden, teilte die prorussischen Behörden in Donezk am Donnerstag mit. Der Austritt von Ammoniak sei gestoppt worden. Das Gas verteilte sich demnach in der Nacht im Umkreis von zwei Kilometern. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, in Gebäuden zu bleiben und Fenster geschlossen zu halten. Ammoniak – bekannt für seinen stechenden Geruch – dient beim Bierbrauen als Kühlmittel.
Zur Zeit des Beschusses hätten sich mehr als 30 Menschen in der Bierbrauerei aufgehalten, hieß es. Die Front zwischen ukrainischen Truppen und den Einheiten der von Moskau gesteuerten Separatisten verläuft seit 2014 nordöstlich der größten Stadt im Donbass. In der Region toben die schwersten Kämpfe. Die Separatisten wollen mit Hilfe russischer Truppen die gesamte Region Donezk einnehmen. Durch ukrainischen Beschuss seien am Mittwoch in Donezk drei Zivilisten getötet worden, teilten die Separatisten mit. Die Berichte sind in der Regel nicht unabhängig zu überprüfen. (dpa)
Asow-Kämpfer noch diesen Sommer vor Gericht
Hunderten Kämpfern des Asow-Regiments soll nach Angaben des Chefs der Separatistenverwaltung der Region Donezk „noch vor Ende des Sommers“ der Prozess gemacht werden. „Das erste Gerichtsverfahren wird wahrscheinlich in Mariupol stattfinden und noch vor Ende des Sommers abgehalten“, sagt Denis Puschilin, Chef der selbsternannten Volksrepublik, zu Reportern während einer vom russischen Verteidigungsministerium organisierten Reise. Medien und internationale Vertreter dürften dem Prozess beiwohnen. Das Asow-Regiment erlangte internationale Aufmerksamkeit durch seinen Widerstand gegen die russische Belagerung des Stahlwerks von Mariupol. Nach wochenlangen Kämpfen in den Bunkern und Tunneln ergaben sich im Mai den russischen Truppen. (rtr)
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