+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Scholz besichtigt Gas-Turbine

Die gewartete Turbine kann laut Bundeskanzler „jederzeit geliefert werden“. Moskau vermisst immer noch notwendige Unterlagen für den Weitertransport.

Bundeskanzler steht vor der Turbine

Bundeskanzler Scholz (SPD) steht vor der in Kanada für die Pipeline Nordstream 1 gewarteten Turbine Foto: Bernd Thissen/dpa

Kreml: Noch immer keine Unterlagen von Nord Stream 1 da

Russland hat erneut jegliche Schuld an der weiter nicht eingebauten Turbine in der Gas-Pipeline Nord Stream 1 zurückgewiesen. Die Turbine sei zwar mittlerweile in Deutschland, aber dem russischen Staatskonzern Gazprom als Eigentümer fehlten weiter notwendige Papiere, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Mittwoch der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.

Peskow warnte zudem davor, die Turbine zu sanktionieren und am Ende möglicherweise noch aus der Ferne abzuschalten. Bei einer weiteren Maschine gebe es Probleme, doch Techniker einer Siemens-Tochter „haben es nicht eilig, sie zu reparieren“, behauptete der Kremlsprecher. Russland spricht immer nur von Siemens, gemeint ist aber das Unternehmen Siemens Energy. (dpa)

Russland bestätigt Angriff auf Westukraine

Russlands Militär hat einen Raketenangriff auf die westukrainische Region Lwiw bestätigt – und ihn mit der Zerstörung westlicher Waffen begründet. Es sei ein Lager mit Waffen und Munition zerstört worden, die Polen an die Ukraine geliefert habe, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Mittwoch.

Zuvor hatten am Dienstagabend bereits ukrainische Behörden über Explosionen im Grenzgebiet zu ihrem Nato-Nachbarn Polen berichtet. Eine russische Rakete sei in eine ukrainische Militäreinrichtung im Kreis Tscherwonohrad eingeschlagen, hieß es. Russland bestätigte auch einen Angriff auf die südliche Region Mykolajiw. Dabei seien mehr als 50 ukrainische Kämpfer getötet worden, sagte Konaschenkow. Das ließ sich nicht unabhängig überprüfen.

Die von Moskau unterstützten Separatisten im ostukrainischen Gebiet Donezk berichteten unterdessen von der angeblichen Eroberung der beiden Dörfer Semyhirja und Trawnewe südöstlich der Stadt Bachmut. Unweit der Stadt Soledar kämpften die russischen Truppen bereits am Stadtrand, hieß es. Auch das ließ sich nicht überprüfen. Der ukrainische Generalstab meldete zuletzt zwar Artilleriebeschuss unter anderem auf Siedlungen südlich von Bachmut – sprach aber auch von teils erfolgreich abgewehrten Vorstoßversuchen. (dpa)

Getreide-Frachter in Istanbul darf weiterfahren

Der erste mit ukrainischem Getreide beladene Frachter seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat nach einer Inspektion in Istanbul die Freigabe zur Weiterfahrt in den Libanon erhalten. Internationale Kontrolleure hätten ihre Inspektion beendet, teilte das türkische Verteidigungsministerium am Mittwoch mit. Das Schiff werde in Kürze die durch Istanbul verlaufende Meerenge Bosporus passieren.

Am Morgen waren Experten der Ukraine, Russlands, der Türkei und der Vereinten Nationen an Bord des vor Istanbul ankernden Getreide-Frachters „Razoni“ gegangen und hatten das Schiff inspiziert.

Die „Razoni“ hatte am Montag als erstes Schiff im Rahmen des Ende Juli von der Ukraine und Russland unterzeichneten Abkommens den ukrainischen Schwarzmeer-Hafen Odessa verlassen. Einer Mitteilung des ukrainischen Infrastrukturministeriums zufolge warten aktuell 17 bereits beladene Schiffe auf die Erlaubnis, ablegen zu können.

Sie sollen über einen sicheren Korridor durch vermintes Gewässer im Schwarzen Meer gelotst und vor der Ausfahrt ins Mittelmeer von ukrainischen, russischen, türkischen und UN-Experten überprüft werden. Damit soll der Export von Millionen Tonnen Getreide gesichert werden, die in der Ukraine wegen des russischen Angriffskriegs festhängen. (dpa)

Gas-Turbine jederzeit nach Russland lieferbar

Bundeskanzler Olaf Scholz macht Russland für Verzögerungen beim Rücktransport einer in Kanada gewarteten Turbine für die Ostseepipeline Nord Stream 1 verantwortlich. Die Turbine könne jederzeit zurücktransportiert werden, sagt Scholz bei einem Werksbesuch bei Siemens Energy in Mühlheim an der Ruhr, wo die Turbine lagert. „Es muss nur jemand sagen, ich möchte sie haben, dann ist sie ganz schnell da“, sagt Scholz. Dem Eigentümer, dem russischen Energieriesen Gazprom, wirft der Kanzler vor, alle für eine Verringerung der Gaslieferungen durch Nord Stream 1 vorgebrachten technischen Gründe seien auf einer Faktenbasis nicht nachvollziehbar. „Das gehört auch zur Wahrheit“, sagt Scholz.

Der SPD-Politiker traf am Morgen am Werk von Siemens Energy in Mühlheim an der Ruhr ein, wo die in Kanada gewartete Turbine seit Mitte Juli für den Weitertransport nach Russland bereitsteht. Russland liefert seit längerer Zeit deutlich weniger Gas durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1, als von der Kapazität her möglich wäre. Zur Begründung wird auf die fehlende Turbine verwiesen. Siemens Energy und die Bundesregierung erklären, die Turbine könne jederzeit nach Russland gebracht werden. Der russische Energieriese Gazprom, deren Tochter Nord Stream AG die Turbine gehört, nennt indes fehlende Unterlagen als Grund für die Verzögerung. (rtr)

Lawrow zu offiziellem Besuch in Myanmar

Der russische Außenminister Sergej Lawrow ist am Mittwoch zu einem offiziellen Besuch in Myanmar eingetroffen. Das meldete die russische Nachrichtenagentur Tass. Das russische Außenministerium teilte per Twitter mit, Lawrow sei mit dem Außenminister der Militärregierung, Wunna Maung Lwin, in der Hauptstadt Naypyitaw zusammengetroffen.

Russland ist zusammen mit China wichtigster Unterstützer der international geächteten Militärjunta, die im Februar 2021 die demokratisch gewählte Regierung absetzte. Mit ihrem Vetorecht haben Moskau und Peking im Weltsicherheitsrat koordinierte internationale Sanktionen gegen die Junta behindert. Russland ist größter Waffenlieferant Myanmars.

Lawrows Besuch erfolgte vor dem Außenministertreffen des Verbandes Südostasiatischer Staaten (Asean) in Kambodscha diese Woche, an dem er teilnehmen wird. (ap)

Außenhandel mit Russland im Juni wieder gestiegen

Im Juni hat der Warenaustausch Deutschlands mit Russland wieder zugenommen. Im Vergleich zum Mai legten die deutschen Exporte laut vorläufigen Zahlen um 14,5 Prozent zu, die Importe stiegen um 4,8 Prozent, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Mittwoch mitteilte. Das Handelsvolumen ist dennoch bedeutend geringer als vor dem russischen Angriff auf die Ukraine: Im Vergleich zum Juni 2021 sanken die Exporte nach Russland um 40,3 Prozent.

Weltweit steigerte Deutschland seine Exporte im Juni dem Bundesamt zufolge um 4,5 Prozent auf 134,3 Milliarden Euro, während die Importe um 0,2 Prozent auf 127,9 Milliarden Euro stiegen. Im Jahresvergleich halbierte sich der Überschuss im Außenhandel jedoch von 13,5 Milliarden Euro auf nunmehr 6,4 Milliarden.

Das wichtigste Abnehmerland deutscher Produkte waren im Juni mit 14,2 Milliarden Euro die USA. Die meisten Importe kamen aus China (17 Milliarden Euro), auch wenn diese um 3,9 Prozent im Vergleich zum Mai sanken. Im Handel mit Großbritannien stiegen die Exporte, während die Einfuhren im selben Zeitraum deutlich abnahmen. (afp)

Städtetag für staatliche Zuschüsse bei Gas-Umlage

Der Deutsche Städtetag hat bei der geplanten Gas-Umlage staatliche Hilfen für überforderte Haushalte ins Spiel gebracht. „Der Bund sollte die Umlage durch staatliche Zuschüsse verringern, wenn die Preise am Markt noch weiter steigen und damit eine zu große Belastung der Verbraucher und der Wirtschaft droht“, sagte Städtetags-Präsident Markus Lewe der Deutschen Presse-Agentur. Er forderte wegen der Energiekrise außerdem, einen Krisenstab von Bund, Ländern und Kommunen einzusetzen.

„In der aktuellen Energiekrise ist es richtig, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Vorsorge für eine sichere Energieversorgung beteiligt werden. Aber die Gas-Umlage darf die Menschen finanziell nicht überfordern“, sagte Lewe nach einer Sondersitzung des Städtetags-Präsidiums am Dienstag. „Sie muss umsichtig festgelegt und über einen längeren Zeitraum verteilt werden, statt alle paar Monate kurzfristig rauf- und runterzugehen. Sonst haben wir keinerlei Planungssicherheit für die Endkunden.“

Die staatliche Gas-Umlage soll im Oktober für Firmen und Privathaushalte eingeführt werden. Sie soll Gasversorgern zugute kommen, die zu hohen Preisen Ersatz für ausbleibende Gasmengen aus Russland kaufen müssen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte zuletzt eine Spanne von 1,5 bis 5 Cent pro Kilowattstunde, in der sich die Gas-Umlage bewegen werde. Bei einem durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 20 000 Kilowattstunden im Jahr wären das 300 bis 1000 Euro. Dazu kommen marktgetriebene drastische Preissteigerungen ohnehin schrittweise bei den Kunden an.

Lewe sagte, Menschen mit niedrigen Einkommen treffe der enorme Anstieg der Energiepreise besonders hart. „Deshalb ist die angekündigte Reform des Wohngeldes richtig, weil dadurch mehr Menschen einen Anspruch auf Wohngeld bekommen. Der heutige einmalige Heizkostenzuschuss muss darüber hinaus bald umgewandelt werden in einen dauerhaften pauschalen Heizkostenzuschuss.“ Oder es sollte die Warmmiete bei der Berechnung des Wohngelds zugrunde gelegt werden.

Die Gas-Umlage helfe, eskalierende Preise am Anfang der Lieferkette zu vermeiden, so Lewe. „Das ist gut für die Stadtwerke. Aber die Gefahr einer Insolvenz ist damit nicht gebannt. Die Stadtwerke müssen in den Rettungsschirm für Unternehmen einbezogen werden. Wir fordern die Bundesregierung dringend auf, ein Insolvenzmoratorium auf den Weg zu bringen und mögliche Insolvenzen von Stadtwerken mit Liquiditätshilfen abzufangen.“ Stadtwerke seien der Garant für die Versorgung der Menschen vor Ort.

Die Städte unterstützten die Bemühungen der Bundesregierung, alles zu tun, um eine Gas-Mangellage im Winter und eine Stromkrise zu verhindern, sagte der Oberbürgermeister der Stadt Münster. „Wir halten es für nötig, einen Krisenstab von Bund, Ländern und Kommunen einzusetzen. Wir sind im Moment in einer Ausnahmesituation. Deshalb ist es als Überbrückungsmaßnahme vertretbar, Kohlekraftwerke vorübergehend weiter zu nutzen.“ Die Klimaschutzziele der Bundesregierung hätten dennoch weiter Priorität. (dpa)

Altkanzler Schröder empfiehlt Start von Nord Stream 2

Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sich angesichts des drohenden Gasmangels für eine Inbetriebnahme der neuen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ausgesprochen. Das wäre „die einfachste Lösung“, sagte er in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit dem Magazin „Stern“ und dem Sender RTL/ntv. Für derzeit ausbleibende Gaslieferungen aus Russland über die bestehende Nord-Stream-1-Leitung machte Schröder vor allem den Konzern Siemens verantwortlich.

Nord Stream 2 „ist fertig“, sagte der Altkanzler, der als Verwaltungschef der Betreiberfirma der neuen Gasleitung fungiert. „Wenn es wirklich eng wird, gibt es diese Pipeline, und mit beiden Nord-Stream-Pipelines gäbe es kein Versorgungsproblem für die deutsche Industrie und die deutschen Haushalte.“

Andernfalls „muss man die Folgen tragen. Und die werden auch in Deutschland riesig sein“, warnte Schröder. Sollten die Gaspreise wie erwartet weiter steigen, würden die Menschen dann bald fragen, warum durch die neue Leitung kein Gas fließe. Nord Stream 2 war vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht wie geplant in Betrieb genommen worden.

In den vergangenen Wochen hatte der russische Gaskonzern Gazprom außerdem die Lieferungen über die Nord-Stream-1-Pipeline stark gedrosselt. Russland verweist auf technische Probleme. Die Bundesregierung weist diese Argumentation jedoch zurück. Moskau setze vielmehr Gas als außenpolitisches Druckmittel ein.

Schröder widersprach der Darstellung Berlins und machte stattdessen dem Konzern Siemens Vorwürfe. Dass derzeit nur 20 Prozent der normalen Gasmenge durch Nord Stream 1 flössen, „liegt in der Verantwortung von Siemens, wenn ich das richtig sehe“, sagte er. Siemens habe die in den vergangenen Wochen viel diskutierte Turbine für Nord Stream 1 aus der Wartung in Kanada nach Mülheim an der Ruhr gebracht. „Warum sie dort ist und nicht in Russland, verstehe ich nicht.“

Schröder war vergangene Woche in Moskau und führte dort nach eigenen Angaben Gespräche mit dem Verantwortlichen für die Energiewirtschaft. Zudem habe er sich mit Präsident Wladimir Putin getroffen. Nun sagte er, es gebe „keine politische Ansage des Kreml, den Gasfluss zu drosseln“. „Es handelt sich hier vorwiegend um ein technisches und bürokratisches Problem“, so Schröder.

Siemens selbst gibt an, die Turbine jederzeit nach Russland liefern zu können. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wollte am Mittwoch den Siemens-Standort in Mülheim an der Ruhr besuchen. „Er wird sich vor Ort gemeinsam mit unserem Vorstandsvorsitzenden Christian Bruch die in Kanada für die Erdgas-Pipeline Nordstream 1 gewartete Turbine anschauen, die für den Weitertransport nach Russland bereitsteht“, erklärte das Unternehmen. (afp)

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Raketeneinschlag im ukrainischen Grenzgebiet nach Polen

In Nähe der ukrainischen Westgrenze zum Nato-Mitglied Polen haben sich am Dienstagabend zwei Explosionen ereignet. Eine russische Rakete sei in eine ukrainische Militäreinrichtung im Kreis Tscherwonohrad eingeschlagen, teilte die Verwaltung des Gebietes Lwiw mit. Noch gebe es keine Angaben zum angerichteten Schaden, schrieb Gouverneur Maxim Kosizkyj im sozialen Netzwerk Telegram.

Die russische Armee habe am Dienstagabend von Langstreckenbombern über dem Kaspischen Meer acht Raketen auf die Ukraine abgefeuert, teilte das Oberkommando der ukrainischen Luftwaffe mit. Sieben von ihnen seien abgefangen worden. Im Gebiet Lwiw sei eine Flugabwehrstellung getroffen worden. Diese Militärangaben waren nicht unmittelbar zu überprüfen. Explosionen wurden abends auch aus der Stadt Mykolajiw im Süden der Ukraine gemeldet.

Mitte März hatte Russland den Truppenübungsplatz Jaworiw etwa 20 Kilometer von der Grenze nach Polen entfernt mit Raketen getroffen. Dabei wurden den Angaben nach mindestens 35 Soldaten getötet. (dpa)

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