+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Reichweite für die Ukraine
Bundeskanzler Merz erklärt, dass Waffen von der Ukraine „keinerlei Reichweitenbeschränkungen“ unterliegen. Selenskyj kommt am Mittwoch nach Berlin.

Wadephul: Keine Aussagen über Taurus-Lieferung
Außenminister Johann Wadephul weist russische Kritik an der Aufhebung der Reichweitenbeschränkung deutscher Waffen für die Ukraine strikt zurück. „Es hat jetzt mehrere Aufforderungen und Gelegenheiten gegeben, an den Verhandlungstisch zu kommen für den russischen Präsidenten und er hat sie ausgeschlagen“, sagte der CDU-Politiker bei einem Treffen mit seinem portugiesischen Kollegen Paulo Rangel in der Hauptstadt Lissabon. „Wir haben immer klar angekündigt, dass dieses Verhalten nicht ohne Konsequenzen bleiben wird“, fügte Wadephul hinzu.
Grundsätzlich gelte das, was Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) schon bei mehreren Gelegenheiten gesagt habe, fügte Wadephul auf die Frage, ob die Zeit reif sei zur Lieferung weitreichender deutscher Taurus-Marschflugkörper, hinzu: „Wir werden über einzelne Waffen-Systeme keine Aussagen machen.“ Die Bundesregierung werde dem russischen Präsidenten Wladimir Putin „nicht die Gelegenheit geben, zu wissen, was wir konkret tun“. Der Minister ergänzte: „Es wird verantwortungsvoll sein, aber es wird so sein, dass die Ukraine sich wirkungsvoll verteidigen kann.“
Merz hatte zuvor erklärt, es gebe „keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind, weder von den Briten noch von den Franzosen noch von uns, von den Amerikanern auch nicht“.
Der Raketenwerfer Mars II mit einer Reichweite von etwa 85 Kilometern und die Panzerhaubitze 2000 mit einer Reichweite von etwa 35 Kilometern sind die einzigen deutschen Waffen, mit denen die ukrainische Armee Ziele hinter der Frontlinie treffen kann.
Den Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern, mit dem selbst Moskau erreicht werden könnte, hat Berlin bisher nicht geliefert.
Die USA, Frankreich und Großbritannien haben den ukrainischen Streitkräften dagegen Raketen mit einer Reichweite von teilweise mehr als 250 Kilometern zur Verfügung gestellt, die Medienberichten zufolge schon gegen russisches Territorium eingesetzt worden sein sollen. (dpa)
Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) widersprach allerdings dem Eindruck, dass es einen Kurswechsel gebe. „Was die Reichweite angeht, will ich noch sagen, da gibt es keine neue Verabredung, die über das hinausgeht, was die bisherige Regierung gemacht hat“, sagte er auf Nachfrage bei einer Pressekonferenz in Berlin. Der Linken-Politiker Sören Pellmann äußerte sich besorgt über Merz' Äußerungen: „Dass es jetzt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für an die Ukraine gelieferte Waffen gibt, wird den Kriegsverlauf leider nicht ändern, sondern kann zu einer weiteren Eskalation führen.“ BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisierte ebenfalls, dies könne „in letzter Konsequenz den Krieg nach Deutschland holen“.
Auch der Kreml reagierte auf die Merz-Äußerung. Dies seien „ziemlich gefährliche Entscheidungen, wenn es sie gegeben hat“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. (dpa)
Merz: Reichweitenbeschränkung für Waffen aufgehoben
Kanzler Friedrich Merz (CDU) hat die westlichen Verbündeten aufgefordert, die Ukraine entschlossen mit Waffenhilfe zu unterstützen. „Wir werden alles tun, was in unseren Kräften steht, um die Ukraine auch militärisch weiter zu unterstützen“, sagte Merz am Montag im WDR-Europaforum. Zugleich fügte er hinzu: „Es gibt keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen, die an die Ukraine geliefert worden sind, weder von den Briten noch von den Franzosen, noch von uns, von den Amerikanern auch nicht.“ Die Ukraine könne also auch militärische Ziele in Russland angreifen.
Ob dies bedeutet, dass Deutschland Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefert, wollte Merz aber nicht sagen. Als Oppositionsführer hatte er dies gefordert, der damalige Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte es abgelehnt. Seit der Regierungsübernahme will die schwarz-rote Bundesregierung aber nicht mehr bekanntgeben, welche Waffensysteme sie an die Ukraine liefert.
Merz warnte zudem, dass man sich auf einen längeren Krieg einstellen müsse, auch wenn man weiter zu Gesprächen mit Russland bereit sei. Die vergangenen Tage hätten gezeigt, dass der russische Präsident Wladimir Putin Gesprächsangebote als Zeichen der Schwäche ansehe. Mittlerweile sei offenbar auch US-Präsident Donald Trump über Putin desillusioniert. „Mich hat überrascht, dass er überrascht war“, fügte der Kanzler hinzu. Er habe weiter die Hoffnung, dass die USA sich nicht aus der eigenen Unterstützung für die Ukraine zurückzögen. Er wolle „salopp“ hinzufügen: „Alles was wir bezahlen, dazu ist Trump bereit.“ (reuters)
Selenskyj besucht Berlin
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kommt einem Bericht zufolge am Mittwoch nach Berlin. Wie der „Spiegel“ schreibt, will Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bei dem Treffen mögliche Schritte hin zu weiteren „technischen“ Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland beraten. Das Bundespresseamt bestätigte den Bericht nicht.
Laut „Spiegel“ will Merz den ukrainischen Präsidenten zudem über die Planungen für ein neues Sanktionspaket der EU gegen Russland informieren, das den Druck auf Moskau erhöhen soll, sich auf ernsthafte Gespräche einzulassen. Selenskyj werde in Berlin auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier treffen. (dpa)
Kyjiwer Militär verzeichnet Rekordzahl russischer Drohnen
Russland hat die Ukraine in der Nacht Kyjiwer Angaben zufolge mit einer Rekordzahl von Drohnen attackiert. Der ukrainischen Luftwaffe zufolge griff Moskau mit 355 Drohnen und Drohnenattrappen sowie neun Marschflugkörpern vom Typ X-101 an. Laut Experten, die sich auf ukrainische Angaben beziehen, war dies der größte Drohnenangriff seit Kriegsbeginn. Die Zahlen des Militärs sind nicht im Detail überprüfbar, vermitteln aber einen Eindruck vom Ausmaß der Angriffe.
Alle neun Marschflugkörper seien abgeschossen und 288 Drohnen unschädlich gemacht worden, teilte die Luftwaffe mit. Berichte über Tote gab es zunächst nicht. In der Region Saporischschja wurden nach Angaben des Militärgouverneurs Iwan Fedorow zwei Menschen verletzt. Schäden gab es nach Behördenangaben in mehreren Regionen. Ein Ziel war nach übereinstimmenden Angaben der ukrainische Militärflughafen Starokostjantyniw im westukrainischen Gebiet Chmelnyzkyj.
Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die Attacke auf der Plattform X als bisher größten Drohnenangriff. Menschen seien verletzt und zivile Infrastruktur beschädigt worden. „Das war bereits die dritte aufeinander folgende Nacht kombinierten russischen Terrors – Kampfdrohnen und Marschflugkörper“, schrieb er. Auf die Zunahme der russischen Angriffe sollte mit verstärkten Sanktionen reagiert werden. (dpa)
Eingeschränkter Betrieb an mehreren russischen Flughäfen
Das russische Verteidigungsministerium schrieb bei Telegram, bis zum späten Vormittag 128 ukrainische Drohnen über russischem Gebiet abgeschossen zu haben. An mehreren Flughäfen in Russland war der Betrieb aus Sicherheitsgründen zeitweise eingeschränkt. Dazu kommt es immer wieder im Zusammenhang mit ukrainischen Drohnenangriffen. Durch den Einsatz der russischen Flugabwehr sind dann bisweilen keine Starts und Landungen möglich. (dpa)
Trump über Putin: „Er tötet viele Menschen“
Mit dem Einmarsch im 24. Februar 2022 begann der groß angelegte russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Bereits im März 2014 erfolgte die Annexion der Krim, kurz darauf entbrannte der Konflikt in den ostukrainischen Gebieten.
Trump schrieb am Sonntagabend auf seiner Plattform Truth Social mit Blick auf Putin und die jüngsten Angriffe: „Er ist absolut verrückt geworden!“ Putin töte unnötigerweise eine Menge Menschen, nicht nur Soldaten. „Raketen und Drohnen werden auf Städte in der Ukraine geschossen, ohne jeglichen Grund.“
Er habe immer gesagt, Putin wolle die ganze Ukraine und nicht nur ein Stück, fügte Trump hinzu. Vielleicht habe Putin damit recht, „aber wenn er das tut, wird das zum Untergang Russlands führen!“ Trump betonte, er habe immer ein sehr gutes Verhältnis zu Putin gehabt, „aber irgendetwas ist mit ihm passiert“.
Zugleich machte Trump auch Selenskyj Vorwürfe. Er tue seinem Land keinen Gefallen, wenn er so rede, wie er es tue. „Alles, was aus seinem Mund kommt, verursacht Probleme, das gefällt mir nicht, und das sollte besser aufhören“, schrieb Trump.
Zuvor hatte Trump bereits vor Journalisten gesagt, er sei nicht glücklich mit dem, was Putin mache. „Er tötet viele Menschen. Und ich weiß nicht, was zur Hölle mit Putin passiert ist. Ich kenne ihn seit langem.“ Auf die Nachfrage einer Journalistin, ob er auch neue Sanktionen gegen Russland in Erwägung ziehe, sagte Trump: „Absolut, er tötet viele Menschen, ich weiß nicht, was mit ihm nicht in Ordnung ist.“
Trump möchte ein Ende der Kämpfe erreichen – Kritiker werfen ihm aber vor, dabei nicht genügend Druck auf Russland auszuüben.
Der Kreml hat gelassen auf Bemerkungen von Trump über Putin reagiert. Trumps Bemerkung sei möglicherweise auf emotionale Überlastung zurückzuführen. „Wir sind den Amerikanern und Präsident Trump persönlich für ihre Unterstützung bei der Organisation und Einleitung dieses Verhandlungsprozesses wirklich dankbar“, sagt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, als er zu den Äußerungen Trumps über Putin befragt wird. Es handele sich aber auch um einen Moment, der „mit einer emotionalen Überlastung aller und mit emotionalen Reaktionen verbunden ist.“ (dpa/rtr)
Kellogg: „Stoppen Sie das Töten“
Selenskyj schlägt einer Idee Trumps folgend eine bedingungslose 30-tägige Waffenruhe vor, um Raum für Verhandlungen zu schaffen. Putin ist dazu bislang nicht bereit. Er besteht dafür auf Bedingungen, bei denen sicher ist, dass sie die Ukraine nicht akzeptieren wird. Die Ukraine wehrt sich seit mehr als drei Jahren gegen den russischen Angriffskrieg.
Auch der US-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Keith Kellogg, verurteilte diese schwersten Angriffe der vergangenen Monate. „Das wahllose Töten von Frauen und Kindern bei Nacht in ihren Häusern ist ein klarer Verstoß gegen die Genfer Friedensprotokolle von 1977, die dem Schutz Unschuldiger dienen“, schrieb der frühere General auf der Plattform X. „Diese Angriffe sind beschämend. Stoppen Sie das Töten. Waffenstillstand jetzt.“ (dpa)
Wadephul: Russische Angriffe Affront auch gegen Trump
Bundesaußenminister Wadephul sieht die Verbündeten des angegriffenen Landes in den Bemühungen für eine Waffenruhe durch Putin getäuscht. „Putin tritt die Menschenrechte mit Füßen, das ist ein Affront auch gegen den US-Präsidenten Donald Trump“, sagte der CDU-Politiker in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Trump habe sich ja sehr bemüht, Putin an den Verhandlungstisch zu bekommen – „und jetzt diese Reaktion“.
Wadephul sagte weiter, man sehe daran, Putin wolle keinen Frieden. „Er will den Krieg fortführen und das dürfen wir ihm nicht gestatten.“ Deswegen würden im europäischen Rahmen weitere Sanktionen vorbereitet und beschlossen. „Es wird eine klare Reaktion des Westens geben und ich denke, auch von den Vereinigten Staaten von Amerika.“ (dpa)
Russische Angriffe auf Ukraine
Wie die ukrainische Luftwaffe in der Nacht mitteilte, griffen russische Drohnen vom Schwarzen Meer her die Hafenstadt Odessa an. In der Großstadt Charkiw im Osten des Landes waren Serien von starken Explosionen zu hören, wie der regionale Militärverwalter Oleh Synjehubow auf Telegram mitteilte. Vielerorts trat die Flugabwehr in Aktion, die Medien berichteten von zahlreichen Explosionen.
Mit dem Einflug größerer Gruppen von Drohnen versucht das russische Militär, die ukrainische Flugabwehr zu überlasten. Im Gegensatz zu vorangegangenen Raketen- und Drohnenangriffen gab es bis zum frühen Morgen von den Behörden keine Berichte über mögliche Opfer oder Schäden.
Die Ukraine ihrerseits ließ den Sonntag über immer wieder Drohnen Richtung Moskau fliegen. Einige Flughäfen der russischen Hauptstadt mussten deshalb Starts und Landungen zeitweise aussetzen. (dpa)
Kritik nach Gefangenenaustausch: Kein Asow-Soldat heimgekehrt
Als eine der wenigen hoffnungsvollen Entwicklungen in dem Krieg schlossen Russland und die Ukraine am Sonntag nach drei Tagen den Austausch von jeweils 1.000 Kriegsgefangenen ab. Darüber herrschte in der Ukraine große Freude, in die sich jedoch auch Unmut mischte. Unter den Heimkehrern sei kein Soldat der 12. Asow-Brigade, kritisierte der Asow-Kommandeur Denys Prokopenko auf Facebook.
Er sprach von einer „Schande für das Land“. Die Asow-Kämpfer hätten das Stahlwerk in Mariupol bis Mai 2022 verteidigt und seien dann auf Befehl in Gefangenschaft gegangen. Sie hätten nach mehr als drei Jahren „das absolute Recht, vorrangig ausgetauscht zu werden“. (dpa)
Das wird am Montag wichtig
Die Türkei, ein möglicher Vermittler im Krieg, schickt ihren Außenminister Hakan Fidan für zwei Tage nach Moskau. Er soll dort mit seinem Kollegen Sergej Lawrow sprechen, aber auch mit Putin zusammentreffen. Nach türkischen Angaben wolle Fidan bekräftigen, dass die Türkei sich als Ort für Verhandlungen anbiete. Russland und die Ukraine hatten 2022 direkte Gespräche in Istanbul geführt, Mitte Mai wurde dieser Gesprächsfaden wieder aufgenommen.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) reist nach Finnland, um am Gipfeltreffen der nordischen Staaten teilzunehmen. Auch dort soll es um die Sicherheitslage angesichts der wachsenden Bedrohung aus Russland gehen. (dpa)
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