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Geschlechtstests im SportUngerechte Spielregeln

Alina Schwermer
Kommentar von Alina Schwermer

Sportlerinnen sollen mit Gentests wieder mal beweisen, dass sie „echte“ Frauen sind, denn Sport soll den männlichen Körper als überlegen zeigen.

Warum werden kraftbezogene Sportarten glorifiziert? Schließlich bietet z.B. Tischtennis eine Alternative Foto: Lintao Zhang/getty images

V erpflichtende systematische Geschlechtstests gab es in der Leichtathletik erstmals schon 1966. Nun hat der Welt-Leichtathletikverband für Frauen wieder eine Hürde parat: Gentests – bereits für die WM im September verpflichtend. Sportlerinnen sollen also wieder mal beweisen, dass sie „echte“ Frauen sind.

Wie genau das gehen soll, war historisch stets flexibel. Ganz früher reichte schon Rauchen oder Hosentragen, um das Frausein infrage zustellen. Diesmal geht es um das Y-Chromosom. Verbandsboss Sebastian Coe inszeniert sich damit als Beschützer des Frauensports, während Spitzenathletinnen wie Malaika Mihambo zu Recht entsetzt sind.

Seit Beginn der biologischen Trennung im Sport mussten sich Frauen demütigenden Tests unterziehen. Und das, obwohl der Sport überlegene Ausnahme­körper stets gefeiert hat. Doch das binäre System, das den Geschlechtern gar nicht gerecht werden kann, basiert vor allem auf einem: dem Glauben an körperliche Unterlegenheit der Frau. Zu starke Frauen dürfen in dieser Logik keine Frau sein.

Ganz kurz schien es möglich, Sport tatsächlich inklusiv zu gestalten. Doch spätestens mit dem Aufstieg der Neuen Rechten und deren Kampagnen tun überforderte Sportverbände wieder alles, um Shitstorms mit willkürlichen Ausschlüssen zu verhindern. Tatsächlich ist die Frage nach Vorteilen sehr komplex. Testosteron oder kräftiger Körperbau helfen vor allem dort, wo Kraft und Athletik viel zählen, also etwa in der Leichtathletik. Diese Vorteile sind real.

Die interessante Frage aber ist: Warum stören sie so? Und warum überhaupt glorifiziert die Szene so viele kraftbezogene Sportarten? Schließlich gibt es von Tischtennis über Skateboard bis zu Jonglage viele Alternativen. Die Antwort ist einfach: Weil Sport den männlichen Körper als überlegen zeigen soll.

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Gentests für Frauen im Sport

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Wer es ernst meint, verschiedene Körper glänzen zu lassen, sollte einfach eines tun: Mehr Sportarten fördern, bei denen nicht automatisch Männerkörper siegen. Aber das hieße, Männer gegen Frauen verlieren zu sehen. Und das können sie nicht ertragen.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
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19 Kommentare

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  • Bereits ❗2018 stand bei sueddeutsche.de



    "Wenn die Trump-Administration nun per amtlicher Verfügung bestimmen will, wer aus welchen Gründen Mann und wer Frau zu sein hat, fällt das hinter alle Standards der Wissenschaft zurück. Es offenbart vielmehr puritanische Vorurteile nach dem Motto: Kenn ich nicht, mag ich nicht, will ich nicht. Den reaktionären Vorstoß als Ergebnis wissenschaftlicher Analysen darzustellen, ist besonders dreist. Aus Ideologie wird keine Wissenschaft, auch wenn man sie so nennt - und Identität lässt sich nicht per Dekret verordnen."



    Der damalige Ansatz:



    "Plan des US-Gesundheitsministeriums (), Menschen strikt nach Männlein und Weiblein zu sortieren - und zwar abhängig davon, mit welchen Genitalien er oder sie auf die Welt kommt; eventuell sollen genetische Tests weiterhelfen."



    Bei spektrum.de



    "Eine 46-jährige werdende Mutter kam zu ihm in das Royal Melbourne Hospital in Australien und wollte das Ergebnis der Amniozentese erfahren, mit der die Chromosomen ihres Babys auf Fehler untersucht worden waren. Das Baby war gesund – aber über die Mutter selbst hatte sich Erstaunliches ergeben: Ihr Körper bestand aus Zellen zweier Individuen, möglicherweise weil..."



    ♀️+♂️

    • @Martin Rees:

      Des Rätsels mögl. Lösung ist hier nachzulesen, aber auch d. Schwierigkeit zu verstehen, dass die Phänomene allein nicht ausreichend sind, d. Wirklichkeit im Menschen b. Thema Geschlecht hundertprozentig abzubilden.



      "Intersexualität



      Die Neudefinition des Geschlechts



      Immer mehr Studien zeigen: Unsere Vorstellung von zwei Geschlechtern ist allzu simpel – nicht nur aus anatomischer, sondern auch aus genetischer Sicht."



      www.spektrum.de/ne...eschlechts/1335086

      !Der Text endet bereits v. zehn Jahren so:



      "Eltern von Kindern mit Besonderheiten und Störungen der Geschlechtsentwicklung, auch DSD für "disorders of sexual development", Intersexualität oder Sexualdifferenzierungsstörungen genannt, sehen sich oft der schwierigen Entscheidung gegenüber, ob sie ihr Kind als Junge oder als Mädchen aufziehen sollen. Laut Spezialisten hat sogar jeder Tausendste eine Form von DSD."



      J. W. von Goethe schrieb:



      "Amerika, du hast es besser



      Als unser Kontinent, das alte,



      Hast keine verfallenen Schlösser



      Und keine Basalte.



      Dich stört nicht im Innern



      Zu lebendiger Zeit



      Unnützes Erinnern



      Und vergeblicher Streit."



      projekt-gutenberg.org



      In d. Wissenschaft derzeit hier sicher nicht

      • @Martin Rees:

        Das alles ist im Sportbereich doch sehr belanglos, den solange es Geschlechterunterscheidungen gibt braucht es messbare Abgrenzungskriterien.

        Früher mag die Betrachtung von Genetalien ausgereicht haben, heute sind wir dank der Wissenschaft weiter.

  • Meines Wissens gibt es sehr wenige Sportarten, in denen es keinen geschleschtsbedingten Vorteil gibt.



    Das hier angeführte Tischtennis gehört mit Sicherheit nicht dazu. Von daher etwas unverständlich.



    Auf Anhieb fällt mir nur Reiten (da erbringt ja auch das Pferd einen erheblichen Teil der Leistung) ein, evtl noch Gymnastik und Synchronschwimmen.



    Ob Jonglieren jetzt der nächste Massensport gibt weiss ich nicht.



    Selbst im Schach gibt es ein deutliches Gefälle zwischen den besten Männern und besten Frauen.

    • @T-Rom:

      Dem kann ich nur zustimmen. Bei der Gymnastik kommt es stark darauf an, was man bewerten möchte. Die Männer machen da durchaus die höheren Sprünge (also vierfach statt dreifach,...), dafür wirkt das ganze bei weitem nicht so elegant und rund, sondern oft genug hölzern roboterhaft, weshalb ich den Frauen da deutlich lieber zusehe.

  • Von einer Autorin, die laut Legende bei der taz "vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen" schreibt, hätte ich mehr fachliche Expertise und weniger ideologische Scheuklappe erwartet. Sport ist körperlich, und der menschliche Körper leistet eben deutlich mehr als nur Geschicklichkeit und Balancegefühl, und das menschliche Gehirn leistet mehr als nur Taktik. Sport auf diese Faktoren reduzieren zu wollen, nur weil man mit der Realität hadert, dass gegenüber biologischen Frauen nun einmal biologische Männer einfach die besten (und Intersexuelle zumindest empfindlich bessere) Voraussetzungen für den ganzen großen Rest an Potenzial, das Sportlichkeit ausmacht, kann nur scheitern. Die schiere Forderung zeugt schon von einer Bereitschaft zur Gleichmacherei, die sich mit dem Grundgedanken sportlichen Wettbewerbs nicht verträgt.

    Insofern geht natürlich auch die Frage an Frau Mihambo, ob sie wirklich möchte, dass die Kontrollen, die sie vor einer - selbst für die beste Weitspringerin der Welt - nicht mal ansatzweise einholbaren Konkurrenz schützen sollen, abgeschafft werden. Denn ohne diese Kontrollen, würden gezielt genetische Männer in den Frauensport lanciert.

  • Keine Geschlechtertrennung im Sport ist frauenfeindlich. Biologische Männer sind Frauen überlegen. Das ist keine Behauptung sondern eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache. Die Realität zu verleugnen schadet biologischen Frauen. Es ist unfair. Es ist gefährlich z. B. im Boxsport. Und die Würde der Frau wird in Umkleideräumen verletzt, wenn sie sich vor biologischen Männern mit männlichen Geschlechtsorganen ausziehen und sie sehen muss.

  • Wenn der liberalen Wettbewerbsgedanken auf die Idee liberaler Selbstverwirklichung, hier als queeres Leben, trifft, bleibt doch der viorbildiche Sozialdarwinismus des Leistungssports.

    Die erprobte Einteilung von SportlerInnen in Leistungsklassen nach Alter, Geschlecht, Gewicht, körperliche oder kognitive Einschränkungen usw. soll dafür sorgen, dass es im Einzelwettbewerb so etwas wie Chancengleichheit besteht und damit die emotionale Spannung eines Wettbewerbs für alle erlebbar bleibt.

    Wenn der wenig „inklusive“ Behindertensport als Model herhält, dann würden SportlerInnen mit irgendwie „queerem“ Geschlecht in segregierten Wettbewerben, fein eingeteilt in Leistungsklassen wie Transmänner, Transfrauen usw. sich im Kampf gegeneinander beweisen, die entsprechenden Emotionen erleben usw. „Jedem/r das Seine/Ihre“, denn Transmann würde beim Wettschwimmen gegen Transfrau untergehen.

    Daneben steht die Forderung, der Frauen-, Behinderten- usw. Sport möge doch die gleiche öffentliche Anerkennung, wie die etablierten (Männer-)Sportarten bekommen. Hier geht es um Medien-Präsenz, Fördergelder, Prämien usw. und die Möglichkeit, den Sport als Sprungbrett für eine lange Karriere zu nutzen.

  • Ohne Geschlechtertrennung im Sport und ohne Förderung (auch) von Sportarten, in denen Kraft und Athletik entscheidend sind, wären Spitzenathletinnen wie Malaika Mihambo völlig unbekannt. Mihambo ist nur deswegen eine Spitzensportlerin, weil die Wettbewerbe, in denen sie antritt, nicht für Männer offen sind.

  • Mir fällt auf Anhieb nur eine Sportart ein, die gemeinsam betrieben wird und in der Frauen genauso erfolgreich oder sogar noch erfolgreicher sind als Männer: Reiten, insbesondere Dressur- und Springreiten. Beim Galopp- und Trabrennsport sind dagegen im Spitzenbereich die Männer unter sich.



    Im Motorsport gab es vereinzelt Frauen, die mit den Männern konkurrieren konnten: Michelle Mouton, die es bis zur Vizeweltmeisterschaft im Rallye-Sport brachte und Jutta Kleinschmidt, die die Rallye Dakar gewann.



    Judit Polgar ist meines Wissens die einzige Frau, die es jemals unter die ersten 10 der Schachweltrangliste brachte.



    Und wieso kommt ihr ausgerechnet auf Tischtennis? Da sind die Männer den Frauen himmelweit überlegen. Deswegen gibt es da auch keine offenen Einzelturniere für alle Geschlechter, aber immerhin gemischte Doppel.

  • Ich schaue gern Videos wo Schachgrossmeisterinen gegen Straßen-Schachspieler spielen, ohne zu sagen welchen Wertungszahl sie haben. Bis jetzt konnten die Männer alle ihre Niederlage problemlos verkraften.



    Andere Sportarten fördern bringt nur etwas, wenn man vorher die sozial-kulturellen Ungleichheiten auflöst. Aber auch dann braucht es Lösungen für einen fairen Wettbewerb bei kraftbetonte Sportarten.

  • Menschen mit XX-Chromosom sind gegenüber Menschen mit XY-Chromosomensatz in nahezu allen Sportarten aufgrund genetisch bedingter physiologischer Unterschiede massiv unterlegen.

  • Ich konnte diesen Artikel nicht nachvollziehen.

    Dass Frauen in vielen Sportarten gegeneinander in einer eigenen Gruppe antreten, ist eine Privilegierung.

    Dass jemand die Berechtigung nachweist, wenn er Privilegien beansprucht, ist nicht unüblich.

    Zumal die Autorin ja wirklich eine männliche Überlegenheit einräumt.

    Sind es nicht vor allem Frauen, die ein Antreten gegen Männer unfair finden?

  • Dass Männer Frauen statistisch körperlich überlegen sind, ist eine unbestreitbare Tatsache. Das ist auch einer der wesentlichen Gründe dafür, dass es weitaus mehr Gewalt von Männern gegen Frauen gibt als umgekehrt und dass es nirgendwo Vorkehrungen zum Schutz von Männern vor Frauen gibt, sehr wohl aber zum Schutz von Frauen vor Männern.

    Und es ist nicht die Funktion von Sport bzw. der Geschlechtertrennung im Sport, die körperliche Überlegenheit von Männern gegenüber Frauen zu "zeigen". Die Geschlechtertrennung im Sport ist vielmehr eine Reaktion auf diese Überlegenheit, um Frauen zu ermöglichen, Sportarten zu betreiben, in denen es auf Körperkraft, Schnelligkeit etc. ankommt, ohne von vornherein chancenlos zu sein oder die Gefahr schwerer Verletzungen auf sich zu nehmen.

    Und gerade Spitzensportlerinnen in der Leichtathletik, im Schwimmen, in Ballsportarten, in Kampfsportarten usw. usw. würde es überhaupt nicht geben, wenn diese Sportarten "inklusiv" gestaltet würden. Diese "Inklusion" wäre vielmehr gleichbedeutend mit einem vollständigen Ausschluss von Frauen.

    Geschlechtstests sind übrigens genauso wenig "demütigend" wie ein Corona-Test. Ein Wangenabstrich genügt.

  • "Doch das binäre System, das den Geschlechtern gar nicht gerecht werden kann, basiert vor allem auf einem: dem Glauben an körperliche Unterlegenheit der Frau."

    Na das ist doch ein Argument, die Geschlechtertrennung einfach aufzuheben. Dann dürfen Frauen und Männer so stark sein, wie sie wollen.

    Eigentlich sollte der Autorin klar sein, dass eine Unterscheidung, die nur "Männer" und "Frauen" kennt, von Haus bidimensional ist. Dann braucht es halt auch prüfbare Abgrenzungskriterien.

    Und auch die These mit den geförderten "Männersportarten" zieht nicht, wie man am Beispiel von Turnen und Eiskunstlauf klar sieht.

  • Im Tischtennis und Skateboarden soll es keine Leistungsunterschiede zwischen den Geschlechtern geben? Das kann wirklich nur behaupten wer keine Ahnung von den Sportarten hat. Mir ist außer im extremen Ausdauerbereich und dem Reitsport keine Sportart bekannt bei der ein Wettkampf auf Augenhöhe im Profibereich möglich wäre.

  • "Mehr Sportarten fördern, bei denen nicht automatisch Männerkörper siegen." Da bitte ich ernsthaft um Vorschläge! Denn selbst in der Weltrangliste des Schach findet sich in den Top 100 keine Frau. Eventuell müssen hier Vorurteile neu gruppiert werden

    • @Samvim:

      Schach ist auch sehr misogyn geprägt, sodass Frauen in eine Randgruppe gedrängt wird.



      Misogynie muss bekämpft werden, ehe wir dafür sorgen können, dass Frauen sich nicht wegen ihres Geschlechtes rechtfertigen müssen. Dafür gibt es unterschiedliche, feministsche Ansätze.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Woran machen Sie fest, dass Schach "misogyn geprägt" sei? (Nebenfrage: mehr als zB im "E-Sport" aka Computerspiele? Da sind Frauen ja wohl zT recht erfolgreich)



        Ist das in allen Ländern so, oder in welchen genau?