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Scheitern der PlastikkonferenzEine Katastrophe, die wir noch nicht überblicken können

Jonas Waack
Kommentar von Jonas Waack

Eine Einigung bei der Plastikkonferenz wäre dringend nötig gewesen. Mit Recycling ist den immer größer werdenden globalen Plastikbergen nicht beizukommen.

Arbeiterinnen benutzen Rasierklingen, um Etiketten von verschiedenen Softdrink-Plastikflaschen abzukratzen, Nigeria, am 11.8.2025 Foto: Sunday Alamba/AP/dpa

E s war ein Scheitern mit Ansage: Zu keinem Zeitpunkt der Verhandlungen über ein globales Plastikabkommen in Genf sah es so aus, als könnten die UN-Staaten zu einem Kompromiss finden. Das Bündnis der Länder mit ehrgeizigen Zielen – darunter die EU – wollte, dass die Plastikproduktion auf „nachhaltige“ Mengen begrenzt wird. Und es wollte, dass jene Chemikalien reguliert werden, die nachweislich gesundheitsschädlich sind, etwa ein Viertel aller für die Kunststoffproduktion verwendeten Chemikalien. Ein weiteres Viertel ist weitgehend unbedenklich, etwa die Hälfte noch nicht ausreichend erforscht.

Die Ver­tre­te­r*in­nen der fossilen Länder – Saudi-Arabien, Russland und auch die USA – wollten all das nicht, denn ihr Öl, mit dem sie hohe Gewinne machen, dient als Vorprodukt für Plastik. Auf ein Abkommen zum Umgang mit dem Müll hätten sie sich wohl eingelassen, ein paar nette Worte zum Recycling wären vielleicht auch drin gewesen. Aber die Verhandlungen in Genf zeigten: Eine Zusammenarbeit zwischen jenen, die mit Umweltzerstörung Profit machen wollen, und den anderen, die mit Umweltschutz Profit machen wollen, wird zunehmend unmöglich.

Europäische Po­li­ti­ke­r*in­nen zeigten sich enttäuscht, Um­welt­schüt­ze­r*in­nen dagegen froh, dass sich die ambitionierten Staaten nicht breitschlagen ließen: „Oberste Priorität muss eine ­effektive Lösung der Krise sein“, sagte Moritz Jäger-Roschko, Plastikexperte von Greenpeace. „Kein fauler Kompromiss, der den Status quo zementiert und der fossilen Indus­trie erlaubt, weiter Kasse zu machen, indem sie die Welt mit Müll flutet.“

Plastikteilchen finden sich im Ozean, in der Arktis, im Blut und in der Muttermilch

Ein Abkommen wäre dringend nötig gewesen: Die jährliche Produktion von Plastik könnte sich von aktuell mehr als 400 Millionen Tonnen bis 2060 nahezu verdreifachen. Diese gigantischen Mengen zu recyceln oder auch nur angemessen auf Müllhalden zu lagern, ist unmöglich. Winzige Plastikteilchen finden For­sche­r*in­nen im Ozean, in der Arktis, im menschlichen Blut und in der Muttermilch. Welche gesundheitlichen Auswirkungen dieses Mikro- oder Nanoplastik hat, ist noch nicht abschließend erforscht.

Aber For­scher*in­nen sehen einen Zusammenhang zwischen zur Kunststoffproduktion verwendeten Chemikalien und vermehrtem Auftreten von Diabetes, Herz-Kreislauf-Krankheiten und verminderter Fruchtbarkeit. Dazu kommen die katastrophalen Folgen für Tiere und Pflanzen, die ebenfalls krank werden.

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Beim Pariser Klimaabkommen konnten die Länder, die an Umweltschutz interessiert waren, von Öl- und Gasexporten abhängige Länder noch mit einer Mischung aus Druck und schwammiger Sprache zu fruchtbaren Kompromissen bringen. Jetzt, wo die Fossilen ihre vielleicht letzte ernst zu nehmende Offensive starten, geht das nicht mehr. Die ambitionierten Länder sollten nunmehr eigene Regeln aufstellen. Das würde die Profite der Plastikriesen mindern – und eine Katastrophe eingrenzen, deren Ausmaß wir noch nicht überblicken können.

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Jonas Waack
Klima-Redakteur
Jahrgang 1999, zuständig für Klima-Themen im Ressort Wirtschaft und Umwelt. Stadtkind aus Mecklenburg, möchte auch sonst Widersprüche vereinbaren. Bittet um Warnung per Mail, falls er zu sehr wie ein Hippie klingt.
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6 Kommentare

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  • "Eine Zusammenarbeit zwischen jenen, die mit Umweltzerstörung Profit machen wollen, und den anderen, die mit Umweltschutz Profit machen wollen, wird zunehmend unmöglich."



    Ein durchaus nicht spektakuläres "Marktversagen" aus ökologischer Sicht, aber es gilt das Sprichwort v. Sumpf und den Fröschen im übertragenen Sinne.



    Eine interessante Alternative f. d. Müll:



    "Leergutinsel



    Paradies aus Abfall



    Eine eigene Tropeninsel - für lau? 1996 zog der Brite Richart Sowa nach Mexiko und konstruierte aus Flaschen und Holzplatten "Spiral Island", eine schwimmende Oase mit Palmenstränden und Wohnhaus. Doch dann fand er seinen Traum aus Müll am Strand - in Stücke gerissen."



    Quelle spiegel.de



    Heute setzt er seine Arbeit in Brasilien fort.



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    Die Biotechnologie ist auch nicht untätig:



    “Biotechnologie



    Bakterien gegen Plastikmüll



    Mehrere Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr verschmutzen unsere Umwelt. Die Biotechnologie will Abhilfe schaffen — mit Mikroorganismen, die Kunststoffabfälle in nützliche Materialien umwandeln. Wie funktioniert das und welche Chancen ergeben sich daraus?"



    b. spektrum.de 11/24



    Weitere dt. Adressen:



    Greifswalder Professor U. Bornscheuer



    Leipziger Chemiker Dr. Chr. Sonnendecker

  • Es geht nur dann wenn jeder und jede keine Plastikflaschen und sonstige Plastikprodukte verwendet und auch verbal damit hausieren geht. Es geht nur wenn ohne Plastik leben ein Lebensgefühl wird, denn Verbote helfen nicht. Dazu empfinden sich die meisten Bürger als zu aufgeklärt, auch wenn sie es in Wahrheit nicht sind.

  • Es gibt ja Länder in Afrika und Inseln in Ozeanien, in denen es ein Plastiktütenverbot gibt. Kein reines Plastikverbot, aber immerhin Tüten.

    Das Signal einer gescheiterten Konferenz, besonders an Länder, die von der Plastikflut genug haben: Eure Mühen sind wertlos. Lasst euch vermüllen. Mikroplastik im Körper ist nicht schädlich.

  • thank you good post

  • Jonas - es geht nur um Regeln von oben. So wird das nichts. Was es braucht ist die Aufklärung von Menschen, das Bewusstsein, dass Kunststoffhimalyagebirge unseren Planeten killen und irgendwann nicht substituierbares Öl fehlen wird, ds noch für Pharmaverpackungen gebraucht wird.Nur das hilft. Und ein Käuferstreik für Plastikprodukte und Verpackungen.

    • @TomKay:

      "irgendwann nicht substituierbares Öl fehlen wird"

      zum einen sind längst nicht alle Kunststoffe aus Erdöl und zum zweiten kann man Öl sehr wohl synthetisieren (auch wenn es deutlich teurer ist)

      und die Pharmaverpackungen sind unser kleinstes Problem. Früher(tm) hat man Pillen auch nicht in Plastikblistern, sondern Glas- oder Blechdöschen verteilt. Viel probllematischer sind medizinische Utensilien, in denen wir keine Möglichkeit haben, Kunststoffe durch andere Materialien zu ersetzen - das fängt an bei einfachen Dingen wie Infusionsschläuchen, Atemmasken oder Spritzen und endet bei Dialysegeräten und ähnlichem.

      ich verstehe allerdings nicht, warum sich die angeblich 100 Unterstützer einer Verordnung von ein paar wenigen vorschreiben lassen, was sie zu tun haben. Verbietet den Plastikmist einfach national. Macht das Zeug teuer. Zwingt die Verkäufer zur Rücknahme.