piwik no script img

Wahl zur VerfassungsrichterinWie konnte das passieren?

Frauke Brosius-Gersdorf ist eine qualifizierte Rechtswissenschaftlerin. Sie sollte zur Bundesverfassungsrichterin gewählt werden. Kein großes Ding. Eigentlich.

Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf in der Fernsehsendung Markus Lanz am 15. Juli Foto: teutopress/imago

Frauke Brosius-Gersdorf haben die vergangenen Wochen zugesetzt. Das ist deutlich zu erkennen, als die Rechtsprofessorin am Dienstagabend im Fernsehstudio von Moderator Markus Lanz sitzt. Sie erzählt von Diffamierungen, von Falschbehauptungen und von Drohungen, die sie und ihre Familie erhalten. Per E-Mail, per Post. „Ich musste vorsorglich meine Mitarbeitenden bitten, nicht mehr am Lehrstuhl zu arbeiten“, erzählt die Verfassungsrechtlerin der Universität Potsdam.

Wie konnte es so weit kommen? Wie kann es sein, dass eine hoch angesehene Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht in einer Talkshow beteuern muss, sie sei keineswegs „linksradikal“, sondern vertrete „absolut gemäßigte Positionen aus der Mitte unserer Gesellschaft“?

Es begann als Routinevorgang: Um drei Posten am Bundesverfassungsgericht nachzubesetzen, schlug die Union turnusgemäß einen Kandidaten, die SPD zwei Kandidatinnen vor – den Vorsitzenden Richter des Bundesarbeitsgerichts Jürgen Spinner und die Rechtsprofessorinnen Ann-Katrin Kaufhold und Frauke Brosius-Gersdorf. In der Koalitionsspitze einigte man sich auf das Paket, auch im Wahlausschuss des Bundestags bekamen alle drei die nötige Zweidrittelmehrheit. Die Wahl am vorvergangenen Freitag im Parlament schien eine Formalie.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Dann aber rebellierte die Unions-Fraktion: 50 bis 60 Abgeordnete sollen nicht bereit gewesen sein, Brosius-Gersdorf zu wählen. Just am Wahltag wurden außerdem – inhaltlich kaum haltbare – Plagiatsvorwürfe gegen die Rechtswissenschaftlerin bekannt. Für Unions-Fraktionschef Jens Spahn ein willkommener Vorwand, um die Wahl von der Tagesordnung zu streichen. Entscheidender Motor dieser Eskalation: eine konzertierte Verleumdungskampagne.

Tausende E-Mails, Petitionen, Schmähungen

Eine Allianz aus rechten bis extrem rechten Medien, der AfD und radikalen Ab­trei­bungs­geg­ne­r*in­nen hatte in Tausenden E-Mails an Abgeordnete, mit Petitionen und mit Schmähungen bereits tagelang Stimmung gegen Brosius-Gersdorf gemacht. Der Juristin wurde vorgeworfen, Abtreibungen bis kurz vor der Geburt legalisieren und dem Fötus kein Lebensrecht zugestehen zu wollen.

Wie kann es sein, dass eine hoch angesehene Kandidatin für das Bundes­verfassungs­gericht in einer Talkshow beteuern muss, sie sei keineswegs linksradikal?

Der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl nannte die Nominierung von Brosius-Gersdorf einen „innenpolitischen Skandal“ und sprach von einem „Abgrund der Intoleranz und Menschenverachtung“. – „Das finde ich infam“, sagte die Juristin dazu bei „Markus Lanz“. Das Gegenteil sei wahr. Sie habe auf Dilemmata in der aktuellen Rechtslage hingewiesen und Lösungsvorschläge gemacht. Und: Ihre Positionen dazu seien seit Langem für jeden öffentlich einsehbar.

Das ist nicht zu bestreiten. Die Ampelkoalition hatte die Verfassungsrechtlerin als eine von 18 Ex­per­t*in­nen in eine „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ berufen. Konservative und Kirchen bemängelten damals, die Kommission sei „einseitig“ besetzt, die Ampel mache sich „ihre eigene Ethik“. Das wiesen die Ex­per­t*in­nen stets von sich. Ein Jahr lang prüften sie die Positionen, Forderungen und Bedenken zahlreicher zivilgesellschaftlicher und politischer Akteure – auch der Union.

Seit April 2024 ist der Abschlussbericht öffentlich: Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen sei „nicht haltbar“. Die Kommission plädierte aber keineswegs für legale Abbrüche bis kurz vor der Geburt, sondern nur in den ersten zwölf Wochen. Späte Abbrüche sollten verboten bleiben, dazwischen habe der Gesetzgeber „Handlungsspielräume“.

Keine linke Aktivistin

„Das Grundgesetz schützt das Recht auf Leben nicht erst für den Menschen nach der Geburt, sondern auch für Embryonen im Mutterleib“, sagte Brosius-Gersdorf damals. Das Lebensrecht habe aber vor der Geburt nicht das gleiche Gewicht wie danach. Ginge man von einem „gleichen Lebensrecht des geborenen und des ungeborenen Lebens“ aus, so die Verfassungsrechtlerin, dann wären „Konflikte ‚Leben gegen Leben‘ gar nicht lösbar“. Selbst ein Abbruch bei Lebensgefahr für die Schwangere wäre rechtswidrig.

All das referiert Brosius-Gersdorf nun wieder. Sie erklärt gegenüber Lanz ihre ebenfalls in der Kritik stehenden Positionen zur Corona-Impfpflicht oder zur Prüfung eines AfD-Verbots. Und sie verweist auf ihre Arbeit in anderen Bereichen, mit der sie der Union mitunter näher stehen dürfte als linken Positionen – wenn sie etwa vorschlägt, die Rente mit 63 abzuschaffen oder die Sanktionen beim Bürgergeld zu verschärfen.

Wer einen kurzen Blick auf ihre wissenschaftliche Vita wirft, dem dürfte klar sein, dass Brosius-Gersdorf keine linke Aktivistin ist. 2017 schrieb sie für die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung ein Gutachten über Privatschulen. 2018 lud die Union Schleswig-Holstein sie als Sachverständige in den Rechtsausschuss ein. 2023 erstellte sie für den Katholischen Krankenhausverband ein Gutachten zur Krankenhausfinanzierung. Von 2015 bis 2024 war sie stellvertretende Richterin am Verfassungsgericht in Sachsen, gewählt mit breiter Mehrheit – auch von der CDU. Von Berührungsängsten damals keine Spur.

Rebellen auf dem Baum

Das Ringen um die Deutungshoheit geht nun weiter. Die SPD hält an der Kandidatin fest, hat ihr die Unterstützung zugesichert. In einem offenen Brief kritisierten mehr als 300 Rechts­wissenschaftler*innen, darunter ehemalige Verfassungsrichter*innen, den Umgang mit ihr scharf. „Frauke Brosius-Gersdorf gehört ins Verfassungsgericht“, fordert eine Petition. „Wer ­Brosius-Gersdorf angreift, stellt sich nicht nur gegen eine erfahrene Juristin, sondern auch gegen den Grundsatz der unabhängigen Justiz.“ Binnen eines Tages unterschrieben mehr als 100.000 Menschen.

Mittlerweile hat sich der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, zu Wort gemeldet und Brosius-Gersdorf in Schutz genommen. „Die Frau hat es nicht verdient, so beschädigt zu werden“, sagte er gegenüber der Augsburger Allgemeinen. Auch Erzbischof Gössl aus Bamberg hat nach einem Telefonat mit der Juristin eingeräumt, „falsch informiert“ gewesen zu sein.

Die rebellierenden Abgeordneten der CSU und der CDU machen indes noch keine Anstalten, von ihrem Baum herunterzukommen. Und auch die begleitende Medienkampagne läuft weiter. Stimmung wird nun auch gegen die zweite SPD-Kandidatin für das Amt der Bundesverfassungsrichterin, Ann-­Katrin Kaufhold, gemacht.

Die profilierte Juraprofessorin von der Universität München, die insbesondere zu Verwaltungs- und Klimarecht arbeitet, wird von rechten Onlinemedien und AfD-Politikern als „grüne Klima­aktivistin“ mit „ideologischer Agenda“ bezeichnet, ihre Nominierung als „gefährlich für die Demokratie“. Ihr wird vorgeworfen, sie wolle den Klimaschutz mithilfe von Gerichten durchsetzen und sei eine Enteignungsbefürworterin. Dass beide Juristinnen die Prüfung eines AfD-Verbotsverfahrens befürworteten, wird von dem AfD-nahen Juristen Ulrich Vosgerau gar als „Staatsstreich“ bezeichnet.

Was macht das mit uns?

Es gehe längst nicht mehr nur um sie, sagte Brosius-Gersdorf bei „Markus Lanz“. Sondern darum, was passiere, wenn solche Kampagnen sich durchsetzten, „was das mit uns macht, mit dem Land macht, mit unserer Demokratie“. Sobald aber ein Schaden für das Bundesverfassungsgericht drohe oder eine Regierungskrise, werde sie an ihrer Kandidatur nicht festhalten, sagte sie. Und räumte damit jene Option ein, auf die die Union seit Tagen drängt.

Zeitgleich zu dem öffentlichen Auftritt von Brosius-Gersdorf im ZDF ist Bundesforschungsministerin Dorothee Bär (CSU) bei „Maischberger“ zu Gast. Dort sagt sie, sie respektiere es, wenn Abgeordnete der Union die Wahl der Juristin nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten, und „erwarte aber auch von der Kandidatin, dass sie mal für sich selbst überlegt, ob sie die Richtige ist“. Während Brosius-Gersdorf von den Drohungen berichtet, die sie erhält, sagt Bär, sie erwarte „ein bisschen Resilienz“, nämlich dass man „auch kritikfähig“ sein müsse, wenn man sich ins höchste deutsche Gericht wählen lassen wolle.

🐾 Um die Rich­te­r:in­nen­wahl und rechte Kulturkämpfe geht es auch im Bundestalk, dem politischen Podcast der taz. Zu hören auf taz.de/bundestalk.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

27 Kommentare

 / 
  • Spahn hätte sich mehr um die Fraktion kümmern müssen statt sich mit Maskenkrams von vor ein paar Jahren zu beschäftigen. Dann hätte er bereits bei den Treffen mit den Grünen und der SPD im Vorfeld, wo auch seitens Spahn / der CDU Brosius-Gersdorf ein Ja bekam, wissen können, dass da der Schuh drückt und darauf reagieren können.

  • Kampagnen gehören zur Demokratie. Hetze klar nicht, egal von welcher Seite.



    Schlussendlich war es aber eine demokratische Wahl. Nur weil das Ergebnis einigen nicht passen, so ein Tam Tam machen? Das Demokratieverständnis in Deutschland schwindet je länger je mehr.

  • Unsere Regierung, darf im Namen unsere Demokratie nicht zulassen, dass die " Neue Rechte " [ interessant hierzu auch deren Magazin " Junge Freiheit " ] unseren Staat durch mediale Manipulationen und durch Verbreitung von Hetze und Unwarheiten, massiv in seiner Demokratie demontiert werden.



    Die Entscheidung für Frau Prof. Brosius-Gersdorf war ja in der Vorauswahl eigentlich schon gefallen, es ging bei der Wahl eigentlich nur noch um eine Bestätigung einer durchaus kompetenten und souveränen Richterin. Unsere Demokratie darf nicht durch eine Umentscheidung durch einige Abgeordnete, die scheinbar mit der " Neue Rechte " sympathisieren, beschädigt werden.

  • Naja die Sache ist die, beide Kandidatinnen haben sich öffentlich positiv zu einem Verbotsverfahren der AfD geäußert, beide sind eben für die dafür zuständige Kammer nomminiert worden. Ob man da schon von Befangenheit sprechen kann müssten dann Juristen klären. Aber von den Hütern der Verfassung, die ja in erster Linie dem Schutz der Bürger vor der Politik und dem Staat dient, sollte man Neutralität erwarten können.

  • Es war ein Experiment von religiösen und politischen Reaktionären und Rechtsextremisten und es hat funktioniert. Frau von Storch und ihr Gatte können sich gegenseitig auf die Schultern klopfen.



    Gefährlich an der Geschichte ist, dass die Brandmauer der Union immer mehr Risse bekommt. Erschreckend ist, wer alles auf die Kampagne reingefallen ist, vor allem die Mitglieder der Unionsfraktion im Bundestag, aber auch ein Erzbischof, von dem man mehr Verantwortungsbewusstsein erwarten darf und muss.



    Es war ein eindeutiger Rufmord und niemand wird dafür bestraft.



    Nachdem dieser Probelauf bislang ziemlich erfolgreich war, schaue ich mit Sorge in die Zukunft. Was werden diese religiösen und rechtsextremen Fanatiker demnächst verhindern? Denn sie haben ja gerade erst angefangen, es geht bestimmt weiter.

  • Wird ein mir unsympathischer Kandidat gewählt, wurde er durchgewunken. Wird ein sympathischer Kandidat nicht gewählt, ist es das Ergebnis einer Kampagne.



    Hier haben sich Vorbehalte gegenüber einer Kandidatin zu einem sicherlich schlechten Zeitpunkt artikuliert, die sich bereits vor ihrer Wahl zu aktuellen verfassungsrechtlich kontrovers diskutierten Fragen geäußert hat (Abtreibung, Impfpflicht, AfD-Verbot). Kritik ist damit vorprogrammiert. Und wenn man beim Thema Menschenwürde eine Neigung zu einer Rechtsauffassung erkennen lässt, die im Lichte der Rechtsprechung des BVerfG vorsichtig ausgedrückt als nicht verfassungskonform anzusehen ist, dann ist die Nominierung einer solchen Kandidatin, wie Sigmar Gabriel es formuliert hat, nicht besonders klug.



    Das Recht entwickelt sich auch durch richterliche Rechtsfortbildung weiter. Allerdings ist die Frage der Menschenwürde gegen Strömungen des Zeitgeistes weitgehend immun, wie Art. 79 (3) GG unterstreicht.



    Die Causa Brosius-Gersdorf mag ein persönliches Drama sein, eine staatsrechtliche Tragödie ist sie nicht, wie Christian Rath mit Verweis auf den von den Grünen abgelehnten Kandidaten Seegmüller zutreffend festgestellt hat.

  • Eine Reformerin der Abtreibungsgesetze und eine klimabewußte Juraprofessorin kann der rechte Regierungsmob einfach nicht dulden im Verfassungsgericht. GOTT bewahre, dass dort Positionen vertreten werden, deren Beschlüsse ethisch brauchbar sind und auch auf Umweltbedingungen der heutigen Zeit angemessen reagieren könnten. Reinste Cancel Culture und widerwärtiges Framing hat bereits zum Erfolg geführt, beide Frauen werden wohl nicht ins Verfassungsgericht gewählt, und da sage noch einer wir hätten GleichbeRECHTigung.

  • Der öffentliche Raum wird zunehmend von rechts definiert – durch gezielt gesetzte Narrative, die Meinungen formen und Mehrheiten vorbereiten. Ob Christian Wulff, die Kölner Domplatte, das FDP-Papier zum Ampel-aus oder die Debatten um Magdeburg: Diese Ereignisse sind Teil orchestrierter Kampagnen. Die Frage ist nicht mehr, ob sie zufällig entstehen, sondern wozu sie dienen.

    In diesem Kontext ist auch der Konflikt um die Richterwahl zu lesen: Die Ablehnung von Frauke Brosius-Gersdorf verbindet AfD und Union – mit offener Unterstützung von Jens Spahn. Es geht nicht nur um eine Personalie, sondern um eine strategische Grenzverschiebung nach rechts.

    • @Yoriko N.:

      "Die Ablehnung von Frauke Brosius-Gersdorf verbindet AfD und Union – mit offener Unterstützung von Jens Spahn."

      Das passt nicht zu den Fakten. Zum einen gab es Seitens Spahn die Zustimmung zu B.-G. bei den Vorabgesprächen mit Grüne nd SPD. Zum anderen hat der Vorgang ihn persöhnlich politisch geschadet. Die behauptete Spahn-AfD Connection ist deshalb linkspopulistischer Unsinn.

  • Das Problem ist, das ca. 1/3 Abgeordneten von CSU/CDU inzwischen soweit nach rechts bzw. Richtung fundamentale Christen gerutscht sind, dass diese der AFD Näher stehen, als der politische Mitte bzw. der SPD. Und die Parteiführung um Merz und Spahn haben keine Kraft mehr, die Abweichler einzufangen, bzw. sympathisieren auch mit dem rechten Rand.

    • @Aymen:

      Die Behauptung ist schlicht falsch. Als jemand, der noch die frühen Debatten über die Abtreibung in Erinnerung hat: Die Position, die heute von vielleicht 50-60 Abgeordneten geteilt wird, war damals Mehrheitsmeinung innerhalb der CDU/CSU.



      Und da ja derzeit so viel von "Kampagnen", "Kulturkampf" und "Hetze" die Rede ist: Ist es eigentlich zu viel verlangt, sich jenseits der Polemik von Tichy und Reichelt auch mal auf die ernsthaften Argumente einzulassen? Die CDU-Rechtspolitikerin Elisabeth Winkelmeier-Becker hat auf zwei für sie zentrale Aspekte hingewiesen: Zum einen, dass B.-G.'s Position von der bisherigen Rechtssprechung des BVerG abweiche, zum anderen auf die nicht nur für sie wesentliche Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens - nicht zuletzt mit Blick auf die Euthanasie-Praxis des NS.



      Kleines historisches Schmankerl am Rande: Bei der Abstimmung über die Fristenlösung verließ der damalige Bundeskanzler Willy Brandt das Plenum, nahm also nicht teil. Er hat das später so begründet: Hätte es seinerzeit die Möglichkeit der Abtreibung gegeben, wäre er nicht zur Welt gekommen.

  • Ich verstehe die hysterische Aufgeregtheit nicht. Jemand ist bei einer demokratischen Wahl durchgefallen. So what?



    War das Ende des Hinterzimmergeklüngels und die Verlagerung der Wahl in die Öffentlichkeit des Parlaments nicht auch und gerade Wunsch und Ziel der Grünen? Zur Stärkung der Demokratie? Jetzt hat sich in so einer Wahl eben keine Mehrheit gefunden. Und deswegen ist die Demokratie in Gefahr? Da kommt keiner mehr mit.

    • @Querbeet:

      Informieren Sie sich einmal über die Organisation " Neue Rechte " und deren Magazin " Junge Freiheit " - damit auch Sie verstehen, welche Angriffe da auf unsere Politiker-/ Demokratie ausgeübt werden.

    • @Querbeet:

      Jemand ist noch garnix. Die Entscheidung wurde auf nach die Ferien vertagt. Frau Prof. Dr. wird grade von komischen Mitmenschen "fertiggemacht" und des muß mer in einer funktionierenden Demokratie ned dulden. Hat was mit Anstand, Respekt, Werten und anderen für einige Fremdwörtern zu tun.



      Mensch sollte auch ned vergessen, daß ihre in eine satte demokratische Mehrheit eingebetteten Ansichten ned ihr Fachbereich beim BVerfG wären. Also wird, um ma nen Vergleich zu bemühen, die Qualitätsmanagementführungsabteilung neu besetzt und ein*e Anwärter*in für den Bereich "Apfel" diskreditiert, weil sie sich ma zum Bereich "Birne" geäußert hat.

    • @Querbeet:

      Nein, so war es nicht.



      Die Kandidatin war, zusammen mit zwei weiteren KandidatInnen, von eben denen, die sie dann am Ende plötzlich doch nicht wählen wollten, explizit zur Wahl vorgeschlagen und im Richterwahlausschuss bereits bestätigt worden.

    • @Querbeet:

      Es gab gar keine Wahl, es ist niemand durchgefallen.



      Die Wahl fand gar nicht statt, weil es eine Schmutzkampagne voller Lügen und Falschbehauptungen gab. Das haben inzwischen sogar einige besonders laute Kritiker eingeräumt.



      Nicht jedes Vorgespräch vor einer Abstimmung ist ein Hinterzimmergeklüngel. Demokratie besteht unter anderem darin, dass Absprachen getroffen werden, das verhandelt wird, das Kompromisse gefunden werden. Wenn man nur noch Abstimmungen auf gut Glück machen würde, dann wäre das überhaupt nicht demokratischer, eher Zeitverschwendung.

  • Die Behauptung, der Angriff ginge gegen den Grundsatz der unabhängigen Justiz, wird auf jeden Fall kontrovers diskutiert.



    "Eine unabhängige Justiz ist daran zu erkennen, dass sie nicht die Öffentlichkeit zur Kommentierung von Rechtsfragen sucht." so sieht es zumindest die vorsitzende Richterin des OLG in Köln (www.faz.net/aktuel...25-110594939.html)

  • Diese ekelhafte, schmutzige, widerwärtige Kampagne gegen Frau Brosius-Gersdorf erinnert an Kampagnen von MAGA-Fans in den USA. Wenn wir so vorgehen und es zulassen, dann werden Kompromisse, was ja bei solchen Wahlen z.B. für das BVG notwendig ist, in Zukunft immer schwieriger bis unmöglich werden. Die CDUler, die sich trotz Empfehlung der Wahlausschusses nun verweigerten, müssen sich schon fragen, wie leicht sie sich haben beeinflussen lassen, wie einfach es war, sie mit einer primitiven Kampagne hinters Licht zu führen. Und sie sollten jetzt auch mal "ihren Chef" den Merz zuhören, der genau dies so auch gesagt hat: Es war widerwärtig, diffamierend, schmutzig und abstossend. Wer darauf reingefallen ist, hat nach meinem Dafürhalten nichts im Bundestag zu suchen. Ein Abgeordneter hat immer einen kühlen Kopf zu behalten. Wo kommen wir dahin, wenn es anders wäre???

  • Die Abgeordneten auf dem Baum sind gewählte VolksvertreterInnen. Sie repräsentieren Menschen, die als Minderheit gelten, aber Machtoptionen nutzen.



    Wissenschaft beantwortet neue Fragen u. durchleuchtet die Welt, damit wir sie verstehen. Hier liegen offensichtlich nicht nur in Bamberg Missverständnisse vor. Dass die nicht erreichbare Zustimmung z. Richterinnen-Wahl nicht aus dem Nichts u. nicht urplötzlich entstanden ist, steht zu vermuten. Wer wollte hier wen beschädigen, außer die Kandidatin?



    Vor wenigen Monaten kann aus der deutschen Welt des Wissenschaftsjournalismus die Anregung, US-amerikanische WissenschaftlerInnen nach Deutschland einzuladen, um hier weiter zu forschen u. zu lehren.



    Frau Bär als Ministerin mit diesen Schlüssel-Ressort kann sich kaum besser selbst diskreditieren als mit solchen Auftritten. Wer soll in den Geisteswissenschaften ein Klima bevorzugen, das wie in God's own Country die Freiheit von Kunst und Wissenschaft immer wieder in Frage stellt. Unterkomplex kurze Antworten gibt die Politik, die Wissenschaft kann sie aber prüfen.



    Die Gruppe der Widerständigen in der Union ist der Schlüssel zur Lösung, das ist Demokratie. Dass sie im Parlament sitzen aber auch

    • @Martin Rees:

      Ich vermute, dass die WidersacherInnen nicht AnarchistInnen "im Sinne" Eilenbergers o. Feyerabends sind:



      "Es gibt dieses berühmte Motto von Feyerabend, „anything goes“, was verbirgt sich denn dahinter? Ist das wirklich Anarchie, was er da für die Wissenschaften predigt?

      Nein, das ist eine reaktive Formel, eine Art Hilflosigkeit, die da eingestanden wird. Sie speist sich aus der Einsicht, seiner Einsicht, dass wenn wir uns die historische Praxis der Wissenschaften anschauen und versuchen, so etwas wie die eine und einzige Methode zu suchen oder ein normatives Kriterium zu formulieren, das diese Wissenschaft im Innersten zusammenhält, dann sehen wir, dass wir nichts finden. Dass wir eine schwer überschaubare Pluralität und eine normativ nicht eingrenzbare Pluralität von Praktiken haben. Und insofern sagt er, wenn man mich fragt, ob ich so ein Kriterium habe, woran sich Wissenschaftler orientieren sollten, um erfolgreiche Wissenschaftler zu sein, dann sage ich: gibt es nicht, anything goes. Aber das ist nicht als Imperativ zu verstehen im Sinne von: Macht einfach, was ihr wollt. Sondern es ist zu verstehen als eine Zurückweisung des wissenschaftstheoretischen Anspruchs.."



      fr.de 2024❗

  • Es ist unfassbar, was in diesem Land passiert, fast schon „trumpisch“. Und Spahn schon wieder mit an der Spitze (der ja schon das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum selbstbestimmten Tod aushebelte, von anderen Affären ganz zu schweigen). Jetzt rächt sich der jahrzehntelange Kampf gegen links während man für rechts die Tore trotz Weltkriegserfahrung weit offen ließ. „Der Schoß ist fruchtbar noch …..“

    • @snowgoose:

      Da wurde einfach jemand nicht gewählt. Es kann ja wohl niemand gezwungen werden jemanden zu wählen.



      Ich frage mich eher, mit was für ein Demokratieverständnis diese Richterpersonalie durchgedrückt werden soll.

  • Ja, wie konnte das passieren?! Muss man diese Frage tatsächlich stellen? Wir haben erlebt wie sich Söder gegen die Grünen ereifert hat, gegen Robert Habeck, Annalena Baerbock. Schon vergessen? Die bloße Existenz der Ampel war Treibstoff für den Kulturkampf von Konservativen und radikalen Rechten. Wie tönt Ulf Poschard heute in der Welt? "Plötzlich fordern die intellektuellen Eliten ein Ende des Kulturkampfes. Das liegt daran, dass sie ihn zu verlieren drohen – nachdem sie ihn lange erfolgreich geführt haben, von oben herab und voller Verachtung für die normalen Leute." Ach ja tatsächlich. Jeder kritische Blick auf Pochards Wagenpark und Ideologie ist also Kulturkampf? Nein, die Konservativen und Rechten können einfach keine Demokratie. Ein Wunder, dass das Grundgesetz in dieser Form überhaupt existiert. Wer hat denn den ganzen Müll über Brosius-Gersdorf ausgeschüttet? Wir leben in heiklen Zeiten. Es gibt keinen Grund die Konservativen und Rechten zu schonen.

  • Das hat mit CDU/CSU eigentlich nichts zu tun, das wäre zu kurz gegriffen. Es handelt sich um eine Attacke von ganz weit rechts auf den Rechtsstaat. Im Prinzip ist es das gleiche Schema, das Trump zum US- Präsidenten gemacht hat.

    Das ist das tatsächlich Beunruhigende.

  • Erstens: Jens Spahn kann weder Gesundheitsminister noch Fraktionschef. (Anmerkung: Ich kann beides auch nicht, zeige aber auch keinen frechen und bodenlosen Ehrgeiz, an irgendwelche Ämter zu kommen.)

    Zweitens: Toll, spätestens jetzt sind Hetzkampagnen aus dem AfD-Playbook gegen Personen bei den höchsten und wichtigsten Institutionen des Landes angekommen.

    Und drittens: Wie kommt es, dass (hahaha) die SPD wagt, eine so weit rechts stehende Kandidatin zu nominieren? Und warum haben das die Hetzkampagnenbetreibenden (siehe zweitens) nicht bemerkt? Oder ging es ihnen am Ende gar nicht um die Sache????

    Fragen über Fragen .....

  • CDU/CSU haben ja nun endgültig die Katze aus dem Sack gelassen. Wirklich hinter unserer Demokratie stehen viele Abgeordnete dieser beiden Parteinen nicht mehr, bzw. sind völlig unfähig oder unwillig, Kompromisse einzugehen. Fundierte Argumente scheinen nicht zu interessieren, Stimmungsmache ist alles. Und die nichtssagenden Äußerungen von Frau Bär bringen uns nicht im geringsten weiter.

    • @Minion68:

      "Und die nichtssagenden Äußerungen von Frau Bär bringen uns nicht im geringsten weiter."



      Hä ?



      Diese "nichtssagenden Äußerungen" sind an Niedertracht und Böswilligkeit kaum zu überbieten.