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NS-Geschichte und AppeasementpolitikHätte der Zweite Weltkrieg verhindert werden können?

Der Siegeszug der Nazis in Europa war nicht unausweichlich. Großbritannien und Frankreich verstanden es nicht, ihn vorzeitig zu unterbinden.

Deutsche Polizisten bei Koblenz am rechten Ufer des Rheins. Über das Aufnahmejahr gibt es widersprüchliche Angaben Foto: ap/picture alliance

„Idyllischer könnte die Lage kaum sein: Stresa – diese Stadt befindet sich am Lago Maggiore an der Bucht, in der die wunderschönen Baromäischen Inseln zu Hause sind. Welch ein Anblick.“ So wirbt eine norditalienische Kommune heute um Touristen. Es wäre durchaus denkbar, dass Stresa nicht nur für einen entspannten Urlaub stünde. Sondern auch für die Erhaltung des Friedens in Europa in den 1930er Jahren, für einen Stopp von Hitlers mörderischer Expansionspolitik, bevor diese so richtig begonnen hätte. Dafür, dass der Zweite Weltkrieg nie stattgefunden hätte.

Hätte, hätte, hätte.

80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa stellt sich die Frage, ob dieser tödlichste Krieg aller Zeiten, ob der Holocaust an den Jüdinnen und Juden in Europa und all die anderen Abscheulichkeiten hätten verhindert werden können. Angesichts der expansiven Gelüste von Wladimir Putins Regime in Russland kommt dieser Frage eine gewisse Aktualität zu, auch wenn es dem Autor fernliegt, das rassistisch und antisemitische grundierte Hitler-Regime mit der heutigen Regierung in Moskau in einen Topf zu werfen.

Mindestens in einem Punkt allerdings existieren Analogien: beim Unwillen, das Völkerrecht und international anerkannte Grenzen zu achten. Deshalb hat der Versuch einer Beantwortung der Frage nach einer Verhinderung des Zweiten Weltkriegs durchaus etwas mit uns im Jahre 2025 zu tun.

„Wisst Ihr, dass Deutschland jetzt rüstet?“

Der linksliberale Journalist Leopold Schwarzschild, der im Pariser Exil Das Neue Tagebuch herausbrachte, schrieb mitten im Krieg rückblickend: „Wisst Ihr, dass Deutschland jetzt rüstet? Macht Ihr Euch klar, dass Ihr nur eine ganz kurze Gnadenfrist habt? Begreift Ihr, dass die zügellose Brutalität, mit der die Nazi ihre Macht im Innern verwenden, nur eine Ankündigung dafür ist, was sie auch nach außen verwenden werden? Was gedenkt Ihr zu tun? Sie gedachten, nichts zu tun.“ Schwarzschilds Kritik gilt bis weit in die 1930er Jahre. Erst kurz vor Kriegsbeginn realisierten die Westmächte, dass ihre Bewaffnung unzureichend war.

Mindestens dreimal wäre es möglich gewesen, den aggressiven militärischen Kurs des Nazi-Regimes aus dem Tritt zu bringen. Zuallererst denkt man dabei an das Münchener Abkommen von 1938, als Großbritannien und Frankreich der Annexion des tschechoslowakischen Sudetenlands durch das Deutsche Reich zustimmten und damit die Zerschlagung eines demokratischen Staats in der Mitte Europas billigten. Doch schon vorher hatten die Westmächte versagt. Zum Beispiel nach Stresa.

Stresa war und ist nicht nur idyllischer Badeort. Die Kleinstadt galt in den 1930er Jahren auch als international besonders gut angebundener Ort, denn hier bestand ein Unterwegshalt für den berühmten Simplon-Orient-Express, der Paris – mit Anschluss aus Calais und London – mit Venedig und Istanbul verband. Und so kam es, dass dort vom 11. bis zum 14. April 1935 Staatsmänner aus drei Ländern tagten, um die Expansionsgelüste Hitlers einzugrenzen: Frankreichs Premierminister Flandin und Außenminister Laval, Premierminister McDonald und Außenminister Simon aus dem Vereinigten Königreich und als Gastgeber der italienische Diktator Mussolini, der damals noch nicht auf Hitlers Linie mitschwamm.

Es bestand Grund zur Besorgnis

Der Stresa-Pakt, den die drei Mächte abschlossen, unterstrich, dass Deutschland die Grenze zum Nachbarn Frankreich ebenso achten müsse wie die Entmilitarisierung des Rheinlands. Es bestand Grund zur Besorgnis: Die Nazis hatten im März 1935 zuerst die Wiedereinrichtung der Luftwaffe verkündet und kurz darauf die allgemeine Wehrpflicht erklärt. Beides verstieß gegen den Versailler Friedensvertrag von 1919. Doch von lahmen Protesten abgesehen hatten London und Paris diese Aufrüstungsschritte hingenommen.

Der Stresa-Pakt bekräftigte die Verträge von Locarno, in denen sich Deutschland, Frankreich und Belgien 1925 dazu verpflichtet hatten, einander nicht anzugreifen, die Grenzen zu respektieren und ein entmilitarisiertes Rheinland zu garantieren. Damals war Gustav Stresemann Reichsaußenminister gewesen, ein ehemaliger Monarchist und Konservativer zwar, aber doch jemand, dessen Wort etwas galt. Jetzt bestimmte Adolf Hitler die Politik im Deutschen Reich, der Verträge brach, wie er wollte. Aber das wollte nicht jeder wahrhaben.

Die Rückkehr der deutschen Armee ins Rheinland war eines der Herzensanliegen der Nazis. Lange genug hatten die Völkischen die Besatzung durch alliierte Truppen dort gegeißelt und ein Bild von lüsternen schwarzen Soldaten aus den französischen Kolonien fabriziert, die deutschen Frauen nachstellen würden, die „schwarze Schmach“ genannt. Die Alliierten waren 1930 abgezogen, doch die Deutschen nicht nachgerückt.

Am 7. März 1936 ließ Hitler die Wehrmacht ohne Ankündigung ins Rheinland einmarschieren. Das war zweifellos ein gleich dreifacher Vertragsbruch – gegen Versailles, gegen Locarno, gegen Stresa. Die deutsche Armee war 1936 noch schwach ausgerüstet, es wäre Frankreich leicht gefallen, sie zu stoppen, sagen Militärexperten. Hitler fürchtete einen solchen Angriff, Pläne für einen deutschen Rückzug lagen angeblich schon in der Schublade. „Wären die Franzosen damals ins Rheinland eingerückt, hätten wir uns mit Schimpf und Schande wieder zurückziehen müssen“, soll Hitler später gesagt haben.

Hitler pokert hoch und gewinnt

Doch nichts geschah, außer dem üblichen Protest. Frankreichs Regierung fürchtete die Kosten einer Mobilmachung und schielte auf die kommenden Wahlen. Die Konservativen in London waren schon gar nicht bereit für einen Waffengang. Linke Demonstranten daheim plädierten für den Frieden. Und der Stresa-Pakt war geplatzt, weil Mussolini die Seiten gewechselt hatte. Hitler hatte hoch gepokert und gewonnen.

Der britische Historiker Ian Kershaw schreibt: „Hätten die Franzosen die vorrückenden Truppen durch eine Demonstration militärischer Stärke zum Halten gebracht, wäre Hitlers Ansehen bei den deutschen Militärs und in der Öffentlichkeit bedeutend geschwächt worden. Welche Folgen das gehabt hätte, kann man nicht wissen. Doch es ist vorstellbar, dass Hitler, wäre er mit dem Versuch, das Rheinland 1936 zu remilitarisieren, schmählich gescheitert, seine weiteren Schritte nicht hätte durchsetzen können.“

Hätte, hätte, hätte.

Knapp zwei Jahre später, im November 1937. Lord Halifax, der bald britischer Außenminister werden sollte, machte Hitler gegenüber bei einem Treffen deutlich, dass sich das Vereinigte Königreich einen veränderten Status von Österreich und der Tschechoslowakei vorstellen könnte, nur lege man auf eine „friedliche Entwicklung“ Wert. Halifax zählte zu den Protagonisten einer Appeasementpolitik, also einer Beschwichtigung gegenüber den Nazis. Sie sollten in Verhandlungen besänftigt werden. Die nahmen’s mit Kusshand zur Kenntnis.

Nach dem Einmarsch im Rheinland: Hitler am 28. März 1936 beim Truppenbesuch in Köln Foto: ap/picture alliance

Im März 1938 annektierte Deutschland Österreich. Die Proteste hielten sich in Grenzen. Als Nächstes sollte die Tschechoslowakei an der Reihe sein.

Großbritanniens Premier Neville Chamberlain war davon überzeugt, Hitler würde es bei einer Grenzverschiebung der Tschechoslowakei bei der Annexion des Sudentenlands belassen. Der Konservative besaß bei seinen Verhandlungen mit Hitler auf dem Obersalzberg auch ein Mandat Frankreichs. Die Nazi-Propaganda malte unterdessen ein Zerrbild von der furchtbaren Unterdrückung der Sudetendeutschen. Hitler drohte mit einem Einmarsch und war offenbar auch zu einem Krieg mit den Westmächten bereit.

Am 30. September 1938 unterzeichneten Hitler, Chamberlain, der französische Premier Édouard Daladier und Benito Mussolini das Münchener Abkommen. „Frieden für unsere Zeit“, nannte Chamberlain den Vertrag. Er sah im Kern die Abtrennung des Sudetenlands an das Deutsche Reich vor. Das Land, das da verstümmelt wurde, die Tschechoslowakei, war weder bei den Verhandlungen noch bei der Unterzeichnung vertreten. Die Tschechoslowakische Republik protestierte „vor der ganzen Welt gegen die Beschlüsse von München, die einseitig und in Abwesenheit der Tschechoslowakei gefasst wurden“, hieß es in einer Erklärung. Dann kapitulierte das Land vor der Übermacht des NS-Regimes.

Feier in London, Besetzung in Prag

Nach Abschluss des Münchner Abkommens feierte eine riesige Menschenmenge in London ihren Premier, der den Ausbruch eines europäischen Kriegs vermieden hatte. Chamberlain sah sich umjubelt und bestätigt. Doch anders als von ihm erwartet, machten die Nazis nicht im Sudetenland halt. Im März 1939 besetzte die Wehrmacht Prag. Es war das Ende einen selbstständigen Staates, noch vor Ausbruch des Kriegs. Und es war das traurige Ende der Appeasementpolitik.

Hätte eine härtere Haltung Großbritanniens und Frankreichs in der Sudetenkrise den Ausbruch des Kriegs verhindern können? Darüber wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Möglicherweise wäre der Krieg schon 1938 ausgebrochen. Vielleicht hätten die Westmächte damals noch bessere militärische Karten gehabt.

Hätte, hätte, hätte.

Als der NS-Staat am 1. September 1939 Polen überfiel, lag die militärische Übermacht eindeutig auf deutscher Seite. Aber Großbritannien hatte nach dem Bruch des Münchner Abkommens vorgesorgt und eine Garantie­erklärung für Polen abgegeben, der sich Frankreich anschloss. Sollte Polen angegriffen werden, versprach man militärische Hilfe. Damit drohte Deutschland ein Zwei-Fronten-Krieg, so wie im Ersten Weltkrieg. Die Wehrmacht hatte im Westen nur schwache Kräfte stationiert. Möglicherweise hätten sie einem Eingreifen Frankreichs nicht standgehalten. Dazu hätte Großbritannien das Deutsche Reich aus der Luft angreifen können. Ein Krieg wäre nicht zu verhindern gewesen, aber dessen Ausgang hätte vielleicht ganz anders ausgesehen.

Hätte, hätte, hätte.

Doch auch in diesem historischen Moment geschah – nichts. Die Royal Air Force warf über Deutschland ein paar Flugblätter ab. Erst als Warschau umzingelt und Polen vor der Kapitulation stand, drangen französische Soldaten in einige deutsche Dörfer wie Bübingen im Saarland ein. Doch dieser militärische Vorstoß besaß höchstens symbolische Bedeutung.

Polen wurde alleingelassen

Noch während Franzosen und Briten über das weitere Vorgehen berieten, überfiel auch die Sowjetunion Polen im Einvernehmen mit den Deutschen – gemäß dem damals noch geheimen Pakt zur Aufteilung von Interessensphären in Osteuropa, den die deutsche und die sowjetische Regierung am 24. August geschlossen hatten, später „Hitler-Stalin-Pakt“ genannt. Polen wurde alleingelassen, besetzt und aufgeteilt, der Zweifrontenkrieg fand nicht statt. Im Folgejahr überfielen die Deutschen Frankreich, nachdem sie schon Norwegen, Dänemark, Belgien, die Niederlande und Luxemburg erobert hatten. Weitere Staaten folgten. Wir wissen, wie das Ganze endete.

Neville Chamberlain erklärte am 3. September 1939: „Alles, wofür ich gearbeitet habe, alles, was ich erhofft habe, alles, woran ich in meinem politischen Leben geglaubt habe, liegt in Trümmern.“

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37 Kommentare

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  • Nach heutiger Lesart, also wenn man zumindest BSW, AFD, den Linken, Stegner, etc. und Unterzeichnern des sog. "Friedensmanifest", folgt, dann hätte der 2. Weltkrieg ganz klar verhindert werden können. Man hätte Nazideutschland einfach nur gewähren lassen müssen. Hat ja in Schlesien, Österreich, Frankreich, etc. auch erstmal ganz gut geklappt. Aber irgendwann ist das eben gekippt und alle um Nazideutschland herum haben angefangen aufzurüsten und sich zu wehren. Da bin ich ganz bei der Kirche, z.B. Fr. Käßmann, dann braucht man sich nicht wundern, dass es knallt.

  • Klares Statement aus norwegischer Sicht dazu. Nicht UK oder Frankreich verstanden es nicht den Siegeszug der Nazis zu unterbinden, sondern die deutsche Bevölkerung!

    Es mag jetzt die deutsche Perspektive sein, die Appeasementpolitik im nach hinein als falsch zu erachten und als Mahnung für die heutigen Verhältnisse zu sehen. Kann man so machen...

    Ich nehme hier in meiner Heimatstadt Tromso an dem Gedenkveranstaltungen statt. Aus dieser Stadt setzte der große norwegische König Haakon VII nach England über, nachdem er sich weigerte den Faschisten Vidkun Quisling zum Ministerpräsidenten zu ernennen. Der König gründete dort nicht nur eine Exilregierung sondern war auch maßgeblich an der Organisation des Widerstands, der sogenannten Heimatfront, beteiligt. Dieser Widerstand ermöglichte es tausenden von politisch Verfolgten und Juden über die Grenze nach Schweden zu bringen. Mein Urgroßvater als Fischer könnte ein Lied vom "Menschenschmuggel" auf See singen.

    Es ist der Widerstand jedes Einzelnen der Unrecht und Gewalt verhindert, nicht die politische Ausrichtung der Staatenführer. Wir im Norden haben das begriffen. Der eigentliche Feiertag ist hier der 13 Mai, die Rückkehr des Königs.

  • Warum nur Fokussierung auf Hitler?

    "Das ist kein Frieden", sagte der französische Marschall Ferdinand Foch über den Versailler Vertrag. "Es ist ein Waffenstillstand auf 20 Jahre."

    Die SPD stimmte am 16 Mai 1933 Hitlers Forderung nach Aufhebung der Versailler Rüstungsbeschränkungen zu.

    Zum Verweis auf Stresa im Artikel: Das war 1936 bereits Geschichte als Italien Äthiopien angeriff.

  • Immer wieder interessant, einzelne Stationen vor dem 2. WK zu lesen. Aber das "Hätte, hätte, hätte" drückt es gut aus. Vielleicht hätte auf Frankreich sich nur halbherzig gegen die Besetzung des Rheinlands gewehrt und direkt verloren. Hitler hätte mehr Oberwasser gehabt. In Frankreich musste die Regierung aufgrund des fehlerhaften Einschreitens zurücktreten und Hitler wohlgesonne Menschen kamen an die Macht. 1941 nachdem D, F und Ö aufgerüstet und es das große Reich zwischen Frankreich, Österreich und Deutschland gegeben hat, kommt es erst zum 2. WK. Diesen gewinnt D,F,Ö und von Juden kennen wir heute nur noch aus Geschichtsbüchern.

    Man kann immer ein Detail verändern und kommt plötzlich zu guten (kein 2. WK) oder erschreckenden Ergebnissen (Nazi-Diktatur bist heute).

    In der Literatur: Das Orakel vom Berge (The Man in the High Castle) von Philip K. Dick beschreibt schon 1962 eine solche "Alternative". Verfilmt vor wenigen Jahren von Amazon. Bei ihm ist die Alternative die Ermordung von Roosevelt in den 30ern, wenn ich es recht im Kopf habe.

  • Interessanterweise wird im Text die Rolle der Sowjetunion nur in einer Randnotiz "gewürdigt". Näher beleuchtet müsste werden, wie die SU ab 1936 immer stärker das "Zünglein an der Waage" im europäischen Mächtespiel wurde, am Ende nahezu unausweichlich. Das kommunistische Regime blieb, anders als später (Nazi-)Dt., nach dem Ersten Weltkonflikt der Paria auf dem diplomatischen Parkett. Die SU wurde z.B. nicht zu wichtigen Konferenzen wie München eingeladen. Das hat besonders Hr. Stalin persönlich verletzt und seine Entscheidungen beeinflusst, etwa im August 1939 das "Angebot" von F und GB auszuschlagen und das (für ihn günstigere) Angebot Nazi-Dt. anzunehmen. SU als Garantiemacht für Polen (gegen Nazi-Dt.) wurde bekanntlich aus verständlichen Gründen von Polen abgelehnt. Genutzt hat das nicht.



    Letztlich musste USA und GB in der Konferenz von Jalta (Febr. 1945) der SU (damit Hr. Stalin) viel mehr zugestehen (ganz Ost-, Mittelost- und Südosteuropa), als im August 1939 auch nur annähernd auf dem Spiel stand.



    Damals schon die Frage für den "Westen": Sollen wir "Satan" mit dem "Beelzebub" austreiben? Der Verlauf der Ereignisse wurde schließlich "zwingend". Das ist ziemlich aktuell, oder?

  • Das Titelbild von Koblenz mit den sechs salutierenden Polizisten stammt nicht von 1936, sondern aus November 1929, wo die Polizei von der Festung Ehrenbreitstein aus den Abzug der Alliierten beobachtet. Sie dieses, bei derselben Gelegenheit entstandene Bild vom Bundesarchiv:



    commons.wikimedia....in,_Polizisten.jpg

  • Sorry, aber das ist doch eine ahistorische und auch noch militaristische Reduktion. Die Appeasement-Politik ist doch keine Folge von Fehleinschätzungen über Hitlers Absichten seitens der Westmächte gewesen. Eine tatsächliche Schwächung des Faschismus in Deutschland, die bloß auf siegreiche außenpolitischen und/oder militärischen Schachzügen basiert hätte, ist schlicht ein Hirngespinnst. Nötig wäre die Stärkung des Antifaschismus innerhalb Deutschlands gewesen. Nur war dazu niemand bereit, denn den Westmächten schein es, dass ihren Interessen mehr mit einer NSDAP gedient ist, die die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse offensiv aufrecht erhält, als mit einer sozialdemokratischen Linke, die das nur verdruckst tut.

    "Entnazifizierung" war erst eine Option, nachdem der Weltkrieg von dem, worauf diese Interessen sich gerichtet haben, nichts mehr übrig gelassen hat.

    Und für heute gilt das wieder, allerdings mit dem Unterschied, dass noch gar nicht klar ist, ob es überhaupt noch irgendwo nennenswertes antifaschistisches Potential gibt. Aber das hat sich seinerzeit auch erst im Weltkrieg heraus gestellt.

  • Alles mögliche hätte anders werden können, wenn. Der Anfang, der Verlauf, das Ende, die Aufteilungen.



    Wenn Roosevelt nicht Stalin so falsch eingeschätzt hätte.... Das wäre vielleicht auch eine Analogie für heute. Aspekte der Geschichte wiederholen sich immer wieder.

  • John Maynard Keynes schrieb schon 1919, dass es für Deutschland angesichts des Versailler Vertrags ökonomisch rationaler sei, einen weiteren Krieg zu führen, als sich an den Vertrag zu halten.



    Immerhin hat sich die Erkenntnis, dass es keinen Frieden durch dauerhafte Unterdrückung eines unterlegenen Landes gibt, nach dem *Zweiten* Weltkrieg durchgesetzt.



    Die beste Gelegenheit, den Zweiten Weltkrieg zu verhindern?



    Wäre ein fairer Frieden nach dem Ersten gewesen.

  • Gewagte These:



    Der Sudetenland-Moment war bereits 2014, als Russland die territoriale Integrität der Ukraine verletzte, die im Budapester Memorandum von USA und UK (Frankreich und China waren zwar nicht Unterzeichner, erklärten aber anschließend die Garantien zu gewährleisten) garantiert wurde. Anstatt der Garantie (militärisch) Nachdruck zu verleihen, wurde über Autonomien verhandelt und schließlich die Minsker Verträge geschlossen, welche aber auch nie durchgesetzt worden. Daher wusste Russland was die Garantien des Westens/der NATO wert waren. Gar nix!

  • Da stellen sich eben mal wieder die üblichen Fragen - hätte es den Krieg nur herausgezögert und wäre er mit 5-10 Jahren fortgeschrittener Waffentechnik nicht noch viel schlimmer geworden, wenn es zum Beispiel nicht bei Little Boy und Fat Man geblieben wäre? Als Trekkie denkt man unausweichlich an Edith Keeler, deren Friedensbewegung in einer Alternativen Zeitlinie dem 3. Reich (durch nicht-Einmischung der USA) zum Sieg verholfen hätte.

    Es ist sicher richtig und hilfreich, Parallelen zu ziehen und Strategien für die Gegenwart zu entwickeln - aber wie bei der Vorhersage der Zukunft ist eben auch die Bewertung alternativer Verläufe der Vergangenheit nur mit einem breiten Fehlerkorridor möglich.

    • @Garak:

      Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte es keinen Krieg gegeben. Das Nazi-Regime war hochgradig korrupt und inkompetent und haben sehr viel Zeit mit internen Streitereien verbracht. Zu ihrem Glück hatten sie die effiziente zivile und militärische Verwaltung des deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik geerbt. Die hätten sie aber früher oder später zugrunde gerichtet. Dazu hätten sie früher oder später die Wirtschaft zugrunde gerichtet.



      Bis Anfang 1938 gab es auch noch innerhalb der Wehrmachtsführung Widerstand gegen Hitler da die geplanten aggressive Expansionspolitik zu gefährlich erschien. Anfang 1938 wurde die Führung ausgetauscht, aber noch Ende 1938 gab es Offiziere die planten nach Kriegsbeginn gegen die Tschechoslowakei einen Putsch zu versuchen. Durch das Münchner Abkommen gab es dann aber keinen Krieg. Und Hitlers anhaltende Erfolge zu Anfang des Krieges ließen dann die Opposition innerhalb der Wehrmacht lange verstummen.

  • @Aurego



    "Klar hätte man den Zweiten Weltkrieg verhindern können"



    Nein. Das Reich unter Hitler arbeitete seit 33 massiv an seiner Aufrüstung und alle in Mein Kampf beschriebenen Ziele des Europas unter deutscher Führung und der Ausrottung des Judentums wurden im Reich unwidersprochen zu Doktrin.



    Gruß Fritz

  • Kleine Ergänzung, auch um einmal die eurozentrische Perspektive etwas auszuweiten:



    Der aggressiven deutschen Politik ging bereits 1935 die italienische Eroberung des souveränen Staates Äthiopien voraus. Kurzes Zitat aus der Rede des äthiopischen Kaisers Haile Selassie am 30. Juni 1936 vor dem Völkerbund: "Ich behaupte, dass die Frage, die der Versammlung heute vorliegt, nicht nur eine Frage der Beilegung der italienischen Aggression ist. Es ist eine Frage der kollektiven Sicherheit; von der bloßen Existenz der Liga; des Vertrauens der Staaten in internationale Verträge; wenn der Wert von Versprechen, die kleinen Staaten gegeben werden, dass ihre Integrität und Unabhängigkeit respektiert und gewährleistet werden,... Mit einem Wort, es ist die internationale Moral, die auf dem Spiel steht..." german.wikibrief.o...Selassie_June_1936



    Es lohnt sich aber, die Rede ganz zu lesen. Die Parallelen sind unübersehbar.

  • „Alles, wofür ich gearbeitet habe, alles, was ich erhofft habe, alles, woran ich in meinem politischen Leben geglaubt habe, liegt in Trümmern.“ - ein ähnlich schonungsloses Eingeständnis hat man in der Russland-Politik bisher nur von Matthias Platzeck gehört.

  • Schlüssig auf militärischer Ebene, sozusagen wenn es um Stärken & Schwächen geht. Dazu müsste m.E. die kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung (auch weiter zurückgehend) aufgeblättert werden. Dann wird es schnell sehr, sehr komplex. Insofern wirklich „hätte, hätte, hätte“.

  • Klar hätte man den Zweiten Weltkrieg verhindern können, so wie jeden anderen Krieg auch.

    • @Aurego:

      Ja, so ist es,

    • @Aurego:

      Mit gutem Willen auf allen Seiten geht alles.

    • @Aurego:

      Genau , weit vorher am Ende des Ersten WK .



      Ich finde es interessant wie ausschnittsweise Geschichte betrachtet wird und kurz-Mittel-Langfristfolgen kaum in die Analysen einfliessen.



      Das ist heute nicht viel anders.

  • "Wer nichts aus der Geschichte gelernt hat ist verdammt dazu, sie zu wiederholen."

    War es wirklich nur Churchill, der damals vom König ungeliebte Premier, der sich massiv und gegen den Willen von Halifax und Co gegen einen "Verhandlungsfrieden" stemmte? Im gleichnamigen Film wird es so dargestellt, auch das Scheitern des Kabinetts gegen die Durchsetzungskraft Churchills.

    "Weint nicht um ihn. Er ist nicht umsonst gestorben." (Las ich als Inschrift auf einem Grabstein eines 18jährigen vom 6.6.1944 in Bajeux)

  • Beim deutschen Militär verdrängte 1916 der Stahlhelm den Tschako (Jäger, Schützen), die Pickelhaube (Infanterie, Artillerie, Dragoner) sowie Kolpak (Husaren) und Tschapka (Ulanen). Bei den deutschen Landespolizeien hielt sich der Tschako teilweise noch bis Anfang der 1970er, bevor ihn Schirmmütze, Barett oder der weiße Plastik-Schutzhelm mit klappbarem Klarsicht-Kurzvisier ersetzen.

    • @Lee May Rebecca:

      Das stimmt, aber Sie haben vergessen, dass der Jägertschako bei der Polizei erst 1919 eingeführt wurde und sukzessive die Pickelhaube der Schutzleute verdrängte (weil bei der Neuorganisation Feldjägereinheiten des früheren Militärs Polizeidienste übernahmen). Nur in Bayern behielt die Gendarmerie auch weiter die Polizei-Pickelhaube, die vorher in ganz Deutschland typisch gewesen war. Tschakos prägten erst in der Weimarer Repuplik das Aussehen der Polizisten. Das Gleiche gilt für die grüne Uniform, die sich in Westdeutschland noch länger gehalten hat als der Tschako.

  • Interessant, aber nicht schlüssig. Wann fing der Zweite Weltkrieg an, 1936 in Spanien, 1937 in China? Der Zeitpunkt 1939 ist sicher zu spät gesetzt. In der Geschichte gründen sich Ereignisse auf das, was zwischen 10 und 30 Jahren vorher begann. Könnte der Zweite Weltkrieg 1 oder 4 Jahre vorher (je nachdem wie man rechnet) verhindert werden ? Wahrscheinlich eher nicht.

    • @Jo Lang:

      Wichtiger Aspekt.

  • Der Artikel ist eine schöne Zusammenfassung. Die erste Bildunterschrift ist dagegen kompletter Unsinn. Bitte ändern.

     

    Wir haben Ihren Hinweis an die Redaktion weitergeleitet, vielen Dank.

    Die Kommune

  • Georg Elser und alle Anderen, die Attentate auf Hitler geplant und versucht haben.



    Danke ist zu wenig.

  • Das heißt für uns heute:

    DE auf Kriegswirtschaft umstellen und der Ukraine alles liefern was sie brauchen, am besten gestern.



    Wir wollen doch keine zweite Tschechoslowakei haben, wo es erst einen "Frieden" gibt, und dann später der Rest erobert wird...

    • @Wayko:

      Es braucht keine Kriegswirtschaft, damit Europa der Ukraine alles Material liefern kann, das sie braucht. Der politische Wille (auch der, das gegenzufinanzieren) würde völlig ausreichen.

      Die Tschechoslowakei war ein halbes Jahr nach dem "Frieden" Geschichte. Die Ukraine wehrt sich seit über drei Jahren gegen den Überfall Russlands und die Besetzung Kyivs in absehbarer Zukunft ist sehr unwahrscheinlich. Das ist schon noch mal ein wenig anders gelagert, auch wenn sich Wagenknechte und andere verzweifelt ein zweites Münchener Abkommen wünschen.

  • Der Zweite Weltkrieg war nicht zu verhindern.



    Der Zeitgeist stand überall auf Krieg. Japan wollte, die Türken wollten, Italien wollte, etc...



    Ich erinnere mich noch an einen Tonbandmitschnitt Hitlers, wo er zugab die Sowjetunion völlig unterschätzt zu haben und verblüfft war wie viele Panzer Stalin produziert und welche Kapazitäten die Sowjetunion geschaffen hatte... - die These, dass auch Stalin einen 'Präventivkrieg' plante, hat auch nicht wenige Befürworter...



    Deutschland hat unbestritten final diesen Krieg begonnen und unfassbare Kriegsverbrechen während diesem an Minderheiten und politischen Gegnern im Inneren und unter fremden Zivilbevölkerungen und Soldaten im Äußeren begangen - mit dem Feuer spielten aber eine ganze Reihe von Staaten.

    • @Farang:

      Mittlerweile ist dank Archivöffnungen die Lage doch Recht klar ersichtlich, die aktuelle Arte-Doku zur Jaltakonferenz fasst dies aus gut zusammen. Stalin wollte keinen Präventivkrieg und könnte bis zum Angriff der Deutschen sich auch einen Paktbruch Hitlers nicht vorstellen.

  • Das werden unsere Putinfans aber nicht verstehen, die rechnen die Militärausgaben Russlands einfach in harte Währungen um und kommen zu dem Schluss, Putin kann eigentlich kaum Waffen und Soldaten haben, denen man mit Abwehrmassnahmen begegnen müsste.



    Wenn ich nur die Überschrift und Passagen lese habe ich Bedenken, dass ewiggestrige Trolle, da Teile aus dem Zusammenhang reißen und mit ihrem Mantra, dass Deutschland der 2.WK "aufgezwungen" wurde und die Alliierten an allem schuld sind in den sog. sozialen Medien verbreiten.

  • Schöner Blick auf's Deutsche Eck im ersten Bild. Aber "Nazi-Soldaten"? Sind das nicht einfach Polizeiuniformen?

     

    Wir haben Ihren Hinweis an die Redaktion weitergeleitet, vielen Dank.

    Die Kommune

    • @Der dreckich Katz:

      Nein, das sind Beamte der Schutzpolizei des Freistaates Preußen (die damals Albert Grzesinski als preußischem Innenminister unterstanden, Reichsinnenminister war Carl Severing, beide SPD), die im November 1929 von Ehrenbreitstein aus den Abzug der französischen Truppen aus Koblenz im Rahmen der Räumung der 2. Zone des besetzten Rheinlandes beobachten. Das Bild ist nämlich auch falsch datiert. Der Fotograf war Georg Pahl (1900-1963).

    • @Der dreckich Katz:

      "Hier, sechs Polizisten feiern die Befreiung von den Alliierten, militärisch Gruß und Salutierte der Deutschen Ecke in der Nähe von Koblenz auf der Festung Ehrenbreitstein."



      www.alamy.de/nachd...mage247120748.html

    • @Der dreckich Katz:

      Nazi-Polizisten

    • @Der dreckich Katz:

      Mein Gedanke.