piwik no script img

Schwarz-rote „Asylwende“Symbolische Grenzpolitik

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Die groß angekündigte Asylwende fällt ziemlich klein aus. Die Union hat sich in eine Sackgasse manövriert, aus der sie nicht herauskommt.

Die zwei von der Grenzkontrollstelle: Söder und Dobrindt Foto: Angelika Warmuth/reuters

B undesinnenminister Alexander Dobrindt ist also an die polnische Grenze gefahren, um zu zeigen, dass in der Asylpolitik ein neuer Wind weht. Stattdessen wurde deutlich, dass die so groß angekündigte „Asylwende“ erstaunlich klein gerät. Gerade 40 Zurückweisungen Asylsuchender gab es bisher.

Schon Dobrindts Ankündigung der Zurückweisungen vergangene Woche war ja auffallend verdruckst. Der Termin wurde erst verschoben und fand dann erst so spät statt, dass er bei vielen unter dem Radar lief. Erstaunlich – schließlich geht es doch um die Umsetzung des zentralen Wahlversprechens der Union. Genauso kläglich ging es weiter. Zunächst war nicht einmal bekannt, ob die Zurückweisungen tatsächlich ­stattfinden oder nur theoretisch ermöglicht wurden. Die Aussagen von Dobrindt, Kanzler Friedrich Merz, der Bundespolizei widersprachen sich. Das große Signal, als das die Zurückweisungen angekündigt waren, wurden sie so nicht.

Es wäre falsch, darin Unfähigkeit oder gar plötzliche Gewissensbisse zu sehen. Das Wirrwarr ist eher Ergebnis der Zwänge, in denen sich die Union befindet. An den Grenzen alles zu lassen, wie es ist, ist keine Option, weil Merz im Wahlkampf viel zu laut von der „Asylwende“ getönt hat. In großem Umfang zurückzuweisen geht nicht, weil die Bundesregierung es sich nicht leisten kann, den wichtigen außenpolitischen Verbündeten Polen zu verärgern. Und die Kapazitäten der Bundespolizei geben langfristig verschärfte Kontrollen an den Grenzen eigentlich auch nicht her.

Bislang versuchen Merz und Dobrindt diese Widersprüche zu lösen, indem sie einfach jedem erzählen, was er hören will. Zu den ausländischen Verbündeten heißt es: Alles bleibt beim Alten. Zu den Wäh­le­r*in­nen: Es wird in großem Maßstab zurückgewiesen. Und konkrete Fragen, etwa nach der rechtlichen Grundlage der Rückweisungen, beantworteten die beiden einfach gar nicht.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Dass Merz und Dobrindt sich in eine Sackgasse manövriert haben, ist offensichtlich. Mit jedem Tag wird fraglicher, wie sie – und die ganze Bundesregierung – da unbeschadet herauskommen wollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
schreibt über alles, was im weitesten Sinn mit Migration zu tun hat.
Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • Im letzten Jahrhundert gab es in Deutschland eine Nazi-Diktatur. Als diese nach 12 Jahren und über 60 Millionen getöteten/ermordeten Menschen endlich beendet wurde, wurden wegen dieser Erfahrungen die Menschenrechte formuliert und das Grundgesetz erarbeitet.

    Es ist nicht mal 100 Jahre her und schon wieder verstößt eine deutsche Regierung gegen die Menschenrechte und das Grundgesetz.

    Von der xxU habe ich nichts anderes erwartet, aber dass die SPD diese Verbrechen mitträgt ist erbärmlich.

    Ich kann gar nicht soviel ...

  • Die illegalen Einreise sind weiter stark zurückgegangen.

    Wenn mehr kontrolliert wird, dürfte das kein Fehler in der Statistik sein.



    Mit anderen Worten: Die Asylwende hat stattgefunden.

    Die Merz-Regierung hat sie jetzt geerbt.

  • Die Bundesrepublik Deutschland hat sich zur Aufnahme von Flüchtlingen verpflichtet, wie im Grundgesetz ( Art. 16a Abs. 1 ) festgelegt.



    Nach aktueller Rechtslage dürfen Asylsuchende nicht an der Grenze zurückgewiesen werden.



    Das ergibt sich aus dem nationalen, europäischen und internationalen Flüchtlingsrecht.



    Defacto würde die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Zurückweisungen gegen geltendes EU-Recht verstoßen.



    Zurückweisungen an EU-Binnengrenzen sind rechtswidrig, dass haben zuletzt Urteile sowohl des Europäischen Gerichtshofs ( EuGH ) als auch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ( EGMR ) bestätigt.

  • Fun Fact: Der Bundesinnenminister ist politischer Leiter des Bundesministeriums des Innern und kein Polizeivollzugsbeamter. Er ist damit nicht Teil des Polizeivollzugsdienstes und besitzt keine polizeiliche Dienststellung, die das Tragen einer Polizeiuniform rechtfertigen würde. Das Tragen der Polizeiuniform ist ein äußeres Zeichen der hoheitlichen Befugnisse, die nur ausgebildeten und vereidigten Polizeibeamten im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit zustehen.

    • @Thomas Raukamp:

      Sie meinen so wie alte Bundeswehrparkas nicht von Zivilistinnen getragen werden dürfen?

    • @Thomas Raukamp:

      Wie uns schon die fremdenfeindliche Rede von Frau Pechstein in BuPo-Ausgehuniform auf dem CDU-Parteikonvent gezeigt hat: Die Union nimmt es mit solchen Kleinigkeiten nicht so genau. L'état c'est nous!

    • @Thomas Raukamp:

      Nicht fun, es ist eigentlich traurig. Reul in NRW hat solchen PR-Quatsch, meine ich, aber auch schon mal abgezogen.

  • Sie kommen da nicht unbeschadet heraus und die AFD wird triumphieren. Das alles war absehbar und man muss sich schon fragen wie beschränkt die verantwortlichen Politiker eigentlich sind und dabei noch Führungsanspruch anmelden.

  • Politisch unbeschadet kommen sie da nicht raus. Die Erwartungen des Mobs sind geweckt. Die Presse wird sich irgendwann anderen Themen zuwenden, die verrohte, radikalisierte Mitte aber, wird die Ereignisse in ihre Lieblingserzählung von den Volksverrätern integrieren.

  • The show must go on: Das ist Sympolpolitik und das bedeutet noch lange nicht, dass diese Maßnahme den Zustrom an Geflüchteten verringert, der gerade sowieso abnimmt. Aber es gibt auch eine Seite der Symbolpolitik, die sich sehr negativ auswirken wird: Das Bild, das Menschen gar nicht hierher dürfen, dass man sie an einer Grenze abwehren muss, weil sich das Problem sonst nicht lösen lässt. Sprich das Bild des negativen Ausländers, der irgendwie gestoppt werden muss, dies wird weiter verstärkt. Und da ist die CDU/CSU leider erfolgreich und sie füttert damit die Rechtsradikalität der AfD, die verspricht den radikaleren, aber auch effektiveren Weg zur Lösung des Problems. Nur gibt es dieses Problem überhaupt?



    Und ist es wirklich eine Lösung auf einer Autobahn zu kontrollieren und die Schlepper müssen nur vorher auf die Landstraße und durchs Dorf, um die Grenze zu überqueren? Dobrindt macht sich in gewisser Weise auch lächerlich, wenn er gar nicht das Personal und die Mittel hat, um die Grenzen effektiv zu sichern. Auch dieser Aspekt verstärkt den Appeal der AfD ...

  • Hauptsache, die Springerpresse jubelt jeden Tag. Das ist doch die halbe Miete. Ob es faktisch, was bringt oder nur die Ressentiments wachsen lässt, ist den Herren der Union völlig wumpe.

  • Wie Sie herauskommen wollen, ist klar: Der EuGH muss Deutschland so schnell wie möglich verurteilen, die Grenzzurückweisungen sofort zu beenden und zu Dublin III zurückzukehren. Dann könnten sie sagen, sie hätten absolute unbarmherzig Härte gezeigt, aber die EU mache ja alle vernünftige Politik zunichte. Jetzt hätte man leider nur die Wahl zu gehorchen oder ganz aus der EU auszutreten. Und Letzteres wäre für Deutschland unbezahlbar. So geht Populismus.



    Das Problem am Plan: Sie brauchen schnell jemanden, der Deutschland verklagt. Momentan findet sich aber niemand. Vielleicht erbarmt sich Österreich am End in alter Nibelungentreue?

    • @hedele:

      Leute wie Merz, Dobrindt und Söder, die vorgeben unser GG nicht zu kennen und dagegen verstoßen, disqualifizieren sich für politische Ämter.

      Politiker anderer Parteien, die sie in diese Lage gebracht haben, profitieren durch diese Unprofessionallität.



      www.afd-verbot.jetzt

    • @hedele:

      Vielleicht ist das für Dobrindt und Söder ein attraktives Szenario; für Merz wohl nicht.

      Ich denke, er möchte lieber als Strippenzieher in Europa als als Opfer der Eurokraten dastehen.

      • @Frauke Z:

        Merzig tanzt doch mit Ursula von der Leyen...

    • @hedele:

      Dass der bevölkerungsreichste EU-Staat nicht eine Änderung der europarechtlichen Rahmenbedingungen anschieben können soll, obwohl praktisch alle anderen Staaten ebenfalls migrationsskeptisch eingestellt sind, wäre Wasser auf die Mühlen der EU-Gegner.

      Dann hätten die rechten Parteien immer recht gehabt mit ihren Verschwörungstheorien über den Verlust jeglicher Souveränität.

  • Mein lieber Mann, sind die schlecht, von der Union. Das ist wirklich unterste Amateurliga. AfD-Schwachsinn nachplappern und dann aber wenn man dran ist eben doch fast nichts zu ändern, eben weil dieser Asylwendequark einfach Unsinn ist. Wäre das Thema einfach abzuräumen hätte das die Ampel wohl vorher auch gemacht. Es ist eben einfach nur europäisch zu lösen, selbst auf die menschenfeindliche und abstoßende Weise. Pushbacks, fiese Lager, Bett, Brot und Seife kann man nur alleine machen, wenn man keine lange Außengrenze und jede Menge Anliegerstaaten wie Deutschland hat.



    Die völlig verstrahlte Öffentlichkeit ist längst auf AfD-Kurs, diese diktiert den Diskurs. Wenn man zusätzlich noch den Dexit (wirtschaftlicher Suizid) und den Austritt aus der Genfer Flüchtlingskonvention propagiert mag der nationale Weg ja gehen, wenn einem die sonstigen Kosten schnurz sind. Soll ja bei Faschisten so sein, dass sie für Macht und Pfründe auch gerne mal über Leichen gehen.

  • Muster bei der Union: vor der Wahl wider besseres Wissen in die Populismuskisten gegriffen und Sinnloses/Unmögliches erzählt, aus schierer Angst vor den Unappetitlichen.



    Und jetzt die Kurve zur Realität nicht bekommen. Gegen die und die Ampel haben die Nur-Oppositionsredner Merz, Linnemann und Dobrindt ja sinnbefreit geholzt.



    Tja.

  • Die Rechnung für Fehler die man vor längerer Zeit gemacht hat, wird jetzt fällig. Das einst unter Druck Deutschlands verabschiedete Dublin Abkommen, erpresste die EU Randstaaten, Flüchtlinge im 'Ankunftsland' festzuhalten. Das funktionierte nicht, Griechenland, Ungarn oder Italien standen bald vor dem Kollaps. Also liessen sie Flüchtlinge weiterziehen.



    Jetzt wollen Dobrindt und die SPD Flüchtlinge einfach an unseren Grenzen zurückweisen. Das werden aber unsere Nachbarn nicht mitmachen. Der Populismus der Groko wird massiven Widerstand der EU Nachbarn nach sich ziehen und die schon fragile Gemeinschaft weiter destabilisieten. Das Geld zur 'Befriedung' der EU Nachbarn hat Deutschland in der Krise nicht mehr. Was bleibt: Dobrindts Sperrung der Grenzen wird für die politische PR eine zeitlang praktiziert...



    Und die SPD macht alles mit...

  • Die Politik die Merz den CDU-Wählern und ganz besonders den inzwischen zur AfD abgewanderten Exwählern versprochen hat, ist nur in einer ganz bestimmten Koalition machbar. Aus der mit der Brandmauer gestellten Falle kommt die CDU jetzt auch nicht mehr raus. Ob wir allerdings unbedingt in Triumphgeheul verfallen sollten wenn die AfD jetzt die CDU kannibalisieren wird, steht auf einem anderem Blatt. Ich hätte hier bei uns lieber wieder 60% CDU Ergebnisse statt 52% AfD wie in der letzten Wahl.

  • Vielleicht werden jetzt die rechten Merz-Dobrindts mal ihre rigide Asylpolitik umsetzen. Dann wird eventuell schnell klar, dass niemand auch nur einen Cent mehr in der Tasche hat, weil abgeschoben oder zurückgewiesen wird. Es sind die Reichen die sich die Taschen voll machen und es sind die Rechten die auf die alte ‘Spalte die kleinen und herrsche’ Strategie der Reichen aufspringen.



    Das Problem ist, dass dieses Denken mittlerweile so verankert ist, dass die Rechten einfach immer eine Stufe mehr drehen. Erst sind’s illegale Ausländer, dann nur noch Ausländer, dann Ausländer erster, zweiter, dritter , Generation. Und parallel holen sich die Reichen die Moneten nach oben und und auf das gefetzte unten einen runter.

    ‘Die dreckige Unterschicht



    Soll fressen, was noch runterfliegt



    Vom festlichen runden Tisch



    Drum fetze sich wer unten liegt’

  • Die Frage ist eher, ob die deutsche Demokratie da unbeschadet herauskommt. Merz und Dobrindt sind mir herzlich egal, zudem werden die schon rechtzeitig dafür sorgen, dass sie ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Ihre "Asylpolitik" erinnert schon etwas an Trumps Handeln. Der hatte nämlich seinen Wählern ebenfalls Massendeportationen versprochen. Nachdem das aber nicht so einfach umzusetzen war, wie er dachte, ging er zu absoluter Willkür über. Ich hoffe, dass die berühmten "Checks and Balances", die in den USA so kläglich versagt haben, wenigstens in Deutschland und Europa noch funktionieren.

  • ich finde Zurückweisungen direkt an der Grenze ziemlich grausam. Wäre gut, wenn die CDU das bleiben lässt.

  • Die Bundesregierung kommt da schon raus, im Zweifel wird dann halt Rechtsstaat oder Europa delegitimiert.