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Böllerverbot für Mensch und TierVerbände gegen KrachZischBumm

Unterschiedlichste Verbände fordern ein Böllerverbot zum Schutz von Einsatzkräften und Tieren. Die Pyrobranche weist das zurück. Sie erwartet Rekordumsätze.

Besser ohne Senkrechtstarter. Denn die stressen Tier und Mensch, verschmutzen die Luft und sind eine Gefahr für Einsatzkräfte Foto: photo2000/imago

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert zusammen mit weiteren Verbänden ein generelles Verbot von privatem Feuerwerk. Es gehe auch „ohne Krach, Zisch, Bumm“, sagt DUH-Chef Jürgen Resch: „Mit der Streichung eines einzigen Satzes in der Sprengstoffverordnung kann Bundesinnenministerin Nancy Faeser tausende Verletzungen und millionenfaches Tierleid verhindern“. Doch selbst Gespräche darüber würden von Faeser verweigert.

Der Initiative der Umwelthilfe haben sich inzwischen diverse Tierschutz- und Ärzteverbände angeschlossen. Auch die Polizeigewerkschaft (GDP) spricht sich für ein Verbot aus. „Wir werden gezielt angegriffen“, klagt GDP-Chef Jochen Kopelke. Polizisten würden mit Raketen beschossen und mit Böllern beworfen. Auch Schreckschuss- und Signalwaffen würden gegen die Beamten eingesetzt.

Die größte Gefahr geht Kopelke zufolge von privaten Festen aus. Dagegen seien organisierte Silvesterfeiern unproblematisch, weil dort Eingangskontrollen durchgeführt werden. Vor allem in Hamburg, Berlin und Bremen komme es zu Angriffen gegen Einsatzkräfte. Außerdem pocht die Gewerkschaft auf eine bessere Ausstattung der Polizisten gegen derlei Angriffe. Ein Verbot würde die GDP begrüßen. „Das muss endlich kommen“, meint Kopelke.

Böllern kann Asthma verschlechtern und Lungenkrankheiten auslösen

Auch Ärzte unterstützen die Initiative. „Böller und Raketen sind alles andere als harmlos für unsere Gesundheit“, kritisiert Lungenfacharzt Norbert Mülleneinsen. Demnach werden beim Abbrennen große Mengen giftiger Stoffe wie Kaliumnitrat, Strontiumnitrat oder Magnesium-Salze freigesetzt. Dies kann Asthma verschlechtern und Lungenkrankheiten auslösen. Zudem würden jedes Jahr zahlreiche Menschen von Böllern getroffen und zum Teil schwer verletzt. 2023 gab es bereits mehrere Todesfälle. Die gesundheitlichen Risiken ließen sich durch ein Verbot leicht vermeiden.

Auch Tierschutzverbände verlangen ein Verbot. Bei Haustieren wie Hunden oder Katzen löse der Krach Stress und Angst aus, sagt Franziska Wulff vom Jane-Goodall-Institut. Auch bei Zoo- und Wildtieren sind panische Fluchtbewegungen infolge des Lärms und der Lichtblitze zu beobachten. „Es geht nicht darum, weniger zu feiern“, betont Wulff. Doch müsse man Wege finden, nicht so viel Tierleid zu verursachen.

Resch sieht auch im Alkoholkonsum einen Grund für Unfälle während der Knallerei zu Silvester. „In keinem anderen Moment des Jahres sind so viele Menschen alkoholisiert oder betrunken.“ Sie dürften dann zwar nicht mehr Auto fahren, aber Sprengstoff weiter in die Hände nehmen.

Pyro-Verband sieht verzerrte Sachlage

Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk weist die Bedenken sowie die Forderung nach einem Verbot zurück. Die Umwelthilfe ignoriere wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse oder verzerre sie. „So wird etwa versucht, aus vereinzelt auftretenden Spitzenwerten eine extreme gesundheitsschädliche Luftverschmutzung zu konstruieren“, kritisiert der Verband. Daten des Umweltbundesamts zeigten, dass die Feinstaubbelastung schon vor Sonnenaufgang wieder unkritische Werte annehme. „Die stetigen Diffamierungen sind ein Schlag ins Gesicht von Millionen Menschen, die das Feuerwerk zum Jahreswechsel schätzen“, kritisiert Verbandsvorstand Ingo Schubert.

Die Industrie erwartet in diesem Jahr alles andere als eine Zurückhaltung beim Knallen. Zum zweiten Mal in Folge erwartet der Handel Rekordumsätze mit Böllern oder Batterien. Auch lehne einer aktuellen Umfrage zufolge nur eine Minderheit der Bevölkerung Feuerwerk ab. In den Covid-Jahren waren die Befürworter eines Verbots noch in der Mehrheit.

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32 Kommentare

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  • Als Ex-User möchte ich mal ws bemerken. Die Menschen, die da rumknallen sind nicht immer die priviligierten. Umsomehr solte uns überraschen, dass sie mit einer solchen Lust und Freude auf das neue Jahr schauen, dass sie es richtig knallen lassen. Und wir liebe Tazler wollen unsere Ruhe haben, weil es uns ja so gut geht.



    Ich göne es diesen positiven Verrückten, wir können ja nach Gomera fliegen und dem Krach entgehen. Mit oder ohne Katze

    • @Bodo Sporleder:

      Um nach Gomera zu fliegen habe ich kein Geld. Das Feuerwehr am Himmel ist hübsch, der Krach ist nervig, das Zeug ist mir zu teuer und es wird oft schlecht gehandhabt. Die Notaufnahmen und Feuerwehr sowie Polizei werden zu Helden.

  • Die Menschen sind fast durchweg für das Pyrogedöns zu unreif. Verbot wird wohl trotzdem nichts bringen, auch wenn es wünschenswert ist.

    • @aujau:

      In Frankreich und Spanien funktioniert es hervorragend. Ist wie beim Tempolimit: Deutsche wollen einfach nicht.

      • @Minelle:

        Deutsche sind manchmal bzw. oft doof. Muss ich als deutsche Person leider feststellen.

  • Gestern ein Telefonat mit einem älteren Familienangehörigen. Kurz kam bei ihm hoch, wie die Bomber damals über das Haus flogen. Zwei Sekunden Stille, und das Gespräch war danach fast sofort vorbei.

    Vielleicht ist die Stunde zwischen Mitternacht und 1:00h und/oder zentrale Feuerwerke ja doch auch daher eine gute Idee, nicht nur, dass Immissionsschutz nun mal Gesetzespflicht ist.

  • Das Maẞ ist verloren gegangen. Zwischen am 31.12. nachmittags um 16:00 bis in die Nacht vom 01.01. 3 Uhr durchgehend böllern oder alles verbieten gibt es auch noch ein maßvolles Abbrennen von Feuerwerk. Vielleicht können wir uns gesellschaftsweit darauf einigen, Rücksicht aufeinander zu nehmen.. Warum reicht zwischen Mitternacht und 1 Uhr nicht? Einfach etwas weniger, in der Nachbarschaft zusammen schließen und ein gemeinsames, begrenztes Feuerwerk. Damit wäre allen geholfen. Warum sind wir nicht in der Lage uns, auch ohne Verbote, zum Wohl aller zu begrenzen?

    • @MaTaBe:

      Rücksichtnahme und Freiwilligkeit? So wie in der Pandemie? Hat ja gut geklappt. Nicht.

  • Ich kann gut auf den Quatsch verzichten.



    Im Ersten Jahr des Ukrainekriegs wurde das Geknalle noch kritisiert, als schlechter Empfang für die Geflüchteten.



    Davon ist keine Rede mehr.



    Was für ein "Recht" wird an dieser Stelle eigentlich eingefordert?



    Meine Oma fand es immer furchtbar, weil es sie an die Bombardierung im 2ten Weltkrieg erinnerte. Das dürfte Menschen dieser Generation und Kriegsflüchtlingen aller Länder ganz genau so gehen.



    Aber Rücksicht und Respekt sind heute ja zu Fremdwörtern geworden.

    • @Philippo1000:

      Warum soll man wenn jemand anderes etwas nicht mag immer zurück stecken? Ich mag keine Katzen die mir in den Garten sc*** trotzdem fordere ich von meinem Nachbarn nicht seine Katze abzuschaffen.



      Man kann auch Rücksicht auf Menschen nehmen die einmal im Jahr ein paar Raketen und Böller zünden (und ich meine ein paar nicht 1000 Stück pro Person).

      • @Abraham Abrahamovic:

        Worin liegen denn die Ursachen bei Ihnen begründet, die den Wunsch, einmal im Jahr Böller und Raketen zu zünden, bei Ihnen aufkommen lassen ?

  • Hunde und Katzen werden doch deutlich mehr durch Autos traumatisiert, durch Gehaltenwerden in Stadtwohnungen und was auch immer. Die würde ich außen vor lassen.

    Dass manche Menschen an Bomben dabei denken, ist beim heutigen Arsenal jedoch ein Punkt. Und so manche haben echte Bomben gesehen, von Oma Sibylle über Amin bis Ludmila.



    Vom Dreck in der Luft und den Kosten ganz zu schweigen.



    Wieder einmal hat die Deutsche Umwelthilfe einfach Recht.

    Vielen bereitet es einigen Spaß, aber das könnte auch ein zentrales Feuerwerk pro Dorf oder Viertel lösen. Das könnte doch der Mittelweg sein.

    • @Janix:

      Vielleicht könnte man ja unsere Abgeordneten in Berlin dazu verpflichten, ein mehrstündiges Feuerwerk abzubrennen.



      Könnte dann ja bei TikTok gestreamt werden..

    • @Janix:

      Es gibt schon noch einen Unterschied zwischen einem zentralen Feuerwerk, bei welchem man nur zusehen darf, und einem eigen gestalteten, bei die Auswahl der Pyrotechnik frei ist und selbst "Hand angelegt" wird.

      Aus diesem Grund werden meine Nachbarn und ich auch dieses (bzw. nächstes Jahr) einige Dutzend Raketen, Fontänen & Co. gemeinsam abbrennen und uns daran erfreuen. Sinnlose Böllerei überlassen wir anderen. Es versteht sich von selbst das wir verantwortungsvoll mit der Pyrotechnik umgehen, ein Verbot desselbigen lehnen wir daher auch strikt ab.

      Und diejenigen Idioten, die Polizisten und Einsatzkräfte mit ihrem Feuerwerk angreifen, würde auch ein Verbot nicht davon abhalten.

  • Ist doch alles nicht so schlimm mit dem Dreck und der blöden Umwelt. Aber Böllern ist jetzt sowieso in die Ukraine outgesourcet ...

  • Moment, das stimmt nicht ganz:



    In den Covid-Jahren waren die Befürworter eines Verbots IN DEN COVID-JAHREN noch in der Mehrheit.

    Ein permanentes Verbot wollten genauso wenige wie heute.

    Natürlich gab es auch Stimmen, die die Situation für eine dauerhafte Kriminalisierung von Feuerwerk nutzen wollten - ich habe da etwa die DUH und die taz in Erinnerung. ;-) Dass solche Winkelzüge gesellschaftlich überhaupt keine gute Idee sind, ergibt sich von selbst, oder?

  • An Sylvester Rumböllern dürfen, eine uneinnehmbare Bastion der Freiheit und Gleichheit in Deutschland. Endlich wieder Papiermüll und Oxide in der Umgebung verstreuen - darf ja dann schließlich jedermann, und wer würde bei so einer Gelegenheit zurückstecken wollen tjaha. In guter (pubertierender) Gesellschaft die Chemie abbrennen (weshalb eigentlich - egal) und sich im Schein der Schlachtfeldbeleuchtung ein paar warme Gedanken machen. Aber nicht auf die eigenen Balkone und nicht in die Vorgärten zwischen die Gartenzwerge.

  • Geht die gleiche Lamentiererei wieder los, wie jedes Jahr?

    • @LukasL:

      "Geht die gleiche Lamentiererei wieder los, wie jedes Jahr?"



      Wollen Sie hier etwa deutsche Traditionen in Zweifel ziehen?

  • Es gibt kein Recht auf Böllern. Es gibt aber durchaus ein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Die DUH sollte machen was sie am besten kann, und es gerichtlich versuchen durchzufechten. Auf politischen Willen zu hoffen, wenn kapitalistische Gier im Spiel ist, ist zum scheitern verurteilt.

    • @Okti:

      "Es gibt kein Recht auf Böllern. Es gibt aber durchaus ein Recht auf körperliche Unversehrtheit."



      Deshalb ist es ja auch verboten, Böller auf Personen abzufeuern.



      Seltsam, dass das nicht jedem bekannt zu sein scheint.

    • @Okti:

      Jawoll, Drogen legalisieren hat die körperliche Unversehrtheit bestimmt für alle mehr gefördert.



      Leben wir nach dem Motto "Ich mach mir die Welt..."



      Zur Info, wenn man jemanden mit Feuerwerk verletzt fällt das unter die Kategorie Körperverletzung und wird bestraft.

  • Da kann man dem Verband nur das erforderliche Durchhaltevermögen und viel Erfolg wünschen

  • "Auch die Polizeigewerkschaft (GDP) spricht sich für ein Verbot aus. „Wir werden gezielt angegriffen“, klagt GDP-Chef Jochen Kopelke. Polizisten würden mit Raketen beschossen und mit Böllern beworfen"



    Der Klassiker mittlerweile🙄



    Statt der Ursache nachzugehen und die Einzeltäter aus dem Verkehr zu ziehen soll die Allgemeinheit als Sündenbock herhalten.



    Jeder weiß um wen es geht - fast ausnahmslos junge Männer. Es sind auch immer fast ausnahmslos dieselben Orte - wenn ichs bei uns in Berlin ausmache: Marzahn, Hellersdorf, Kreuzberg, Neukölln, Boxi, Mauerpark, Wedding, Turmstraße.



    Man kanns auch anders ausdrücken: an sozialen Brennpunkten, egal ob links, rechts oder migrantisch.



    95% wissen friedlich zu feiern 🎉🍾

  • Ich könnte auch darauf verzichten, vermute aber mal, dass kein Spitzenpolitiker den Wahlkampf mit noch einem Verbot beginnen möchte. Grundsätzlich wäre so ein Thema gut für eine Volksabstimmung geeignet. Soll doch einfach mal die Mehrheit entscheiden, wie sie‘s an Sylvester gerne hätte.

    • @vieldenker:

      Es gibt auch eine Mehrheit für Tempo 100 auf der Autobahn, das interessiert nur niemand auf der Entscheidungsebene, ob das Volk darüber abstimmt oder nicht...

      • @Görk74:

        Auch in der Frage gerne eine Volksabstimmung. Ich befürchte allerdings, dass die Unterlegenen das Ergebnis nur schwer als Mehrheitswillen anerkennen würden. Egal wer gewinnt.

  • OMG. Last den Menschen einmal im Jahr den Eskapismus. Und wo notwendig leinfach punktuelle Verbotszonen.

    Einfach lächerlich diese Diskussion und typisch deutsch. Das die DUH dabei ist, spricht für sich selbst…

    • @Andi S:

      Das ist kein "Rassenmerkmal" der Deutschen, sondern ein Symptom einer alternden Gesellschaft.

      Laut und wild sein ist was für junge Leute.

    • @Andi S:

      Ja klar. That's the spirit! Soll doch jedeR machen was ihm/ihr Spaß macht. Was kümmern da die Interessen anderer Leute die wirklich darunter leiden? Oder die Tiere, die in Panik geraten? Ist doch wurscht - solange ich meinen Spaß habe. Ja, ja, das ist alles wirklich lächerlich. Eine wahrhaftig edle Eiunstellung...

    • @Andi S:

      Glockengeläut statt Geböllere - das wäre viel schöner.

      • @Wolfgang Amadeus:

        Da beschweren sich doch auch schon Leute drüber. Man kann es nie allen Recht machen.