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Deutsch-Iraner Jamshid SharmahdHinrichtung sorgt für diplomatische Belastung

Jamshid Sharmahd saß seit 2020 in iranischer Haft und wurde trotz Warnungen der Bundesregierung hingerichtet. Nun hat Deutschland den iranischen Geschäftsträger einbestellt.

Protest gegen die Hinrichtung des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd in Berlin Foto: Frederic Kern/Future Image/imago

Wer den Fall von Jamshid Sharmahd von Anfang an verfolgt hat, kennt die Bilder: Im Arm seine Tochter Gazelle. Bei einer Wanderung, er blickt glücklich in die Kamera. Gazelle Sharmahd hat in den letzten vier Jahren zahlreiche Fotos und Videos von sich und ihrem Vater in sozialen Medien gepostet.

Am 28. Oktober nun die Nachricht: Die Islamische Republik hat Jamshid Sharmahd hingerichtet. Er litt an Parkinson, erhielt keine medizinische Versorgung und hatte keine Zähne – diese wurden ihm, wie Gazelle Sharmahd in einem der wenigen Telefonate erfuhr, ausgeschlagen – und siechte in iranischer Haft.

Sharmahd wurde 1955 im Iran geboren und wuchs in Deutschland auf. Anfang der 2000er Jahre zog er mit seiner Familie in die USA, wo sie seitdem lebte. Er gründete ein Software-Unternehmen und engagierte sich gleichzeitig in der iranischen Opposition. Er betrieb unter anderem eine oppositionelle Webseite. Schon im Jahr 2009 versuchte das iranische Regime, ihn in den USA zu ermorden. Der US-amerikanische Geheimdienst konnte den Anschlag vereiteln.

Die „stille Diplomatie“ mit dem Iran

Das Martyrium des deutschen Staatsbürgers beginnt im Juli 2020. Auf einer Geschäftsreise muss Sharmahd in Dubai zwischenlanden und eine Nacht in der Stadt übernachten. Er spricht noch mit seiner Familie und informiert sie, wo er ist – es soll das letzte Lebenszeichen für mehrere Jahre bleiben. In dieser Nacht wird er vom Geheimdienst der iranischen Revolutionsgarden entführt. Wenig später führt ihn das iranische Staatsfernsehen vor; die Filmaufnahmen zeigen einen traumatisierten Menschen, von Folter gezeichnet. Er wird zu einem Geständnis eines konstruierten Verbrechens gezwungen. Zwangsgeständnisse sind die Grundlage des „Justizsystems“ der Islamischen Republik Iran. Dann im Frühjahr 2023 schließlich die Nachricht: Jam­shid Sharmahd wird zum Tode verurteilt. Die wohl schlimmste Zeit im Leben von Gazelle Sharmahd und ihrer Familie bricht an.

Seine Tochter Gazelle kämpft für ihn und gibt ihre Arbeit als OP-Krankenschwester auf. Sie macht weltweit auf den Fall von Jamshid Sharmahd aufmerksam. Die Bundesregierung, erzählt sie einmal dem Kölner Stadt-Anzeiger, erkläre ihr ständig, sie setze sich „hochrangig“ für ihren Vater ein. „Was das heißt, konnte mir leider noch nie jemand sagen“, so Gazelle Sharmahd damals. Sie forderte auf X eine „schwere Strafe für die Mörder des islamischen Regimes“. Sie kritisiert sowohl die Bundes- als auch die US-Regierung als „inkompetente und korrupte Regierungen“ und warf ihnen vor, ihren Vater in Verhandlungen im Stich gelassen zu haben.

Die Bundesregierung ist in Bezug auf das iranische Regime eine Anhängerin der „stillen Diplomatie“ – die wohl schlechteste Art und Weise, mit einem diktatorischen Staat wie der Islamischen Republik umzugehen. Auf klare Töne gegen das iranische Regime wartete Gazelle Sharmahd vergebens. Die Bundesregierung traute sich nicht einmal, Jamshid Sharmahd als politische Geisel zu bezeichnen, was er offensichtlich war. Im Gegensatz übrigens zu Staaten wie Frankreich, Dänemark oder Österreich, die von „Staatsgeiseln“ sprachen und ihre Staats­bür­ge­r:in­nen größtenteils befreien konnten.

Geschichte eines Scheiterns

Die ersten Konsequenzen sind nach der Hinrichtung gezogen. Dem Geschäftsträger der Botschaft wurde am Vormittag im Auswärtigen Amt der Unmut der Bundesregierung mitgeteilt. Der deutsche Botschafter Markus Potzel in Teheran, protestierte beim iranischen Außenministerium gegen die Ermordung von Jamshid Sharmahd. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) rief ihn daraufhin zu Konsultationen nach Berlin zurück. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Baerbock verurteilen die Hinrichtung des Deutschiraners ebenfalls. Scholz nennt die Tötung auf X einen „Skandal“.

Baerbock betont, dass Teheran mehrfach klargemacht worden sei, dass die Hinrichtung eines deutschen Staatsbürgers „schwerwiegende Folgen“ haben werde. Auch CDU-Chef Friedrich Merz fordert eine Herabstufung der diplomatischen Beziehungen zum Iran. Auch aus dem Iran gibt es Reaktionen: Teheran bestellt am Dienstag den deutschen Gesandten ein.

Die Außenpolitik der Bundesregierung gegenüber der Islamischen Republik ist dennoch die Geschichte eines Scheiterns. Und Jamshid Sharmahd musste dafür mit seinem Leben bezahlen.

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17 Kommentare

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  • Mit dieser Hinrichtung revanchiert sich der Iran beim Auswärtigen Amt für die Wiederaufnahme der Waffenlieferungen an Israel.

    • @Kai Borrmann:

      Dem Iran dürfte bewusst sein, dass Israel nicht auf deutsche Waffenlieferungen angewiesen ist.

      Zudem ist Sharmahds Tätigkeit für Tondar ein aus iranischer Sicht stichhaltiger Grund.

      Der Mann wurde bereits 2020 entführt.

      Waffenlieferungen an Israel waren damals noch kein größeres Thema.

  • Frau Baerbock hatte ja „schwerwiegende Folgen“ für den Iran im Falle der Exekution eines deutschen Staatsbürgers angekündigt. Jetzt wurde der Leiter der iranischen Botschaft für eine schwerwiegende Moralpredigt à la Baerbock einbestellt. Da zittert das totalitäre iranische Regime ja sicher vor lauter Angst... *Sarkasmus off*

  • Eine furchtbare und traurige Nachricht. Ich hoffe so sehr darauf, dass die iranischen Bürger:innen eine Möglichkeit finden, ihre mörderische Regierung zu ersetzen.

    Bedauerlich, dass es so schwer bis unmöglich (und auch verpönt) ist, von außen zu helfen. Vielleicht kann zumindest der Aufstieg des Iran zur Atommacht unterbunden werden.

  • "Hingerichtet."



    Bei derartigen Unrechtsstaaten und gnadenlosen Diktaturen ist das für mich ❗ermordet.



    Schauprozesse waren auch in Europa Tribunale zur Abschreckung und Ermordung.



    Ein Beispiel:



    www.pressenza.com/...n-moerder-in-robe/

  • Diese deutsche Diplomatie ist es, die Millionen Menschen im Iran im Stich lässt, damit deutsche Wirtschaftsinteressen dort weiter gedeihen können.



    Diese Heuchel-Diplomatie ist es, dass Hisbollah Unterstützer Nummer 1 weitermachen können und hierzu Lande von Staatsräson gegenüber Israel gefaselt wird. Finde den Fehler AA. Jedes Kindergartenkind kann es. Bei Diktatoren kommt man mit Brownnowsertum nicht weiter.

    • @balaban:

      Leider wird diese deutsche Heuchel-Diplomatie auch noch von Pseudo-Experten unterstützt, insbesondere von der einflussreichen "Stiftung Wissenschaft und Politik". Wenn schon die sogenannten "Experten" Unfug erzählen, dann ist Hopfen und Malz verloren...

  • Es ist bedauernswert das ausgerechnet Friedrich Merz, ein unsensibler Politiker mit populistischen Mittel versucht hat Sharmahd zu befreien. Ich habe mich damals gefragt, weiß der eigentlich wovon der da redet. Im Wahlkampfmodus Forderungen stellen. Sich selbst profilieren auf Kosten von Geiseln. Es zeigt das Herr Merz den Ernst einer Lage nicht einschätzen kann. Nicht der einzige Fehltritt von Ihm. Mein Beileid an die Hinterbliebenen.

    • @Manoman:

      Warum denn ein Fehltritt? Merz mag ein Populist sein, aber seine Motive sind in dem Fall doch zweitrangig. In der Sache hat er hier (ausnahmsweise) Recht, und es ist äußerst bedauerlich, dass man im Auswärtigen Amt nicht von selber einsieht, dass jetzt eine viel härtere Gangart gegenüber dem iranischen Regime notwendig ist.

  • Klingt nicht nach einem Ruhmesblatt für die baerbocksche Außenpolitik. Man müsste sofort stark reagieren auf sowas. Deutsche entführen und hinrichten kann doch nicht ohne schmerzhafte Gegenreaktionen toleriert werden!

    • @Moritz Moeller-Herrmann:

      2020 war die CDU unter Angela Merkel an der Regierung. Und hat sich ganz offensichtlich NICHT bemüht, etwas für Herrn Sharmahd zu tun. Leider scheint das ja Staaträson zu sein: nichts gegen das Mullahregime tun, es könnt ja unangenehm für unsere Wirtschaft sein. Wohlfeile Empörung: ja, aber bloß keine konkreten Maßnahmen. Dass sich die Ampel da nicht anders verhält ist traurig, war aber zu erwarten. Immer alles auf die Ampel zu schieben ist aber nervtötend dämlich. Schließlich arbeitet die nicht im luftleeren Raum, sondern auf der Basis dessen, was sie vorgefunden hat.

      • @Squirrel:

        "Schließlich arbeitet die nicht im luftleeren Raum, sondern auf der Basis dessen, was sie vorgefunden hat."



        Sie könnte es aber auch genau anders machen als ihre Vorgänger. Macht sie aber nicht, weshalb sie zu Recht kritisiert werden darf.

  • Ob es etwas mit unser "unkritischen" (euphemistisch ausgedrückt) Haltung zu Israel zu tun hat, dass er gerade jetzt hingerichtet wurde.

    Gibt es eigentlich in so einem Fall irgendeine Dokumentationspflicht des AA, was sie denn tatsächlich getan haben? Haben wir in einer Demokratie nicht das Recht auf Information (natürlich nicht während laufender Verhandlungen)? Wäre ja spannend für JournalistInnen *zwinker* mal zu recherchieren, wie die "unermüdlichen Bemühungen" in der Realität so aussehen.

    • @Jalella:

      Naütrlich haben wir ein Recht auf Information. Wir werden sogar informiert . Z.B. auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes steht die Todesnachricht samt Stellungnahme der Ministerin zu diesem Kapitalverbrechen gleichberechtigt zwischen einer Stellungnahme von Frau Amtsberg zu einem Gesetz und der Reisankündigung von Staatsministerin Keul. Auf der Hauptseite steht im Vergleich dazu ein Bericht über eine Regierungskonsultation und die Sicherheitslage im Libanon etc. Das ist eine Information ! Nämlich für wie bedeutsam das Auswärtige Amt dieses Verbrechen in Hinblick auf seine eigenen Pflichten Herrn Sharmahd und uns gegenüber einschätzt. Daraus können Sie schließen , dass das in der Vergangenheit auch so gewesen sein kann und Ihnen und mir genauso wie Herrn Sharmahd ergehen wird, wenn wir zur falschen Zeit am falschen Ort sind.

  • "vielleicht ein paar Sätze irgendwo auf einer Regierungs-Webseite."

    Genau so ist es.

    " Menschenrechtsbeauftragte Luise Amtsberg zur Annahme von Gesetzen gegen UNRWA



    Außenministerin Baerbock zur Hinrichtung von Jamshid Sharmahd in Iran



    Staatsministerin Katja Keul reist nach Kamerun und Tschad."

    Eine erbärmliche Vorstellung !

    Die politische Ermordung eines Deutschen ist diesem Ministerium keine Hauptnachricht wert.



    Es sendet das unmissverständliche Signal an jeden, dass für die Deutsche Regierung ein politisch motiviertes Kapitalverbrechen an einem Deutschen auch in Zukunft keine andere Bedeutung als der unwichtige Reisebericht einer unwichtigen Staatssekretärin haben wird.

    Monoton selbstgefälliges Geplapper statt wirksamem Schutz des Lebens, nicht einmal des Andenkens seiner Bürger. Tödliche, würdelose Einfalt.

    www.auswaertiges-amt.de/de am 29.10.2024

  • RIP

  • Es darf nicht Wahr sein - wir sind unendlich traurig und entsetzt.



    Unsere Gedanken sind bei Gazelle und ihrer Familie.



    Auch wenn der iranische Staat die Ablegung der iranischen Staatsbürgerschaft nicht anerkennt und somit auch nicht die doppelt Staatsbürgerschaft.



    Jamshid hatte die deutsche Staatsbürgerschaft.



    Da Deutschland größter Handelpartner des Iran ist, wäre es Chefsache gewesen diesen Mord zu verhindern. Kanzler Scholz - ist uns eine umgehende Erklärung schuldig.



    Was wurde alles unternommen um diese Tragödie zu verhindern.