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Freihandel mit IndienIndien kann China als Handelspartner nicht ersetzen

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Zeichen stehen auf Krieg in Ostasien. Kein Wunder, dass die Bundesregierung hektisch nach Alternativen zum Handelspartner China sucht.

Indiens Premier Modi und Bundeskanzler Scholz auf dem Weg zu den 7. deutsch-indischen Regierungskonsultationen Foto: dpa

C hina will Taiwan erobern. Daran lässt Präsident Xi Jinping keinen Zweifel. In seiner Silvesteransprache 2023 sagte er, dass Taiwan „mit Sicherheit wiedervereinigt“ werde. Dieser Angriff wird bereits regelmäßig geprobt. Mit Flugzeugträgern, Kampfbombern, Schiffsverbänden und scharfer Munition.

Die Zeichen stehen also auf Krieg in Ostasien, was für die deutsche Wirtschaft verheerend wäre. China ist der wichtigste Handelspartner: Im Jahr 2023 wurden Waren im Wert von 157,2 Milliarden Euro importiert, der deutsche Export belief sich auf 97,4 Milliarden Euro. Wenn China in den Krieg ziehen und als Markt ausfallen sollte, dann wären die Schäden mindestens so hoch wie nach der Finanzkrise 2008.

Daher ist es kein Wunder, dass die deutsche Regierung hektisch nach Alternativen zum chinesischen Markt sucht – und Indien immer wichtiger wird. In dieser Woche reisten unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu deutsch-indischen Regierungskonsultationen nach Delhi.

Ein Ergebnis war, dass man das Freihandelsabkommen, an dem schon seit etwa 17 Jahren verhandelt wird, „in Monaten“ abschließen will. Ein zentraler Streitpunkt war bisher, dass Indien seinen Markt nicht für europäische Agrarerzeugnisse öffnen wollte.

Indien wächst, aber von einem niedrigen Niveau aus

Das ist verständlich: Die hochsubventionierte und hocheffiziente europäische Landwirtschaft hätte viele indische Bauern bedroht. Scholz und Habeck sind nun bereit, diese Forderung fallen zu lassen. Allerdings hat diese Zusage nur bedingten Nachrichtenwert: Für Handelsabkommen ist die EU zuständig.

Zudem würde auch ein Freihandelsabkommen nichts daran ändern, dass Indien den chinesischen Markt nicht ersetzen kann. Zwar wächst Indien momentan stärker als fast jedes andere Land und hat 2023 ein Plus von 7,6 Prozent verbucht – aber es startet von einem sehr geringen Niveau aus.

Indiens jährliche Wirtschaftsleistung lag 2023 bei 3,55 Billionen Dollar und damit fünfmal niedriger als das chinesische Bruttoinlandsprodukt. Die Handelsbeziehungen sind ähnlich kümmerlich. 2023 exportierte die deutsche Wirtschaft Waren im Wert von ganzen 17,8 Milliarden Dollar nach Indien.

Allerdings geht es der Bundesregierung nicht nur um schlichten Handel. Sie hofft auch, dass Indien zwischen der Ukraine und Russland vermitteln könnte. Das dürfte eine Fehlkalkulation sein, denn Indien gehört zu den Profiteuren von Putins Angriffskrieg. Da der Westen Ölimporte aus Russland sanktioniert, fließt genau dieses Öl jetzt nach Indien – zu deutlich niedrigeren Preisen.

Indien hat kein Interesse am Frieden

Dieses Karussell spricht nicht gegen die westlichen Sanktionen, weil sie den Krieg für Putin teurer machen. Aber Russlands Verluste sind In­diens Gewinne, weswegen Premierminister Narendra Modi wenig unternehmen wird, um diesen Krieg zu beenden.

Fazit: Es ist nicht falsch, den Handel mit Indien zu verstärken – aber geopolitisch wird sich dadurch gar nichts ändern.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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9 Kommentare

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  • Indien sollte China nicht als Handelspartner ersetzen - das ist das falsche Ziel. Indien kommt als Partner hinzu. Das nennt man Diversifizierung eines Kundenportfolios. Indien wird anders als China sein, braucht aber ebenso wie China vor 10-12 Jahren Industriegüter (Maschinen, Anlagenbau,...), die in D oder in Indien selbst hergestellt werden können.

  • "Scholz und Habeck sind nun bereit, diese Forderung fallen zu lassen. Allerdings hat diese Zusage nur bedingten Nachrichtenwert: Für Handelsabkommen ist die EU zuständig."

    Das stimmt. Aber wenn eine 4% Splitterpartei aus Deutschland z.B. das Verbrenneraus in Europa kippen kann, dann scheint Deutschland in der EU wohl doch einige Macht zu haben.

  • "Geopolitisch wird sich dadurch gar nichts ändern"?



    Dieses Urteil ist wohl etwas verfrüht.



    Was Deutschland in den letzten Jahren wirtschaftlich geschadet hat, ist der Fachkräftemangel. Dass dies, auch mit indischer Zusammenarbeit, verbessert werden soll, wird im Artikel gar nicht erwähnt.



    Es ist auch ein deutliches Symbol, dass der Kanzler, kurz nach dem BRICS Gipfel, in Indien zu Regierungskonsultationen landet.



    Es wäre ziemlich unsinnig, alle BRICS Staaten zu verteufeln, es geht vielmehr darum, Ländern wie Indien und Brasilien bessere Angebote zu machen.



    Wirtschaftliche Entwicklung ist mittlerweile sehr schnelllebig. So hat sich Deutschland, innerhalb von 2 Jahren, von der russischen Rohstoffe Abhängigkeit gelöst.



    In China stößt Deutschland wirtschaftlich zunehmend an Grenzen , während Indien viel Potenzial hat.



    Zu den jüngsten Entwicklungen gehört auch, dass die USA China als größten deutschen Außenhandelspartner wieder abgelöst hat.



    Ich glaube, dass eine Zusammenarbeit mit der bevölkerungsstärksten Demokratie ein großes Potenzial hat, das Potenzial Chinas, als deutscher Absatzmarkt, zunehmend schwindet.



    Die Regierung scheint hier sehr weitsichtig.

  • Eine Krieg zwischen Indien und einem Nachbarland ist wahrscheinlicher als das oben prognostizierte Szenario. Was China und Indien angeht, wird zugunsten von Indien deutlich mit zweierlei Maß gemessen. Die Hindutva-Ideologie der herrschenden Nationalisten z.B. sieht Minderheiten als Untermenschen. Nationalistische Hindu-Milizen verbreiten nicht nur in Indien Angst und Schrecken. Etwas vergleichsweise menschenverachtendes gibt es in China nur in viel begrenzterem Ausmaß. Entweder diese Tatsache wird weiter konsequent verdrängt oder es gibt ein böses Erwachen. Aber was tut man nicht alles, um China (wohl auch im Auftrag anderer) wirtschaftlich zu schaden.

  • "Indien gehört zu den Profiteuren von Putins Angriffskrieg. Da der Westen Ölimporte aus Russland sanktioniert, fließt genau dieses Öl jetzt nach Indien – zu deutlich niedrigeren Preisen."



    Und diese Erkenntnis ist nicht neu, schon mit Ausgang des ersten Kriegsjahrs etablierte sich diese Route russischen Öls, was jegliche Bemühungen des Westens, Putins Kriegskasse auszuhungern, konterkarierte.



    Auch militärisch arbeitet Indien eng mit Russland zusammen, bezieht Waffen, Munition, Hubschrauber, Raketen - das volle Programm.



    Im Gegenzug wurden indische Studenten mit Visa nach Russland gelockt und tauchten dann an der Front in der Ukraine auf. Eigentlich eine politische Atombombe, aber Indien hat das völlig gelassen ad acta gelegt...



    taz.de/Inder-und-N...inekrieg/!6009600/



    "Fazit: Es ist nicht falsch, den Handel mit Indien zu verstärken – aber geopolitisch wird sich dadurch gar nichts ändern."



    Wunderbar auf den Punkt gebracht, danke. Man lässt sich auf europäischer Seite wohl davon blenden, dass Indien Chinas direkter geopolitischer Konkurrent ist, übersieht dabei aber geflissentlich deren eigene Großmachtambitionen bspw ggü Pakistan, Bangladesch oder den Malediven.

  • Interessant ist, dass man nach neuen Partnern für unser exportorientiertes Wirtschaftsmodell sucht, statt das Wirtschaftsmodell zu überdenken. Mit Indien wären wir ja z.B. in 10...15 Jahren auch dort, wo wir heute mit China sind.

    Die Zahl der Staaten, die auf Freihandel, so wie wir ihn verstehen, setzt, nimmt ständig ab. Darin liegt keine Zukunft.

  • Keine Sorge, bis auf ein paar empörte Reaktionen erwarte ich von unserer Regierung nicht viel Rückrad. Während China in Taiwan wüten wird, die Bevölkerung auf Linie und Kritiker unter die Erde gebracht werden, wird sich Politik und Wirtschaft die Tränen mit den Scheinen abwischen, die sie durch den Handel mit China gewonnen haben.

    • @Platanebanane:

      Das glaube ich nicht.



      Wenn Uncle Sam sagt, dass Europa Sanktionen zu verhängen hat, wird Europa dem beikommen: siehe aktueller Handelskrieg.



      Wenn unsere Lehnsherren...., Pardon!, Freunde aus Übersee möchten, dass wir nicht mehr mit China handeln, wer kann denn da widersprechen?



      Es ist ja nicht so, als hätte Europa irgendwie eine eigene außenpolitische Linie.

    • @Platanebanane:

      Jup nur dumm wenn die Chinesische Flotte von Amerikanern und Taiwanesen zusammengeschossen wird und Amerika dann eine Seeblockade verhängt und die Deutsche Wirtschaft keine Lieferketten mehr hat.