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: Kriegsschiff am Sprungturm: In Hamburg-Eimsbüttel schlägt Marine-Werbung Wellen

Grau und Blau, ein Schiff auf See: Selbst gut getarnt zwischen den Sprungtürmen, wirbt in einem Freibad im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel die Bundesmarine für sich als Arbeitgeberin: „Marine kann Meer“, steht auf dem Transparent, und „Karriere Sprung“. Infos zur Bewerbung verspricht ein QR-Code.

Aufgehängt wurde die Werbung schon früh im Juli, gegen Ende des Monats dann schlug sie hohe Wellen: „Stoppen“ solle Hamburgs Senat die „zynische“ Kampagne, erklärten etwa drei fraktionslose, ehemals der Linksfraktion angehörende Bürgerschaftsabgeordnete, Martin Dolzer, Metin Kaya und Mehmet Yildiz: „Die Jugend will nicht sterben, sondern schwimmen.“

Ehemaliger Parteilinker im Bezirk Hamburg-Eimsbüttel ist auch Peter Gutzeit, der zuerst auf das Kriegsschiff-Transparent aufmerksam wurde. Zusammen rief man am vergangenen Mittwoch zu einer Kundgebung vor dem Freibad auf – mittags um viertel vor zwölf.

Drinnen ist die Stimmung entspannt. Gegenüber der taz zeigen sich vor allem Jüngere, an die sich die Kampagne ja richten dürfte, gelassen. Manchen ist sie nicht mal aufgefallen. Andere haben sie sehr wohl bemerkt, schlimm finde man sie aber nicht – auch in Anbetracht des Krieges in der Ukraine. Zwei Frauen sagen, die Bundeswehr dürfe Werbung machen wie alle anderen auch. „Besser als McDonald’s“, sagt einer. Er finde so eine Werbung an diesem Ort unangebracht, das sagt dann doch ein junger Mann. Es sei eben kein gewöhnlicher Arbeitgeber, der da gezielt mit Anspielungen auf Action und Abenteuer werbe.

Laut Michael Dietel vom städtischen Betreiber Bäderland hält sich Kritik an der übrigens bundesweiten Kampagne in Grenzen. Das Transparent soll wie vereinbart bis 8. August hängen. „Wir haben uns die Werbung vorher genau angeschaut“, sagt Dietel. Sie „entspricht einem übergeordneten Interesse von Frieden, Freiheit und Demokratie“. Das sei ihm wichtig – Werbung für einzelne Parteien, beispielsweise, würde man nicht annehmen.

Rund 50 Teilnehmer:innen, optisch größtenteils nahe dem Rentenalter, sind am Mittwochmittag vor dem Bad zusammengekommen, vor „ihrem geliebten Kaifu“. Mit selbst gestalteten Plakaten und Bannern („Sprung in den Tod“) sprechen sie sich aus gegen „fortschreitende Militarisierungskampagnen“. Sie fordern: Das Banner abhängen – und an seiner Stelle ein Friedensplakat. Sie seien da wegen ihrer Kinder und Enkel, das ist immer wieder zu hören.

Eine einzelne, deutlich jüngere Frau sticht am Rand der kleinen Kundgebung heraus. Chiara ist Ende 20 und „möchte in einer Gesellschaft leben, in der es nicht normal ist, Krieg zu führen“, sagt sie der taz. Die Bundeswehr sei kein normaler Arbeitgeber, deshalb finde sie die Werbung unmöglich, so wie in Schulen auch. Mit den Demoveranstaltenden könne sie sich aber nicht identifizieren, sagt sie, beschreibt ein „ambivalentes Verhältnis zu solchen Veranstaltungen“.

„Give Peace a Chance“, klingt es halblaut aus den Boxen, als die Kundgebung sich dem Ende zuneigt. Wo denn die Jugend gewesen sei, fragt einer. Bestimmt alle in den Urlaub gefahren, mutmaßt eine Frau. Aber die Antifa sagt der Mann, warum sei die denn nicht gekommen?

Am Abend ist der Karrieresprung gefallen: Temporär, wenigstens, liegt das Marinebanner am Boden, wohl nach der Kundgebung abgehängt. Einige Be­su­che­r:in­nen sollen Beifall geklatscht haben. Später erklärt sich auf X ein Eimsbüttler AfD-Funktionsträger solidarisch mit dem Anliegen der Kundgebung. Man könne für die Bundeswehr sein, die Werbung im Freibad aber kritisieren. Johanna Weinz