Waffentragen bei der Berliner Polizei: Die Pistole immer zur Hand

In Berlin darf die Polizei auch wieder abseits des Dienstes Waffe tragen. So wie überall sonst in Deutschland. Die Sicherheit erhöhen wird das nicht.

Blick auf zwei Polizisten einer Berliner Polizeistreife, die Waffe prominent im Mittelpunkt

Da ist deutlich zu sehen: Polizei mit Waffe, im Dienst Foto: Paul Zinken/picture alliance/dpa

Vor Kurzem und eher nebenbei ist bekannt geworden, dass Berliner Po­li­zis­t*in­nen auch in ihrer Freizeit wieder offiziell Waffen mit sich führen dürfen. Bedeutet: In der U-Bahn, beim Grillen im Park oder jetzt beim Public Viewing können Be­amt*in­nen nun in ihren Rucksäcken, zwischen dem Grillgut oder unterm Fußballtrikot eine Pistole dabeihaben. Muss uns Bür­ge­r*in­nen dies nun Sorgen bereiten?

Die kurze Antwort lautet: Ja, Sorgen sind durchaus angebracht. Die differenzierte Antwort lautet: Ja, allerdings gleicht sich Berlin mit dieser Regelung für seine rund 20.000 bewaffneten Be­am­t*in­nen bei der Polizei den Verhältnissen anderswo an. Wenn man so will, robbt sich die Hauptstadt hier an Bundesländer wie Bayern heran, das Mekka von Law and Order. Dort und in anderen Bundesländern durften Po­li­zis­t*in­nen schon immer ihre Waffen weitestgehend auch außer Dienst und ohne Uniform bei sich haben.

Was war geschehen, dass Berlin eine Ausnahme darstellte? Nach einer mutmaßlichen Serie von missbräuchlichem Gebrauch von Dienstwaffen durch Po­li­zis­t*in­nen in ihrer Freizeit, vor allem bei Tierjagden im Berliner und ­Brandenburger Forst, sprach die da­malige Polizeiführung 2016 ein Verbot aus, Waffen außerhalb des Dienstes spazieren zu tragen. Den Polizeigewerkschaften gefiel diese Maßregelung so gar nicht. Hinter vorgehaltener Hand war die Rede „von einer Entmündigung“ der Be­am­t*in­nen durch die Polizeiführung.

Über die Aufhebung des Verbots zeigt sich die Opposition in Berlin erschrocken und äußert gegenüber der taz Sicherheitsbedenken. „Es steigt die Gefahr, dass Waffen außerhalb des Dienstes unrechtmäßig angewandt werden oder abhandenkommen“, sagt zum Beispiel Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Darüber hinaus macht die Berliner Polizei ein großes Geheimnis um den Text des sogenannten Arbeitshinweises, der die Aufhebung offiziell gemacht hat. Die Regelung an sich ist unter Verschluss. So wird dem Parlament und der Öffentlichkeit verschwiegen, wie die Regelung im Einzelnen aussieht.

Po­li­zis­t*in­nen im Hawaiihemd

Womit wir wieder bei der Frage angelangt wären, warum wir Bür­ge­r*in­nen uns nun angesichts der bewaffneten Po­li­zist*in­nen im Hawaiihemd mehr Sorgen um unsere Sicherheit machen müssen. Mit der neuen Regelung ist Berlin nicht nur ein Stück bayerischer, sondern auch etwas hessischer geworden. Erst Mitte Mai hatte ein Polizist in Weilrod nördlich von Frankfurt am Main seine Lebensgefährtin mit seiner Dienstwaffe in der Wohnung des Opfers erschossen: ein Femizid, der durch die laxe Regelung des Waffengebrauchs für Po­li­zei­be­am­t*in­nen zumindest begünstigt wurde.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

In den vergangenen Jahren haben Recherchen immer wieder gezeigt, wie Waffen und Munition aus Beständen von Polizeibehörden vor allem in rechtsextreme Milieus geschmuggelt wurden. Extremistische Po­li­zis­t*in­nen hatten immer wieder Pistolen mitgehen lassen – ein Teil davon ist bis heute verschwunden, einige Waffen tauchten bei gewaltbereiten Neonazis und Staatsfeinden auf. Der Nordkreuz-Komplex ist nur das prominenteste Beispiel.

Man muss kei­n*e Ma­the­ma­ti­ke­r*in sein, um sich auszurechnen, dass die Wahrscheinlichkeit für Missbrauch und Verlust von Waffen dann steigt, wenn mehr Waffen durch Berlin und Deutschland nach Gusto und ohne effektive Kontrolle getragen werden. Mit den bewaffneten Frei­zeit­po­li­zis­t*in­nen werden Parkanlagen, Supermärkte und andere öffentliche und private Räume in Berlin ein Stück unsicherer, halt wie in Bayern, Hessen und anderswo in Deutschland.

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Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Bei Twitter schreibt er unter dem Handle @mamjahid, bei Instagram @m_amjahid. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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