piwik no script img

Verfassungsschutz gewinnt gegen AfDAuch politisch weiter bekämpfen

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Die AfD mag sich noch so oft in der Opferrolle suhlen, die Beobachtung als rechtsextremer Verdachtsfall hat sie sich selbst zuzuschreiben.

Auch vor Gericht bleibt es dabei: Die AfD ist extrem rechts Foto: Guido Kirchner/dpa

N atürlich braucht niemand den Verfassungsschutz, um die AfD als das einzustufen und anzuerkennen, was sie ist: eine extrem rechte Partei, die längst von völkisch-nationalistischen Kreisen dominiert wird. Was die Hetze der AfD und ausgegebene Losungen wie „Wir werden sie jagen!“ des Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland in letzter Konsequenz bedeuten, konnte man am vergangenen Samstag in Dresden sehen, wo eine Gruppe mutmaßlicher Rechtsextremer den SPD-Politiker Matthias Ecke krankenhausreif geprügelt hat. Oder als ein Rechtsextremist mit Nähe zu AfD-Kreisen Walter Lübcke erschossen hat.

Dennoch ist es gut und wichtig, dass der Verfassungsschutz nun vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster das Berufungsverfahren gegen die AfD gewonnen hat. Das bestätigt: Der Inlandsgeheimdienst erfüllt seinen gesetzlichen Auftrag zur Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen – und zwar nun mit doppelter gerichtlicher Absegnung.

Da kann die AfD sich noch so oft in der Opferrolle suhlen, zwei Gerichte haben bereits bestätigt, dass der Verfassungsschutz zu Recht aktiv ist – die Beobachtung als rechtsextremer Verdachtsfall hat sie sich selbst zuzuschreiben, ebenso die Einstufung als gesichert rechtsextrem in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Die Beobachtung ist Ergebnis der extrem rechten Ausrichtung der AfD, ihrer zahlreichen rassistischen, antidemokratischen und nationalistischen Äußerungen. Würde sie allein regieren, würde sie sich an der entkernten illiberalen Demokratie eines Viktor Orbán orientieren und rassistische und religiöse Diskriminierungen institutionalisieren – eben so, wie es der einflussreiche Rechtsextremist und AfD-Politiker Björn Höcke in seinem Buch bereits 2018 skizziert hat und wie es hochrangige AfD-Politiker auch 2023 noch zusammen mit rechtsextremen Aktivisten wie Martin Sellner in Form konkreter Vertreibungspläne diskutiert haben.

Auch Einflussnahme von China und Russland liefert Stoff

Das verlorene Berufungsverfahren in Münster ist eine wichtige Wegmarke auf dem Weg zum Verbotsverfahren oder der Streichung staatlicher Parteienfinanzierung für die AfD. Nun müssen weitere Schritte wie die Hochstufung der Gesamtpartei zur gesichert rechtsextremen Bestrebungen erfolgen, Vorbereitungen dazu sollen ohnehin schon laufen. Belege dafür liefern auch nicht abreißende Skandale um die Einflussnahme von Diktaturen wie China oder Russland, wie um den Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah.

Wichtig ist dabei: Die in der Verfassung aus historischen Erfahrungen explizit verankerten Grundsätze der wehrhaften Demokratie dürfen dabei nicht zum Entlastungsdiskurs werden. Auch politisch muss die AfD weiter bekämpft werden: durch gute Politik, durch weniger Zuspitzung sozialer Verteilungskämpfe, eine klare Abgrenzung zum extrem rechten Kulturkampf, bessere Ausstattung der Kommunen und eine politische Strategie für Aufklärung und bessere Bürger*innenbeteiligung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Klar ist die AfD ein Opfer und zwar wegen ihrer Unfähigkeit zu Moral, Ethik, Empathie und demokratischen Grundgedanken.



    Es handelt sich einfach nur um einen üblen Haufen.

  • Die Wahldemokratie beruht angeblich auf dem 'Wettbewerb um die besten Ideen für das Land', wie sie die Partien in ihren Wahlprogrammen und -kampagnen präsentieren, und die Wahl garantiert die Mitbestimmungsrechte der BürgerInnen. Jeder sollte wissen, dass die Wirklichkeit eine andere ist. Gewählte MandatsträgerInnen sind an kein Mandat gebunden, regiert wird dann meistens in Koalitionen, die sich mehr oder weniger mühsam mit Kompromissen durch die Legislaturperioden retten und im Übrigen jeweils im Rahmen nat'l und int'l Gesetze, Verträge und Abhängigkeiten durchwursteln müssen. Das würde auch für eine Regierung unter Beteiligung der AfD gelten. Das die AfD kritisch gesehen wird und unter Beobachtung steht, ist sicher gerechtfertigt. Wenn man aber meint, man sollte jede Partei die unter Extremismusverdacht steht, dann dient das weniger einer wehrhaften Demokratie, als dem undemokratischen Ausschluss neuer Konkurrenz. Völkisch-nationale Tendenzen gibt es nicht nur bei der AfD und soweit sie in der Gesellschaft vorhanden sind, finden sie sich in anderen und immer wieder auch in neuen Parteien. Nur zur Erinnerung: In der deutschen Geschichte nach 1945 wurde viele Gruppierungen und Parteien eine extremistische Haltung oder Nähe zum Extremismus vorgeworfen. Einige davon sitzen heute auf den Regierungsbänken.

    Bisher haben alle negativen Schlagzeilen der AfD kaum geschadet. Ganz im Gegenteil bestätigen Forderungen nach einem Verbot der AfD nur deren Selbstdarstellung als 'widerständige' Alternative. Die anderen Parteien sollten sich politisch mit der AfD und ihren eigenen Programmen auseinandersetzen. Letzte fällt den 'etablierten' Partien schwer, denn die AfD setzt an deren ungelösten Widersprüchen an.

    • @Stoersender:

      Ihr Kommentar verrät sie als AfD-Anhänger. Warum würden sie sonst verschweigen, dass bei allen strukturellen und aktuellen Problemen der BRD und der Verweigerung der Regierungsparteien diese mit dem nötigen Ernst anzugehen, die AfD ja gerade keine ernsthafte Alternative darstellt, sondern teils aus ideologisch verblendeten Fanatikern besteht, die schlechte Lösungen für die falschen Probleme anbieten (Modell Höcke) und andererseits aus korrupten Karrieristen, die nur darauf warten das Land auszuplündern bzw. an den Meistbietenden zu verscherbeln (Modell Krah). Beiden gemein ist der Hass auf die Freiheitlich Demokratische Grundordnung. AfD zu wählen heisst zu glauben, man könne ein kleines Teufelchen mit einem Balrog austreiben.

  • Wohlgemerkt, dieses Gerichtsurteil betraf keine Lappalie, die man in die Rubrik: „Was sonst noch passierte“ abschieben könnte. Damit hat wohl auch der Spruch, wonach die deutsche Justiz auf dem rechten Auge blind sei, ausgedient.



    Ähnliches gilt für den Verfassungsschutz. Unter Hans-Georg Maaßen hätte man befürchten müssen, dass die AfD mit Samthandschuhen angefasst würde. Unter Thomas Haldenwang lieferte der VS Beweise, die dem Gericht die einzig richtige Entscheidung ermöglichte.

  • Nun, wer die AfD bekämpfen will, der sollte einen indirekten Ansatz machen.



    Die letzten 7-8 Jahre war z.B. die Wohnungskrise eine Grundlage schwelender Unzufriedenheit. Würde der Staat hier massiv investieren, so würde es ein wenig das "Gift" aus dem System nehmen. Und so der AfD den Nährboden entziehen.

    • @Kartöfellchen:

      Richtig, aber wir sehen ja global, dass der Neoliberlaismus den Rechtspopulismus gebiert und nährt. Mit Leuten wie Lindner in der Regierung wird sich das Leben von gut 80% der Deutschen nicht verbessern und ein gewisser Prozentsatz wird sich dann eben weiter radikalisieren und auch dem liberal-pluralistischen Rechtsstaat abschwören, weil sie ihn als Ursache ihrer Unzufriedenheit wahrnehmen.

  • Ich bin über die Entscheidung des OVG Münster sehr froh und finde gut, dass das Gericht hierzu eine ausführliche Pressemitteilung veröffentlich hat www.ovg.nrw.de/beh...3_240513/index.php . Jeder sollte sie lesen, um sich ein eigenes Bild zu machen.

    Am Wichtigsten finde ich die folgenden Sätze: "Nach Überzeugung des Senats liegen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die AfD Bestrebungen verfolgt, die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind. Es besteht der begründete Verdacht, dass es den politischen Zielsetzungen jedenfalls eines maßgeblichen Teils der AfD entspricht, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen. Dies stellt eine nach dem Grundgesetz unzulässige Diskriminierung aufgrund der Abstammung dar, die mit der Menschenwürdegarantie nicht zu vereinbaren ist. " ..."Dem Senat liegt eine große Anzahl von gegen Migranten gerichteten Äußerungen vor, mit denen diese auch unabhängig vom Ausmaß ihrer Integration in die deutsche Gesellschaft systematisch ausgegrenzt werden und trotz ihrer deutschen Staatsangehörigkeit ihre vollwertige Zugehörigkeit zum deutschen Volk in Frage gestellt wird. Daneben bestehen hinreichende Anhaltspunkte für den Verdacht, dass die AfD Bestrebungen verfolgt, die mit einer Missachtung der Menschenwürde von Ausländern und Muslimen verbunden sind. "

    Daraus folgt für mich: Die AfD ist eine Gefahr für die Demokratie, die nicht gewählt werden darf. Sie muss umgehend durch das Bundesverfassungsgericht verboten werden. Es darf nicht noch einmal passieren, dass Rechtextreme in Deutschland an die Macht gelangen wie 1933, die "wohltemperierte Grausamkeit" gegenüber Migranten und vielleicht auch gegenüber manchem "unbequemen" Deutschen praktizieren wollen.

  • AfD Verbot. Jetzt.

    • @Tom Lehner:

      Ja! Nie wieder ist jetzt!

    • @Tom Lehner:

      Ja, der Bundesrat mit Frau Schwesig ist jetzt am Zug, es gibt kein vernünftiges Argument mehr gegen ein Verfahren.



      Gleichzeitig darf die politische Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht aufhören, zumal sich einerseits das Verfahren hinziehen wird, dessen Ausgang noch nicht klar ist und andererseits die AfD bei einem Verbot neue Strukturen schaffen wird, die Leute sind ja weder weg noch geläutert.

      • @Bambus05:

        Dem stimme ich zu. Während man dergleichen zwar nicht mit Samthandschuhen erledigen kann, sollte ein Verbot wohldurchdacht sein wegen der potentiellen märtyrerisierung der Belegschaft und nachfolgender Heldenverehrung.

        Falls sich angesichts der Entscheidung noch irgendjemand fragt, was mit den bösen linksextremen Subjekten ist:



        Die gibt es eigentlich nicht mehr, der globale Kapitalismus hat uns alle fest im Griff.