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Angebliche Stromausfälle in DeutschlandAlarm im Mittelstand

„Es geht ums blanke Überleben“, sagt eine mittelständische Firmeneigentümerin bei „Lanz“ – und klagt über Energieknappheit. Was ist zu tun?

Woran liegt's, wenn im Allgäu der Strom wackelt? Foto: Bernd Feil/imago

Berlin taz | „Markus Lanz“ vor einigen Tagen. Zu Gast ist auch Andrea Thoma-Böck, Unternehmerin, Chefin eines mittelständischen Betriebes für Metallveredelung und Gründerin einer „Initiative Zukunft Wirtschaft“. Sie ist sehr besorgt. Die Kollegen schreiben später vom „emotionalen Diskurs“ und vom „Alarm im Mittelstand“.

Das Problem: Energie. Wenn man dem Erfahrungsbericht von Frau Thoma-Böck zuhört, ist Strom in Deutschland nicht nur teurer als anderswo, sondern auch unsicherer. Mindestens 11 Stromausfälle hatte ihr Betrieb angeblich im vergangenen Jahr, die meisten im Millisekundenbereich. Plötzlich standen die Anlagen still, das Wiederanfahren dauerte Stunden. „Die Gründe erfahren Sie nicht“, sagt sie, als gebe es da gut gehütete Geheimnisse. Für die Zuhörer- und Zuschauer.innen allerdings steht die Antwort im Raum: Es liegt an der neuen Abhängigkeit von schwankenden Stromquellen wie Sonne und Wind. Die Energiewende mache der energieintensiven Industrie den Garaus.

Ist die Energieversorgung, das Lebenselexir der Gesellschaft und ihrer Wirtschaft, unsicher geworden? Geht es gar, wie Frau Thoma-Böck sich ausdrückt, „ums blanke Überleben“? Kein Wunder, dass die Bild-Zeitung diesen Teil der Sendung ausführlich nachbereitet.

Eine Talkshow ist eine Talkshow, physikalische Probleme können da selten geklärt werden. Liegt es an Wind und Sonne, wenn in einem Galvanik-Betrieb im ländlichen Allgäu in der Nähe von Memmingen der Strom wackelt?

„Insbesondere auf Unwetter zurückzuführen“

Die Bundesnetzagentur hat allerdings genaue Zahlen über Versorgungsunterbrechungen in Deutschland parat: Sie sind relativ selten – und tendenziell seit Jahren rückläufig. Auch eine Anfrage beim Betreiber des regionalen Verteilnetzes, der Lechwerke AG in Augsburg, bestätigt die Vermutung. Derartige Störungen seien „auf atmosphärische Einflüsse, insbesondere Unwetter, zurückzuführen.“ Weitere Ursachen könnten beim Management der Maschinen oder Kurzschlüssen in anderen Leitungen desselben Netzbereiches liegen. Und es gebe „anlagentechnische Möglichkeiten, um solche Störungen zu reduzieren.“

Nicht nur die Physik kann demnach weiterhelfen, sondern auch die Kommunikation. „Für eine genaue Ursachenanalyse und mögliche Lösungsansätze“, so schreiben die Lechwerke, „wäre der direkte Austausch mit dem betroffenen Unternehmen hilfreich. Wir haben bereits versucht, Kontakt mit dem Unternehmen aufzunehmen; bisher blieb unsere Anfrage jedoch unbeantwortet.“

Man hofft also, dass die Medien in diesem Fall einmal ganz praktisch Hilfe geleistet haben und wünscht der künftigen Zusammenarbeit zwischen Firma und Verteilnetzbetreiber das Beste. Die Kritik von Frau Thoma-Böck irgendwo im rechten Fossil-Lobby-Sektor einzuordnen, wäre allerdings zu einfach. Die Unsicherheit, von der sie spricht, ist real.

„Wir brauchen einen Plan“ hieß denn auch die Schlussfolgerung, auf die sich Ex-VW-Chef Herbert Diess, Siemens-Energy-Aufsichtsratsvorsitzender Joe Kaeser, der Handelsblatt-Journalist Julian Olk und Frau Thoma-Böck einigen konnten. Ein Plan gegen die Unsicherheit, eigentlich ein sehr deutscher Gedanke. Ein Plan der erklärt, wie das inmitten von lauter Krisen entstehende erneuerbare Energiesystem aussehen soll. Weil es nicht nur auf Physik, sondern auch auf Kommunikation und Vertrauen basiert.

Ob ein Plan dabei helfen kann, wissen wir nicht. Einen Versuch wäre es wert.

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29 Kommentare

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  • Da sollte Frau Thoma-Böck wohl einmal ein ernstes Wort mit ihrem Stromlieferanten reden - oder aber den Standort wechseln. Es gibt durchaus Gegenden in Deutschland, wo der Strom nicht bei jedem Blitzeinschlag ausfällt. An einer angeblichen "Energieknappheit" liegen die Stromausfälle jedenfalls mit Sicherheit nicht. Dass der Industriestrompreis in Deutschland im europäischen Vergleich besonders hoch ist, stimmt ebenfalls nicht. Sogar in der Schweiz ist der Strompreis in letzter Zeit stark gestiegen.

  • Lastunterbrechungen im Millisekundenbereich können grundsätzlich über Kondensatoren und Spulen überbrückt werden. Aber ich muss zugeben, dass die Umsetzung bei Wechselstromversorgung auch aufgrund der Notwendigkeit von Gleich- und Wechselrichtern ziemlich aufwendig ist.

  • Gegen Stromausfälle im Millisekunden bis Minutenbereich gibt es USV-Systeme, gegen längere Stromausfälle Generatoren. Die wären allemal günstiger als mehrere Stundenlange Produktionsausfälle.



    Trotzdem stimmt es, dass die aktuelle Stromversorgung immer mehr auf Kante genäht ist und es so nicht mehr lange gut gehen kann.



    Wir hier in einem kleinen Ort haben laut Stromversorger nicht die Infrastruktur, dass viele Häuser auf Wärmepumpe und/oder E-Auto Ladeboxen umstellen könnten, weil die Leitungsquerschnitte nicht ausreichend sind.

    • @Rudi Hamm:

      Schön dass der Versorger seine Schwäche wenigstens sieht.



      Was macht er denn dagegen?



      CDU unterstützen und Putin Fanboy werden?

  • Schade, dass kein Ingenieur eines Netzbetreibers der Dame antworten konnte, denn Schwankungen im Netz gibt es immer in den gesetzliche möglichen Toleranzen.



    Da muß die Firmenchefin selbst für Abhilfe im Unternehmen sorgen.



    „Oder mit der Firma in andere Länder umsiedeln, die allerdings wesentlich mehr Netzprobleme wie in Deutschland aufweisen“.



    Lanz ist ein Scharlatan.

    • @Tino Winkler:

      Sie sprach von Stromausfällen im Millisekundenbereich und nicht über Spannungsschwankungen im Bereich der definierten Toleranz.



      Das ist etwas grundsätzlich anderes.



      Stromausfälle im Millisekundenbereich können durch USV-Anlagen nicht kompensiert werden.



      Auch wenn sie nur kurz andauern, so können Sie bei Hochtechnologieprozessen erhebliche Schäden verursachen.

      • @Andere Meinung:

        "Stromausfälle im Millisekundenbereich können durch USV-Anlagen nicht kompensiert werden."

        Warum nicht? Gerade für IT-Systeme wird eine USV doch explizit empfohlen um Stromausfälle im Millisekundenbereich zu überbrücken. Bei größeren Anlagen könnte Ich mir vorstellen, dass die Stromstärke eines Akkus nicht ausreicht, aber grundsätzlich ist eine USV doch die genau richtige Wahl um einem Stromausfall vorzubeugen.

        Ich arbeite als Techniker im Krankenhaus und neben der Notstromversorgung per Dieselgenerator haben wir auch USVs an den IT-Systemen und keine Probleme mit Wischern. Ein Stromwischer hat mal den Netzwerkhub auf einer Station gekillt was zu einem Ausfall der zentralen Überwachung geführt hat. Aber seitdem der ebenfalls an einer USV hängt, gab es keine Probleme mehr.

        • @Hauke:

          Das ist auch Quatsch, das USVs nichts bringen. Für so hochsensible Anlagen gibts Extra Online USVs. Man muss schon die Richtige USV kaufen da USV ungleich USV ist.

  • Solardachpflicht für Gewerbeimmobilien!

    • @Pele :

      Solardachpflicht für kommunale Immobilien!

    • @Pele :

      Gewerbeimmobilien sind gerade im Flächenfraß-Umland-Gewerbegebiet künstlich zu billig zu bekommen - entsprechend verschwenderisch ist leider der Umgang damit.

      Aus wirtschaftlichen Gründen aber bereits sollte (fast) jeder Großparkplatz und (fast) jede Immobilie sich Solar draufsetzen.



      Es darf dabei nicht am Anschluss scheitern wie heute oft noch. Das heißt Arbeit und Investition - falls Porsche-Christian mitlesen sollte.

    • @Pele :

      Was soll das bringen?

      • @Benzo:

        Strom.

        • @Pele :

          und Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit mit Stabilität

  • Wieder ein Beispiel für eine tendenziöse Sendung von Lanz? Warum Lanz als professioneller Talker trotz Vorgespräch mit seinen Gästen inhaltlich nicht nachfrägt ist schon beachtlich. Es scheint als ob diese Ungewissheit, wie im Artikel geschildert in der Sendung bewusst hervorgerufen wurde und so auch bewusst offen gelassen wurde.



    Eine Nachfrage beim Versroger vor der Sendung in der Form wie es die TAZ wohl gemacht hat, wäre ein professioneller Beitrag zur Stromversorgung in unserem Land gewesen. Aber das war wohl nicht beabsichtigt, oder es war mindesttens schlechter Journalismus, wie schon am Beispiel "Bild" zu erkennen.

  • Es wäre wirklich interessant mal zu erfahren, woran zum einen die Schwankungen liegen und warum das solche Einflüsse auf die Anlagen hat. Vielleicht verlässt man sich auch zu sehr auf eine Versorgungssicherheit, die unabhängig von der Energieerzeugung überhaupt nicht ernsthaft sicher gestellt werden kann, wenn es hier um Ausfälle im Millisekundenbereich geht.



    Man kennt ja die Beispiele aus der Vergangenheit, wo die Managementkoryphäen der deutschen Industrie gern gezeigt haben, dass sie alles bis zur kompletten Sinnentleerung auf die Spitze treiben konnten. Bei der "Lean Production" war man ja auch so stolz, dass man die Lager auf die Landstraße verlagert hatte und hat dann dumm geguckt, wenn wegen Verkehrsbehinderung dann Teile fehlten und die Bänder still standen.



    Ist hier vielleicht ähnlich, alles Hochtechnologie mit 5G vernetzt aber kein Absicherung gegen Schwankungen im Netz.



    Großverbraucher werden ja auch bei Versorgungsengpässen vom Netz genommen und anschliessend entschädigt, den Deckel zahlen wir alle über den Strompreis.

    • @Axel Schäfer:

      auch wenn es lngsam Mühsam ist: es geht nicht um Schwankungen im Netz sondern um Stromausfälle im Millisekundenbereich.



      Das ist etwas grundleged anderes und kann durch USV-Anlagen beim Verbraucher nicht kompensiert werden!

      • @Andere Meinung:

        Einfach nicht richtig. Für besonders sensible Systeme gibts extra Online USVs. Dann sollte man sich schon die richtige hinstellen und nicht die Billigste.

      • @Andere Meinung:

        Wenn man nicht die absolut billigen Netzteile verwendet, sind Netzausfälle im Millisekundenbereich nicht das geringste Problem.

        Und natürlich sind USV Anlagen dazu da, Netzausfälle, auch längere, aufzufangen. Dazu werden sie eingebaut.

        Und es funktioniert auch in den hunderten Anlagen, die unsere Firma schon errichtet hat.

    • @Axel Schäfer:

      Ich arbeite an einer Anlage, die relativ empfindlich auf Stromschwankungen reagiert (Metallbearbeitung). Wenn es hier Ausfälle gibt, ist entweder meist ein Unwetter oder ein Bagger schuld, nur einmal hatte der Versorger Probleme mit einem Umspannwerk. Bei Gewitter wird halt die Anlage angehalten, um eben Schäden zu vermeiden.



      Wenn ein Stromausfall unerwartet auftritt, bleiben die meisten Maschinen im Eingriff stehen, es dauert ewig, alles freizufahren und unter ungünstigen Umständen gehen auch Werkzeuge zu Bruch.



      Übrigens ist hier nichts mit 5G vernetzt, da klemmen überall noch gute alte Kabel dazwischen.

      • @Wurstfinger Joe:

        PS: Natürlich steigen bei diesen Mini-Stromschwankungen nicht die Antriebe der Maschinen aus, die kurze Störung der Kommunikation zwischen Steuerung und Maschine verursacht den Ausfall.

        • @Wurstfinger Joe:

          Warum haben denn diese Teile der Maschinen keine USV? Wenn ich Ihre Schilderung so lese, hat sich der Mehrpreis schon mit einem vermiedenen Ausfall schon mehr als amortisiert...

          • @TheDigit:

            Natürlich zu teuer, genau wie die Klimatisierung einiger Bereiche. Sowas kommt ja auch viel zu selten vor. 😂

  • Energie einsparen oder sogar flexibel werden, um Spitzen und Dellen auszugleichen - das würden Unternehmers tun.



    Andere jedoch jammern und versuchen wie Lindner vom Staat zu leben.

    • @Janix:

      Kann man ja machen, aber dann schreien die Gewerkschaften über veränderte Arbeitszeiten ( bspw von 14-22 Uhr)

    • @Janix:

      In der Industrie ist wenig mit Spitzen und Dellen ausgleichen. Da muss die Energie dann da sein, wenn sie gebraucht wird. Es gibt ein Haufen Prozesse (Metallverarbeitung fragen), die nicht so schnell und einfach unterbrochen werden können.

    • @Janix:

      Vielleicht in einer perfekten Welt. Alles andere hiesse nun eben zunächst mal zusätzliche Aufwände und Kosten, wohlgemerkt neben den ohnehin hohen (nicht nur) Energiepreisen. Und dann muss man schon mal weiterdenken, Stichwort Wettbewerbsfähigkeit, nur mit so'nem Schlauspruch wird man dem nicht gerecht. Es stellte sich viel mehr gleich wieder die Frage, wie nachhaltig oder realistisch es überhaupt sein kann, bestimmte Industrien unter ausgerechnet diesen Bedingungen vor Ort zu betreiben und zu erhalten, sprich die Standortfrage. Das ist eine ganz andere aber es ist die wohl eigentliche wesentliche. Sehen zumindest'n auch paar Wissenschaftler so wo sie unabhängiger sind, aber in der Politik natürlich weniger opportun und dem hypothetischen Schlachvieh muss man damit schon gar nicht kommen. Das Pferd kann eben nur einen Trick, aber dafür braucht es ne riesen Weide und reichlich Futter, das ist euer Problem. Und "flexibel werden" ist dann mal gut. Für mich ist es nur'n weiteres Rätsel um und Fragezeichen hinter dieser sog. deutschen Energiewende, also dass man und ziemlich unisono A sagt, aber (schon) B kommt irgendwie nicht mehr. Man dies und jenes ja so wollen und auch so und so machen, aber dann muss man eben auch entspr. Schritte nachvollziehen und das hiesse hier nicht viel weniger als sich volkswirtschaftlich neu zu erfinden. Davon erkenn ich wenig. Genau solche Diskussionen und dass man's auch hier noch aufgreift, zeigen ja dass man's gar nicht will. Oder nicht mal die Notwendigkeit begreift.

    • @Janix:

      Wie wahr!

    • @Janix:

      Und andere Unternehmen verlassen das untergehenden Schiff Deutschland. Hätte nie gedacht, dass man Wirtschaftspolitik noch schlechter machen kann als unter Altmeier. Habeck machts möglich.