Zweites Aus für die Solarindustrie: Die ideologischen Totengräber

Deutschland steckt Unsummen in die Chipindustrie und die Produktion von E-Auto-Batterien. Die Modulproduktion hingegen geht leer aus und zieht ab.

Eine Mitarbeiterin begutachtet in der Endkontrolle einer Produktionslinie für Solarmodule im Werk der Meyer Burger Technology AG in Freiberg ein Solarmodul

Meyer Burger schließt sein Werk in Freiberg und stellt die Produktion von Solarmodulen in Deutschland ein Foto: Hendrik Schmidt/dpa

Im sächsischen Freiberg erleben manche gerade ein trauriges Déjà-vu: Nach 2017 wurden hier am Dienstag zum zweiten Mal Kündigungen für Angestellte der Solarfabrik verschickt. Es war die größte Modulproduktion Europas, aber sie „rentierte“ sich nicht mehr. Das Drama des Niedergangs der vor allem ostdeutschen Photovoltaikindustrie von vor nicht mal 10 Jahren wiederholt sich gerade im Kleinen erneut.

Der Schweizer Konzern Meyer Burger hat soeben 400 Angestellte in Freiberg gefeuert, ähnliches droht bei Solarwatt in Dresden oder bei der Glasmanufaktur Brandenburg in Tschernitz. Der Solarkahlschlag ist absurd: Die Branche boomt und wird weiter boomen – plus 40 Prozent mehr Kapazitäten wurden allein im vergangenen Jahr installiert. Aber die meisten Anlagen werden hochsubventioniert in China hergestellt und hier zu Kampfpreisen auf den Markt geworfen.

Meyer Burger ist auch nicht etwa pleite, sondern verlagert seine Modulproduktion in die USA, weil dort üppig Subventionen fließen. Und in Deutschland? Regieren die ideologischen Totengräber. Die FDP fürchtet, Subventionen fürs Solare wären ein Fass ohne Boden. Dabei blendet sie aus, dass die Geopolitik nicht nur die Diplomatie, sondern längst auch die Globalisierung bestimmt. Wer soll die Panels für die Energiewende bauen, wenn die EU China wegen seines Überfalls auf Taiwan streng sanktioniert?

Oder wenn wir aus Übersee keine Anlagen mehr bekommen, weil US-Präsident Donald Trump einen Handelskrieg mit Europa angezettelt hat? Weshalb Bund und Länder dem schwedischen Konzern Northvolt soeben 900 Millionen Euro Mitgift für den Bau einer neuen Batteriefabrik für E-Autos in Schleswig-Holstein spendiert haben und dem US-Konzern Intel sogar 10 Milliarden Euro für eine neue Chipfabrik in Sachsen-Anhalt geben wollen, der Solarbranche aber Hilfe verweigern, ist ein Rätsel, das Christian Lindner kaum auflösen kann.

Ungeahntes kann plötzlich Realität werden

Dabei geht es um anfangs nur rund 40 Millionen Euro für den „Resilienzbonus“, also Zuschüsse bei der Einspeisung von Anlagen aus europäischer Produktion. Das Nein des FDP-Chefs lässt nur einen Schluss zu: der sozial-ökologische Umbau ist ihm schnurz. Tatsächlich spekuliert die Bundesregierung darauf, im Fall des Falles müssten eben fix neue Solarfabriken in Deutschland oder Europa entstehen.

Wie fatal sich Knappheiten auswirken, hat sich bei den diversen Lieferkettenproblemen bei Medikamenten, Autobauteilen oder Computerchips in den vergangenen Jahren gezeigt. Es ist eine Zeit, in der Ungeahntes brachial plötzlich Realität werden kann. All das heißt nicht, dass der Westen ökonomisch komplett autark sein muss. Aber doch bitte auch nicht komplett blank.

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Ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt. Er hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz.

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