Keine Gedenkfeier für die Opfer von Hanau

Am 19. Februar 2020 erschoss ein Rassist in Hanau zehn Menschen. Stadt und Land wollen des Anschlags diesmal nur still gedenken. Opferangehörige sind irritiert

Im Treffpunkt der Initiative 19. Februar in Hanau stehen die Schilder mit den Bildern und Namen der Anschlags­opfer für die Demo bereit Foto: rheinmainfoto/imago

Von Konrad Litschko

Zum vierten Mal jährt sich in diesem Jahr der Anschlag von Hanau: Am 19. Februar 2020 hatte ein Rassist erst in der Stadt neun Menschen und anschließend zu Hause seine Mutter erschossen. Doch diesmal organisieren die Stadt und das Land keine Gedenkfeier, und Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) wird, nach bisherigem Stand, nicht anreisen. Veranstaltet wird nur ein stilles Gedenken auf dem Hauptfriedhof.

Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) und Hessens neuer Vizeministerpräsident Kaweh Mansoori (SPD) werden Kränze niederlegen. Reden sind nicht vorgesehen. Wieder anreisen will Nancy Faeser (SPD). Dies sei der Bundesinnenministerin wichtig, erklärte ein Sprecher. Im vergangenen Jahr waren mehrere Hundert Menschen zur öffentlichen Gedenkfeier gekommen. Auf dem Hanauer Marktplatz vor dem Rathaus war eine Bühne aufgebaut, neben Faeser kam damals auch Ministerpräsident Rhein.

Bei einigen Angehörigen der Anschlagsopfer sorgt das Vorgehen für Befremden. „Dass die Stadt und das Land dieses Jahr keine Gedenkfeier veranstalten wollen, ist schon irritierend“, sagte Çetin Gültekin der taz. Sein Bruder Gökhan war am 19. Februar 2020 erschossen worden. EmişGürbüz, deren Sohn Sedat bei dem Hanau-Attentat starb, wird noch deutlicher. „Ich bin sehr enttäuscht“, sagte sie. „Die Stadt sollte sich schämen, das ist wirklich eine Schande.“ In Hanau seien neun Menschen ermordet worden, so Gürbüz, ein stilles Niederlegen von Blumen werde dem nicht gerecht. „Wir sollten bestimmen, wer kommt und wie es organisiert wird, aber leider ist es wieder nicht so“, kritisierte sie.

Ein Sprecher der Stadt erklärte auf Nachfrage, dass es durchaus Absprachen mit Angehörigen gegeben habe. Dabei sei es ein „ausdrücklicher Wunsch“ gewesen, dass es in diesem Jahr beim stillen Gedenken keine politischen Reden gebe. Zudem werde es viele weitere Aktionen rund um den 19. Februar geben, etwa Lesungen, Andachten oder eine Theateraufführung. Hintergrund des stillen Gedenkens ist aber wohl auch, dass im vergangenen Jahr Opferangehörige bei der offiziellen Gedenkfeier Polizei, Ministerien und die Stadt auf der Bühne teils scharf kritisiert hatten. Sie hatten mangelnde Aufklärung und ausgebliebene Konsequenzen beklagt sowie die Weigerung, ein Denkmal für die Ermordeten auf dem zentralen Hanauer Marktplatz zu errichten. In der Stadtverordnetenversammlung war dies teils mit Unverständnis aufgenommen worden.

„Die Stadt sollte sich schämen, das ist eine Schande“

Emiş Gürbüz, Mutter des Anschlagsopfers Sedat Gürbüz

Einige Familienangehörige und die Initiative 19. Februar rufen derweil bundesweit zu einer Gedenkdemonstration am Samstag, 17. Februar, in Hanau auf. Die Opfer „fordern uns auf, den rassistischen Normalzustand im Alltag, in Behörden, Politik, Medien und in den Sicherheitsapparaten konsequent zu bekämpfen“, heißt es in ihrem Aufruf. Es sei „Zeit für lückenlose Aufklärung und konkrete Konsequenzen“.

Uneinigkeit gibt es zwischen Opferangehörigen und der Stadt Hanau weiterhin auch über das geplante Mahnmal in der Stadt. Bereits Mitte 2022 war ein Entwurf dafür ausgewählt worden – ein Halbrund, das die Namen der Mordopfer zeigen soll. Die Angehörigen wollen das Denkmal auf dem Hanauer Marktplatz sehen. Oberbürgermeister Kaminsky und die Stadtverordnetenversammlung schlagen einen Platz weiter westlich vor, vor dem geplanten Zentrum für Demokratie und Vielfalt. Dieser liege zwischen den beiden Tatorten und könnte mit einer Umbenennung in „Platz des 19. Februar“ die Erinnerung unterstreichen, erklärte ein Sprecher der Stadt. Auch würden sich inzwischen nicht mehr alle Hinterbliebenen einzig für den Marktplatz aussprechen.