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Batteriefabrik in Schleswig-HolsteinVabanquespiel Energiewende

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Die Northvolt-Batterienfabrik wird gebaut. Die Entscheidung fiel knapp aus. Dabei sind grüne Investitionen stets ein Gewinn – ökologisch und ökonomisch.

Die Batteriefabrik kann gebaut werden, der Bürgermeister Kai-Uwe Evers (li) und der Landrat Stefan Mahrdieck wirken erfreut Foto: Christian Charisius/dpa

G erade mal ein Gemeinderatsmitglied Mehrheit. Mit knäpplichen drei zu vier Stimmen entschied sich die oberste Vertretung des 260-Seelen-Ortes Norderwöhrden dafür, eine der größten Industrieansiedlungen Schleswig-Holsteins anzunehmen. Der schwedische Batteriehersteller Northvolt will 4,5 Milliarden Euro im Norden ausgeben, 3.000 neue Jobs sollen entstehen. Und in Brüssel, Berlin und Kiel wurde hörbar aufgeatmet.

Schließlich hat „nur“ eine Person, wahrscheinlich kein ausgewiesener Energiewende-Experte, den Ausschlag gegeben. Das ist wahrlich keine Kritik an der Demokratie – auch nicht an der in kleinen Gebietskörperschaften oder an der auf dem platten Land. Der Vorgang zeigt aber einmal mehr, wie wackelig die Bekämpfung des Klimawandels sein kann – und dass es keineswegs einen breiten gesellschaftlichen Konsens dafür gibt.

Was im Norden der Wunsch nach weiter unbebauter Landschaft, ist beim 49-Euro-Ticket die Antiklimapartei FDP: Die Liberalen in Person von Verkehrsminister Volker Wissing sind sich nicht sicher, dass die Bundesmittel für den Fahrschein mit seinen gut 10 Millionen Nut­ze­r*in­nen gut angelegt sind. Zwar konnten sich die Länder gerade darauf einigen, den Preis für 2024 stabilzuhalten. Was das Erfolgsticket danach kostet, ist aber unklar. Dabei wäre eine Preisgarantie für viele ein Kaufargument – und ein Grund, das Auto abzuschaffen.

Wohlstand und Öko-Benefit in einem

Noch ein Beispiel dafür, wie uneindeutig der Ausgang der Energiewende ist: die Subventionen, ohne die der Photovoltaikhersteller Meyer Burger nicht mit seinen 500 Mitarbeitern in Sachsen bleiben will. Dabei ist klar, dass im Fall eines Wirtschaftskonflikts mit China diese Module schwerer beschafft werden können. Aber die Bundesregierung zögert mit Subventionszusagen.

Eigentlich sind alle für die Energiewende – aber im Detail ist sie immer wieder ein Vabanquespiel. Dabei sind grüne Investitionen stets ein Gewinn: In Sachsen und beim 49er-Ticket muss noch Geld fließen, in Schleswig-Holstein wird sich bald zeigen, dass die Energiewende Wohlstand plus Öko-Benefit bringt.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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14 Kommentare

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  • Fortschritt kann man nicht mit Dauerbedenkenträgern machen, Fortschritt braucht Wille und auch den Mut, mal in eine falsche Straße einzubiegen.



    Wenn ich die Bedenken derer lese die grundsätzlich gegen Elektroautos sind, denke ich immer an Kaiser Wilhelm der II:



    «Ich glaube an das Pferd, das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.»

    Ja, ich fahre ein E-Auto, und ich habe es zu 87% vom Strom meines PV-Daches geladen.



    Nein, ich werde nie wieder einen Verbrenner kaufen.



    Nein, ich werde nicht zum ÖPNV-Fahrer, denn der taugt hier auf dem Land leider gar nichts. Und bei diesen Regierungen (Vorgänger eingeschlossen) wird das auch in 10 Jahren noch nichts taugen.

    • @Rudi Hamm:

      "Ja, ich fahre ein E-Auto, und ich habe es zu 87% vom Strom meines PV-Daches geladen."



      Hätten Sie Ihren PV-Strom ins Netz eingespeist, dann hätten Sie im Stromsektor CO2 eingespart. Und zwar ziemlich genau jene Menge, die Sie mit Ihrem E-Auto gegenüber einem Verbrenner im Verkehrssektor eingespart haben; die Klimawirkung des E-Autos ist ungefähr... Null.



      Das hat nichts mit "Bedenken" zu tun, das ist Physik.

  • 9G
    94799 (Profil gelöscht)

    Die aktuelle eAuto Batterieproduktion-Begeisterung würde nur Sinn machen wenn alle e-Autos mit Wechselbatterien ausgestattet sind und entsprechende Wechselstationen existieren.



    Ansonsten, wo bleibt die Entwicklung und Förderung von "Brennststoffzellen" für eAutos?



    Ich werde den Verdacht nicht los die Autoindustriebosse setzen bewusst auf fest eingebaute Batterien weil sie dann, wenn Brennstoffzellen-Systeme sinnvoller werden und/oder Batteriewechselsysteme, den Autofahrern im giganten Umfang wieder neue eAutos verkaufen können und die gebrauchten Festbatterie-eAutos vom Markt verschwinden weil die keiner mehr haben will - Verschwörungstheorie?

  • Glaubt ihr wirklich, die anderen lassen sich für immer nach Ruanda, in die Türkei - ach so, der Mond wird jetzt modern, entschludrigung - schicken lassen?



    Ich hoffe, ihr verbrennt euch daran schleunigst und ordentlich die Finger, denn nur gebranntes Kind scheut Feuer.

  • Solang es elektrisch ist, ist alls toll, weil weder der Strom, noch die Batterien, etc. in der Nähe (wenn, dann sieht es schon anders aus) produziert werden, wir weiter Panzer, genannt SUV, fahren können, und der Energiehaushalt ist uns ja schließlich, dumm wie wir sind und noch nicht in Mal den andren Rand vom Teller sehen, sowieso egal, solange ihn die anderen zahlen. Geht's noch!

  • "Dabei sind grüne Investitionen stets ein Gewinn: ...beim 49er-Ticket muss noch Geld fließen..."



    Irgendwie scheint dem Autor der Unterschied zwischen "Investition" und "laufende Ausgabe" nicht ganz klar zu sein.

  • "Dabei ist klar, dass im Fall eines Wirtschaftskonflikts mit China diese Module schwerer beschafft werden können."

    Erstens will Meyer-Burger nicht nach China sondern nach USA auswandern. Zweitens ist die deutsche Solarmodulfertigung völlig von ihren chinesischen Zulieferern für Wafer abhängig. Im Falle eines Wirtschaftskonflikts mit China ist da so oder so Ende, da macht der Standort der Endfertigung keinen Unterschied.

    Drittens ist auch insgesamt egal weil wir für Photovoltaik sowieso 100% Backup brauchen (nachts, Winter, ...) und die Solarzellen nicht ihren Betrieb einstellen sondern nur nicht mehr ausgebaut werden können.

  • Herr Schöneberg, da machen sie es sich aber leicht mit ihren Aussagen.

    "Dabei sind grüne Investitionen stets ein Gewinn – ökologisch und ökonomisch."

    Undifferenzierter geht es wohl kaum.

    Die Gemeinde hat 260 Einwohner. Bisher gibt es da vermutlich wenig Verkehr, kaum Lärm, kein Gerangel um Wohnraum.

    Ob 3000 täglich anfahrende Mitarbeiter ein ökologischer Gewinn sind, hängt vermutlich davon ab, wie die zum Arbeitsplatz gelangen. Eine Batteriefabrik ist ein großes Chemiewerk mit allen Abfällen, Abwasserproblemen und Risiken. Auch das könnte man anders klassifizieren, als es steten ökologischen Gewinn zu nennen.

    Eine solche Fabrik bedeutet erstmal viele Bautätigkeiten, viel verbrauchter Beton, viele Baustellenfahrzeuge. Auch da kann ich die Anwohner gut verstehen, wenn sie das ganauer betrachten. Ich vermute sie als Autor wohnen in Berlin, und freuen sich über die Opfer, die die Menschen auf dem Land für den ökologischen Fortschritt und ihr gutes Gewissen bringen. Die Menschen vor Ort sehen das offensichtlich nicht ganz so optimistisch.

    Ob das wirtschaftlich ein Erfolg wird, wird sich erst nach längerer Zeit zeigen.

    Ich bleibe dabei, von einem Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt erwarte ich eine differenziertere Betrachtung, und nicht einfach einen Satz wie: "Dabei sind grüne Investitionen stets ein Gewinn – ökologisch und ökonomisch."

    Wenn dem so wäre, gäbe es schon aus dem Renditeinteresse der Anleger erheblich mehr grüne Investitionen. Wobei mir der Begriff grüne Investitionen missfällt, da er erstens nicht ideologiefrei ist, und zweitens leider nicht definiert ist, was denn eine grüne Investition sein soll. Gehören da auch die LNG Investitionen des grünen Wirtschaftsministers dazu. Besser (wenn auch nicht eindeutiger) wäre wohl ökologische und sozialverträgliche Investitionen.

    • @Torben2018:

      Die Fabrik wird östlich von Norderwöhrden in Richtung Lohe-Rickelsdorf gebaut.



      Der Stadtkern von Heide mit immerhin 22.000 Einwohnern liegt nur 5km von Norderwöhrden entfernt, ebenfalls im Osten.



      Es gibt zwei Autobahnanschlussstellen in direkter Nähe.



      Es wird also nicht ein einziger Arbeiter dieser Fabrik durch Norderwöhrden fahren - außer vielleicht mal an den Strand nach Büsum, denn sonst gibt es westlich von Norderwöhrden nichts.

      • @Stefan Wunder:

        Danke für den Hinweis.

  • 4G
    48798 (Profil gelöscht)

    Ja, es ist ein peinlicher Vorgang, das man grüne Infrastrukturprojekte auf diese Art und Weise behandelt.



    Damit gibt sich Deutschland international der Lächerlichkeit preis.

    Nicht unbedingt ein gutes Signal für Investoren, die in sich Konkurrenz zu den USA hier niederlassen wollen.

    Bei den LNG-Anlagen in Brunsbüttel und Lubmin hat man lokale Proteste interessanterweise ignoriert bzw Zwangsmaßnahmen wie Enteignungen durchgeführt.



    Für die Durchsetzung klimaschädlicher fossiler Projekte überläßt auch ein grüner Minister lieber nichts dem Zufall.

  • Im Falle einer bes Konfliktes mit China wird es nicht weniger sondern gar keine Module mehr aus China geben. In Deutschland hat man den Schuss nicht gehört. Das wird man anderen Produkten wie Akkus genauso so sein. Übrigens kommen ja auch viele vorprodukte für Akkus aus China.

  • "Dabei sind grüne Investitionen stets ein Gewinn: In Sachsen und beim 49er-Ticket muss noch Geld fließen, in Schleswig-Holstein wird sich bald zeigen, dass die Energiewende Wohlstand plus Öko-Benefit bringt."

    Das ist ja so populistisch falsch, daß sich mir die Fußnägel kräuseln: Da wird "Geld fließen" mit "Subvention" und "Investment" durcheinandergewürfelt. Und der Autor war mal bei der Financial Times Deutschland? Die war sicher auch ein tolles Investment, bevor sie eingestellt wurde.

    • @GregTheCrack:

      In der Tat, was für ein plattes und falsches Statement. Autor scheint noch nie zB von der Pleite vonConergy



      gehört zu haben mit Millionen Verlusten



      für Banken und Anleger oder anderen



      „grünen“ Investitionen, wo nur die



      „story“ plausibel klang, der „ÖKO-Benefit“ und erst recht der Gewinn ausblieb.