China-Strategie der Bundesregierung: Weg von der Naivität

China hat sich unter Staatschef Xi Jinping ­nicht nur fundamental gewandelt, es ist auch zum Risiko geworden. Darauf reagiert endlich die deutsche Politik.

Der chinesische Präsident Xi Jinping ist auf einer Werbetafel zu sehen

Der Kurs von Staatschef Xi Jinping ist vor allem für China gefährlich Foto: Mark Schiefelbein/ap

Zynisch betrachtet kann man behaupten: Berlin probiert sich beim neuen Umgang gegenüber Peking an der Quadratur des Kreises. Es ist nämlich ein schmaler Grat zwischen der Kritik an Chinas Menschenrechtsverletzungen, der Diversifizierung von Lieferketten und dem gleichzeitigen Wunsch, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Volksrepublik dennoch weiter auszubauen.

Doch die scheinbaren Widersprüche zeigen vor allem auf, dass es bei den Beziehungen zu China eben keine einfachen Antworten oder Schwarz-Weiß-Lösungen gibt. Die Politik muss einen Mittelweg finden, der sowohl die Interessen der Unternehmen berücksichtigt als auch auf die Forderungen der Zivilgesellschaft eingeht – und gleichzeitig die nationale Sicherheit langfristig im Blick behält.

Insofern ist die erste China-Strategie der ­Bundesregierung ein realistischer Kompromiss. Er macht deutlich, dass die Naivität der Merkel-Jahre im Umgang mit China endgültig vorbei ist – nicht so sehr, weil die Strategie der ehe­maligen ­Bundeskanzlerin fundamental falsch war. Vielmehr jedoch hat sich die Volksrepublik in den vergangenen zehn Jahren unter Xi Jinping ­fundamental gewandelt: repressiver ist sie ge­worden, aggressiver auf der internationalen Bühne und nicht zuletzt auch ideologischer.

Dieser Wandel wird nun von der Politik in einen strategischen Rahmen gesetzt. Verursacht wird er jedoch vor allem auch von der nachlassenden Attraktivität des chinesischen Marktes. Jahrzehntelang war das Reich der Mitte eine regelrechte Goldgrube, was auch dazu geführt hat, dass man bei kritischen Fragen schnell mal ein Auge zudrückte. Doch unlängst hat der 70-Jährige Staatschef Xi sein Land zum wirtschaftlichen und politischen Risiko gemacht: indem er sich nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine demonstrativ an die Seite Wladimir Putins stellte. Indem er den wirtschaftlichen Reformkurs seiner Vorgänger stoppte. Und nicht zuletzt, indem er mit seiner Kontrollwut eine flächendeckende Paranoia gegen­über dem Westen etablierte.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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