piwik no script img

China-Strategie der BundesregierungWeg von der Naivität

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

China hat sich unter Staatschef Xi Jinping ­nicht nur fundamental gewandelt, es ist auch zum Risiko geworden. Darauf reagiert endlich die deutsche Politik.

Der Kurs von Staatschef Xi Jinping ist vor allem für China gefährlich Foto: Mark Schiefelbein/ap

Z ynisch betrachtet kann man behaupten: Berlin probiert sich beim neuen Umgang gegenüber Peking an der Quadratur des Kreises. Es ist nämlich ein schmaler Grat zwischen der Kritik an Chinas Menschenrechtsverletzungen, der Diversifizierung von Lieferketten und dem gleichzeitigen Wunsch, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Volksrepublik dennoch weiter auszubauen.

Doch die scheinbaren Widersprüche zeigen vor allem auf, dass es bei den Beziehungen zu China eben keine einfachen Antworten oder Schwarz-Weiß-Lösungen gibt. Die Politik muss einen Mittelweg finden, der sowohl die Interessen der Unternehmen berücksichtigt als auch auf die Forderungen der Zivilgesellschaft eingeht – und gleichzeitig die nationale Sicherheit langfristig im Blick behält.

Insofern ist die erste China-Strategie der ­Bundesregierung ein realistischer Kompromiss. Er macht deutlich, dass die Naivität der Merkel-Jahre im Umgang mit China endgültig vorbei ist – nicht so sehr, weil die Strategie der ehe­maligen ­Bundeskanzlerin fundamental falsch war. Vielmehr jedoch hat sich die Volksrepublik in den vergangenen zehn Jahren unter Xi Jinping ­fundamental gewandelt: repressiver ist sie ge­worden, aggressiver auf der internationalen Bühne und nicht zuletzt auch ideologischer.

Dieser Wandel wird nun von der Politik in einen strategischen Rahmen gesetzt. Verursacht wird er jedoch vor allem auch von der nachlassenden Attraktivität des chinesischen Marktes. Jahrzehntelang war das Reich der Mitte eine regelrechte Goldgrube, was auch dazu geführt hat, dass man bei kritischen Fragen schnell mal ein Auge zudrückte. Doch unlängst hat der 70-Jährige Staatschef Xi sein Land zum wirtschaftlichen und politischen Risiko gemacht: indem er sich nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine demonstrativ an die Seite Wladimir Putins stellte. Indem er den wirtschaftlichen Reformkurs seiner Vorgänger stoppte. Und nicht zuletzt, indem er mit seiner Kontrollwut eine flächendeckende Paranoia gegen­über dem Westen etablierte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • Das ist/war doch klar: Wenn viele Investoren Huckepack mit der chinesischen Regierung ihre Produktion verlagern, um am chinesischen Export teilhaben zu können, stellt sich schon die Frage, ob die Wertschöpfung der Verliererländer dann noch ausreichen kann, die chinesischen Exporte bezahlen zu können. Auch umgekehrt: Wenn jetzt elektronische Bauteile jetzt auch in Europa zur Erreichung einer Unabhängigkeit hergestellt werden sollen, woher kommen die Rohstoffe und wie können die Produkte gegen die chinesische Konkurrenz auf dem Weltmarkt bestehen ? Wenn Ökonomen hierzulande Zweckoptimismus verbreiten, ist das für mich unglaubwürdig. Auch China, das jetzt schon unter der Krise der Bauindustrie und Arbeitslosigkeit unter gut ausgebildeten Jugendlichen leidet, kann der kommenden Krise nicht entgehen, auch wenn sie inzwischen ein Zweckbündnis und Absprache mit der US-Wirtschaft (gegen die EU, die ja noch einen Krieg finanzieren muß) versuchen. Überkapazitäten und Preisverfall treffen zu allererst die größten Wirtschaftsräume, sie haben am meisten zu verlieren und sind letztlich unflexibler als geschlossene kleinere Märkte, das Ende der Globalisten kündigt sich an.

  • Und wieder China...zuletzt Russland. Und dann haben wir aber Staaten wie USA, wo es uns egal ist. Die uns auch abhören dürfen, wo wir Spionage in vielfältigerweise auch BELEGEN können und nichts passiert.

    Warum nicht alle mit einem Maß behandeln...es wäre so einfach. Aber das wollen wir nicht. Warum nur?

    • @Chris Ehl:

      Die USA hören uns ab, aber das tut zB auch Frankreich, und vermutlich dürfte selbst Norwegen in Deutschland geheimdienstlich tätig sein. Umgekehrt spioniert natürlich auch Deutschland in diesen Ländern.

      Der Unterschied ist, dass wir, anders als bei China und erst recht bei Russland, nicht davon ausgehen müssen, dass uns die USA, Frankreich oder Norwegen und wir ebenso diese Ländern nicht schwächen bzw. Schaden zufügen wollen. Keines dieser Länder ist für uns eine Bedrohung, ein Gegner oder Rivale.

      Es ist nun mal nicht egal, welches Land uns ausspioniert.

    • @Chris Ehl:

      Da deutsche Dienste auch Verbündete ausspionieren (in Dänemark ist das ja vor einiger Zeit aufgeflogen), ist das ein hohler Vorwurf weil Tagesgeschäft.

      Der Unterschied ist: die einen Staaten garantieren (noch) Deutschlands Sicherheit. Die anderen sind erklärter Maßen ein Gegner der liberalen Demokratie allgemien und Deutschlands im speziellen und unternehmen aktive Schritte gegen Deutschlands Sicherheit.

      Übrigens: gerade weil Deutschlands Außenpolitik unzuverlässig ist und dessen Sicherheitsbehörden so viele Lecks haben , wären die NATO-Verbündeten schön dumm, wenn sie nicht ein Auge auf Deutschland hätten.

  • Es ist eben nicht naiv mit China Handel zu haben und Waren zu beziehen. China ist das Land mit Zukunft. China wird für die USA als jenes Land auserkoren, dass es gilt klein zu halten, weil es jetzt schon in vielen Bereichen die USA von Thron gestoßen hat. Der Dollar ist nicht mehr die Leitwährung, viele Waren werden schon längst nicht mehr in Dollar abgewickelt und der SWIFT gerät ins Hintertreffen. Kurz: Der Einfuss der USA schwindet. Das finde ich gut. Die USA findet das nicht gut und tut eben alles, damit sie wieder Einfluss und damit Macht gewinnen. Dazu brauchen sie Unterstützer, die G7 tun das (noch), halbherzig und zögerlich. Nehmt doch zur Kenntnis, dass die Zeit der USA abgelaufen ist.

    • @uffbasse:

      "Das finde ich gut"

      Was soll daran gut sein?

      • @h3h3y0:

        Es ist für alle Länder, für alle Menschen gut, wenn nicht nur ein Land bestimmt was für uns alle gut ist, sondern die Menschen entscheiden das selbst, Außerdem ist es schlecht, wenn der Handel nur mit Dollar abgewickelt wird, das nützt nur den USA, den Rest der Menschheit nützt es nichts, es schadet nur.

        • @uffbasse:

          Inwiefern soll das für Menschen gut sein, wenn ein autoritäres Land wie China, wo die Menschen eben nicht selbst entscheiden können, bestimmt was gut sein soll?

    • @uffbasse:

      Alles was an den USA schlecht ist, ist an China noch schlechter.

      • @Chris McZott:

        Da sagen meine beruflichen Erfahrungen mit den USA und der VR China aber was völlig anderes. Chinas Aufstieg ist unaufhaltsam und auch redlich verdient.

  • Von China lernen, heißt siegen lernen. Bargeldverbot, dann hat man die Leite in der Hand. Dann wundert man sich, warum plötzlich Geld auf dem Konto fehlt, oder Überweisiungen plötzlich nicht mehr möglich sind. Also immer schön vorauseilend Gehorsam sein!

  • Zu den kritischen Anfragen der taz, die im Nachhinein fraglich sinnvolle aber sicher opportunistische Haltung des Kanzleramtes und des Außenministeriums zu beleuchten, kam von der Ex-BR bislang m.E. wenig transparent Konstruktives. Vielleicht hätte eine rechtzeitige 'Russland-Strategie' mit Einbindung der Opposition (hüben wie drüben) und kritischer Wissenschaftler:innen den Blick auf Risiken bei NordStream und weitere Prestige-Objekte durch mehr Expertise weniger verstellt. Die Abhängigkeit von russischen Lieferungen im Energiesektor war am Ende sprichwörtlich schicksalhaft. Insofern kann das aktuelle Projekt zur Neuausrichtung mit und auf China nur besser sein.



    //



    taz.de/Thomas-de-M...dpolitik/!5836767/



    //



    "Klar war immer, dass man eine richtige Mischung zwischen Abschreckung und Dialogbereitschaft braucht. Dass die Osteuropäer in besonderer Weise Sorge hatten, das wussten wir schon. Aber viele haben das als übertrieben wahrgenommen – als verständliche historische Ängste, die aber mit der Gegenwart wenig zu tun haben. Wenn man sagt: Wir haben die Aggressivität dieses Mannes falsch beurteilt, dann stimme ich zu. Aber das heißt nicht, dass die Politik der letzten 20 Jahre falsch war."

  • Industrieproduktion nicht mehr nach Konkurrenz, Absatzmassen und Veredelung orientieren, sondern nach Bedürfnisbefriedigung. Dann lässt sich auch die Abhängigkeit von Diktaturen und Rohstoffherrschern verringern.

    • @Land of plenty:

      "... sondern nach Bedürfnisbefriedigung. "

      Sicher doch. Mehr Toiletten, mehr Zucker und mehr Schnaps ! Industrie muss sich nach dem AltWeisswürstchenbürger richten!

  • Gegenüber der Abhängigkeit von chinesischen Rohstoffen und Waren ist/war die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas ein Witz.



    Wir sind auf Gedeih und Verderb von China abhängig.



    "Wir wollen und von China nicht abkoppeln..", sagte Frau Baerbock.



    Wir können und gar nicht abkoppeln, so abhängig sind wir schon.



    Wenn China uns nicht mehr beliefern sollte, bricht hier alles, wirklich alles zusammen, von Industrie über Chemie und Pharmazie, Maschinenbau, PKW, Elektronik..... alles.

    • @Rudi Hamm:

      ganz recht.



      mir wäre schon recht, wenn die abhängigkeit bezgl.medikamentenherstellung nicht bestünde. acc 600 (schleimlösung, für patientinnen wie mich sehrnnotwendig) derzeit nicht zu erhalten. abgesehen von allen anderen medikamenten ...



      nur mal so z.B.



      kuba hatte/hat 500 selbst hergestellte medikamente + kommt damit gut klar.



      wir? china-abhängigkeit, evtl.auchn vo indien, egal. lohngefälle wird ausgenutzt von unseren kapitalistInnen, zu unserem schaden. noch fragen????

    • @Rudi Hamm:

      Naja wenn man will einen EU weiten Plan hat kann man innerhalb weniger Jahre strategische Autonomie haben. China strebt auch danach die wollen autonom sein und rüsten auf. Europa sollte dem Beispiel folgen. Eine autonome Festung ist die beste Versicherung in stürmischen Zeiten.

    • @Rudi Hamm:

      Ei der Daus, so viel Expertise auf einem Haufen.



      Gott sei Dank liefert und China nicht wirklich viele unersetzliche Produkte. Während Covid hatten wir die Generalprobe und trotz Schmerzen ist nicht die ganze Wirtschaft stehen geblieben.



      Wenn China aufhört Europe und die USA zu beliefern kollabiert als erstes die chinesische Wirtschaft, da der Binnenkonsum zu schwach ist.

    • @Rudi Hamm:

      Kann nur zustimmen! Hoffentlich sieht das unsere aussenpolitische Frau auch so.