Unbeliebtheit der Ampel-Koalition: Negatives Anreizsystem
Bundesregierungen sind in der Mitte der Legislaturperiode meistens unbeliebt. Neu sind die Stärke der AfD und eine dauerblockierende FDP.
D ie Stimmung ist mies. In den Umfragen bekommt die Regierung 13 Prozentpunkte weniger als bei der Wahl. Es knirscht in der Koalition. Das war 2019 so. Die letzte Groko – die sich manche Vergessliche derzeit als Rettung herbeisehnen – war nach knapp zwei Jahren spektakulär unbeliebt. 2004 galt Rot-Grün als unpopuläre Chaos-Koalition. Auch die Kohl-Regierungen steckten nach zwei Jahren meist im Schlamm.
Kurzum: Die derzeitige Ampel-Krise ist keine Ausnahme, sie ist eher die Regel. In der Mitte zwischen zwei Wahlen ist das „Volk, der große Lümmel“ (Heinrich Heine) immer besonders schlecht gelaunt und ungnädig. Wer im Bund regiert, wird belächelt, gehasst, ignoriert. Es scheint eine Art Gesetzmäßigkeit zu sein.
Also alles normal? Muss man, wie es Kanzler Scholz sieht, gelassen auf die lange Linie schauen, vertrauen, dass sich die Affekte schon wieder dämpfen werden und das Urteil der WählerInnen am Ende gerechter und milder ausfallen wird?
Es gibt zwei Phänomene, die bei allen Ähnlichkeiten zu vergangenen Koalitionskrisen neu sind. Ein Fünftel würde derzeit AfD wählen. Das mag eine europäische Normalisierung, das Gros mögen ProtestwählerInnen sein. Doch Selbstberuhigung wäre fatal. Noch nie hielten so viele Deutsche rechtsextremen, xenophoben Provinzialismus für wählbar. Das ist ein Alarmsignal.
Die Ampel wirkt da nicht bloß ratlos. Sie ist für den AfD-Aufstieg mitverantwortlich. Das chaotisch inszenierte Heizungsgesetz ist Treibstoff für das Gefühl: Grüne, urbane Eliten wollen uns vorschreiben, wie wir zu leben haben. Den Grünen ist es nicht gelungen, zu verhindern, dass Klimaschutz zum Kulturkampf umdefiniert wurde.
Kulturkampf ums Heizen
Diesen Kulturkampf haben Bild und AfD, Union und FDP katalysiert. Die Vorlage dafür aber kam aus Habecks Ministerium, das mit handwerklichen Mängeln und Blindheit für sozialen Ausgleich den Boden dafür bereitete. Habeck & Co müssen daraus sehr schnell das Richtige lernen.
Das zweite Problem lautet: Die FDP lernt gerade das Falsche. Auch das Heizungsgesetz bekräftigt die Liberalen darin, die tapfere Opposition in der Regierung zu spielen. Eigene positive Ziele hat die FDP sowieso kaum. Damit ist in der Ampel ein negatives Anreizsystem etabliert, das die innere Zerstrittenheit auf Dauer stellt. Eine Regierung, die sich permanent selbst bekriegt, nutzt der rechten Opposition.
Im ersten Jahr schweißten Ukraine-Krieg und Inflation die Ampel eher zusammen. Jetzt treiben die Krisen sie auseinander. Ein Kanzler, der den Verdruss mit Achselzucken quittiert, die FDP, die auf die nächste Blockade wartet und Grüne, die sich sehr unverstanden fühlen, werden diese Dynamik nicht umkehren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies