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Diesel-Geständnis des Ex-Audi-ChefsEin Deal, aber keine Gerechtigkeit

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Ex-Audi-Boss Rupert Stadler hat im Abgas-Betrugsprozess ein Geständnis abgelegt. Der Deal zeigt, dass die deutsche Justiz wieder gescheitert ist.

Rupert Stadler im Gerichtsprozeß Foto: Matthias Schrader/dpa

Z wei Jahre Haft auf Bewährung und 1 Million Euro Strafe: Dazu wurde vor 14 Jahren der einstige Postchef Klaus Zumwinkel wegen Steuerhinterziehung verurteilt, ein ähnliches Strafmaß winkt nun Rupert Stadler, bis 2018 Audi-Boss. Beide haben gestanden. Zumwinkel damals seine Steuerhinterziehung, Stadler am Dienstag, dass er auch noch nach dem Auffliegen des „Dieselgates“ im September 2015 weiter Autos verkaufte, die so manipuliert waren, dass sie auf dem Prüfstand weniger Stickoxide ausstießen als auf der Straße.

Betrug durch Unterlassung wird es im wohl vergleichsweise läppischen Urteil gegen Stadler heißen, das bald erwartet wird. Der „Deal“ mit dem Gericht – Geständnis gegen milde Strafe – wird einen weiteren Beweis dafür erbringen, wie die deutsche Justiz bei der Aufarbeitung eines der größten Wirtschaftsskandale gescheitert ist.

Das zeigten schon die Strafverfahren gegen die VW-Vorstände Herbert Diess und Hans Dieter Pötsch, die gegen Geldauflagen eingestellt wurden. Auch der zusammen mit Stadler angeklagte Motorenentwickler Wolfgang Hatz kann nach seinem Geständnis mit Bewährung rechnen. Gegen viele Chefs von Mercedes, Porsche oder Bosch wurde ermittelt, dann aber wurden sie nicht angeklagt.

Deutsches Rechtssystem ahndet nicht adäquat

Millionenfacher systematischer Betrug und Kuschelstrafen – das passt aber nicht zusammen. Die deutsche Justiz setzt mit dem Stadler-Deal einen weiteren Haken in der unendlich zähen, für Umwelt und betroffene Kunden völlig unbefriedigenden Aufarbeitung einer der größten Wirtschaftsaffären der Nachkriegsgeschichte.

Die alte Linie der Volkswagen-Bosse, nicht sie, sondern ein paar subalterne Knallchargen hätten Dieselgate eingefädelt, bekommt so im juristischen Klein-Klein tatsächlich beinahe Recht. Nicht mal die Staatsanwaltschaft warf Stadler nach 30 Monaten Verhandlung noch vor, von allem gewusst zu haben. Dabei gilt Audi als Keimzelle des Skandals. Ein weiterer Skandal liegt darin, dass das deutsche Rechtssystem solche evident kriminellen Handlungen nicht adäquat ahndet.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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17 Kommentare

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  • Bodenlos.

    Zynisch könnteste wiedermal mit dem steinalten Juristensarkasmus antworten:



    ”Gerechtigkeit? Hier kriegens n Urteil • “

  • Bewährung ist immer so lustig, das heißt ja: "Aber in den nächsten zwei Jahren nicht nochmal von deinen Ingenieuren Abschaltvorrichtungen heimlich entwickeln und sie dann in großem Stil einbauen lassen, so dass du nichts davon weißt, aber es hättest wissen können."



    Alle anderen Vergehen fallen nicht unter "Bewährung", oder? Dann ist das Rückfallrisiko ja zum Glück gering und damit zugleich auch die Strafe.



    Über die Million brauchen wir nicht zu reden, Boni werden ja zum Glück unabhängig von Gesetzestreue bezahlt.

  • Sinn und Zweck eines Straftat-Geständnisses ist, die damit erwiesene Straftat bestrafen zu können.



    Stattdessen verwendet die deutsche Justiz Geständnisse zur Entwertung des Straftatbestandes de facto durch Zubilligung von Straf-Befreiung ins besondere für wirtschaftlich Privilegierte.

  • Die kurzen Szenen in den TV-Nachrichten sprechen für sich. Oder war ich der Einzige, der ein Grinsen Stadlers im Gerichtssaal wahrgenommen hat?



    Er hat die Folgeschäden des Betrugs billigend in kauf genommen: Ist da nicht noch Luft für Zivilklagen? Bei solcher Skrupellosigkeit fände ich das angemessen ...

    • @Christian Lange:

      Ein guter Manager muss man schon sagen.



      - aus Sicht von VW.

  • Die alte Wahrheit: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Schöne Gerechtigkeit.

  • Damit ist es jetzt amtlich: Die Kleinen henkt man.



    Die Großen lässt man laufen.

    Vivat Justitia !

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Die aktuell ebenfalls geständigen Räuber der sächsischen Kronjuwelen hinterlassen nach teilweiser Rückgabe wohl gemeinsam einen Schaden von etwa 90 Mio EUR und werden dafür vier bis sechs Jahre in Haft genommen.

    Der wirtschaftliche und Image-Schaden des Abgasbetruges dürfte vermutlich eher das 100fache (oder mehr?) betragen - also eben mal eine Bewährungsstrafe für den geständigen, verantwortlichen Exchef - der seine Bewährung kaum mit der gleichen Straftat verwirken wird.

    Der weltweite Glaube an die deutsche Ingenieurskunst ist damit bereits Geschichte, nun auch noch der an die Justiz.

    • @90118 (Profil gelöscht):

      Das Mehr an Gift im Abgas hat zu einigen tausend verfrühten Todesfällen geführt.



      Es wird geschätzt, dass allein in Europa allein Volkswagen für knapp 2000 Tote verantwortlich ist.

  • 1 Mio. Euro Strafe ist für Hrn. Stadler Portogeld. Vermutlich bezahlt er diese Straffe allein mit erhaltenen Bonizahlungen. So betrachtet ist das keine Strafe, sondern eine Entschuldigung der Justiz gegenüber Hr. Stadler, dass das Verfahren so lange gedauert hat und nicht schon viel früher der Deal vorgeschlagen wurde.



    Und da regen sich die Menschen auf wenn jemand die LG finanziell unterstützen will, bei der Finanzierung der Strafen. Gerichte tun das in sehr ähnlicher Weise. Ein Armutszeugnis unserer Justiz.

  • Nix neues. die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.



    Häufig gelingen die gerichtlichen Deals besser, sodass fast niemand mitbekommt, das nicht Recht gesprochen wurde, sondern windige Verhandlungen geführt wurden. Heisst ja auch Gerichts-Verhandlung!

  • Hat Deutschland echt nichts besseres zu bieten?

  • Justiz? Gescheitert?

    Das kommt natürlich darauf an, welches Massstab mensch so anlegt.

  • Vielleicht sollte man Stadler mit seinem "Geständnis" in Stadelheim festkleben...

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      Na Servus

      Genau Genau - FESTKLEBEN -



      Damit er nicht wie der Hoeneß Uli



      Schon nach 15 Monaten ins Freigängerhaus am Leronplatz verlegt werden kann! Wollnich.

      unterm—— Ja so sans —-



      “Hoeneß: Von der Luxuszelle in den Kloster-Knast?“



      www.tz.de/sport/fc...st-tz-3675082.html

      Na Mahlzeit

      • @Lowandorder:

        Na ja, "Bewährung" halt,



        muss er eben das Kloster wechseln um nicht als Wiederholungstäter erneut eingelocht zu werden...



        wie wär's mit Kloster Banz - zur Abwechslung?

        • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

          Ok Ok. Da bestand ja immer Erfahrung mit abgehalfterten voller Führungskräfteschweiß! Doch Doch! Kein 💩! - Zwar Perlen vor die 🐽! But.



          Mal so “Tom Pauls als `Schwarze Rose` im Zwinger Trio Historische Aufnahmen



          www.youtube.com/wa...N0ZXIgYmFueg%3D%3D



          Jungs laßt gehn “in luftiger Höhe über dem Kloster Banz!“ Danke immer wieder! Newahr.



          Normal Schonn! Woll