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Finanzstreit vor dem FlüchtlingsgipfelNicht an der Zukunft sparen

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Die Grünen stellen sich richtigerweise an die Seite der Kommunen. Leider sagen sie nicht, woher die zusätzlichen Bundesmittel kommen sollen.

Am 15. April läuft der letzte Sonderzug mit Geflüchteten aus der Ukraine in Laatzen ein Foto: Michael Matthey/dpa

F ür die Kommunen ist die Versorgung von Flüchtlingen eine immense Aufgabe. Mehr Hilfe bei der Finanzierung haben sie dringend nötig. Andernfalls fehlt das Geld für die übrigen staatlichen Aufgaben elementarer Art, die mit in ihre Zuständigkeit fallen – sei es bei Kinderbetreuung, Bildung, Verkehr, Kultur oder Wohnungsbau. Schon für sich genommen ist es bedenklich, wenn Gemeinden, Städte und Landkreise hier nicht liefern können. Sind Kürzungen in diesen Bereichen noch dazu die Folge steigender Flüchtlingszahlen, wird es besonders gefährlich: Rassistische Hetze trifft dann auf beste Ausgangsbedingungen.

Es ist daher richtig, dass sich die Grünen vor dem Bund-Länder-Treffen am Mittwoch positionieren und dabei nicht vor der nächsten Querele in der Ampel-Koalition zurückschrecken: In Abgrenzung zu sozialdemokratischen und liberalen Kabinettsmitgliedern fordern sie, dass der Bund künftig mehr bezahlt.

Unvollständig ist die Forderung dennoch: Woher genau die Mittel kommen sollen, verraten die Grünen höchstens auf Nachfrage. Dadurch gehen sie das Risiko ein, dass sich die Debatte über Kürzungen an anderen Stellen lediglich von der Ebene der Kommunen und Länder auf die des Bundes verlagert – und letztlich die Finanzierung grüner Projekte wie der Kindergrundsicherung noch wackliger wird.

Den Diskurs langfristig drehen

Dabei ließe sich am Beispiel der Flüchtlingskosten doch eigentlich einmal mehr aufzeigen, vor welchen riesigen Herausforderungen der Staat als Ganzes steht und wie dringend er die dafür nötigen Mittel generieren müsste. Neue Steuern oder weniger Subventionen sind gegen die FDP zwar schwer durchsetzbar; zumal SPD und Grüne sichtbar unfähig sind, innerhalb der Koalition Bündnisse gegen den kleineren Partner zu schließen.

Neben dem kurzfristigen Erfolg geht es manchmal aber auch darum, den Diskurs langfristig zu drehen. In diesem Fall: weg von der Erzählung, dass sich der Staat durch höhere Steuern zu Unrecht an Bür­ge­r*in­nen und Unternehmen bereichert – und hin zu der Erzählung, dass das Land seine großen Aufgaben nur gemeinsam bewältigen kann.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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10 Kommentare

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  • @DER CLEO PATRA

    - Erbschaftssteuer



    - Vermögenssteuer



    - Kilometerpauschale

  • 10 Prozent Inflation, demnächst vermutlich deutlich steigende Krankenkassenbeiträge, aufgezwungener Heizsystemtausch, etc etc. Da kommt es auf die ein oder andere Steuererhöhung auch nicht mehr an?



    Die schüren keine Ressentiments?

    Bin gespannt, wie hoch die Belastungen noch werden müssen, bis es zu Massenprotesten kommt.

  • An der Zukunft sparen? Zuerst sollte man die Bildung wieder auf Vordermann bringen, damit wir auch in Zukunft Menschen aus anderen Ländern helfen können. Deutschland hat nichts anderes als Leute mit guter Bildung (Ingenieure, Naturwissenschaftler, Sozialpädagogen, Gegderwissenschaftler rechne ich nicht dazu, da nicht wertschöpfend arbeitend), die auch einen industriellen Mehrwert erarbeiten. Wenn hier die Industrie infolge qualifizierter (!) Leute so langsam den Abflug macht, wird sie auch nicht mehr wiederkommen. Und dann gibt es nichts mehr zum Sparen.

    • 6G
      657969 (Profil gelöscht)
      @Leningrad:

      Danke für Ihren richtigen Kommentar.

  • Angesichts der hauchdünn hinter Belgien weltweit höchsten Abgabenlast auf Arbeitseinkommen, des ständigen Anschwellen des Staates bei immer schlechteren staatlichen Leistungen und der Abwehr jeder Maßnahe, die die obszöne Besserstellung der Beamten gegenüber produktiven Werktätigen irgendwie abmildern könnte... kann man sich solchen "Erzählung"-Quatsch eventuell verkneifen.

    • @Wurstprofessor:

      In Beligen werden höhere Netto-Renten bezahlt als in Deutschland.

      Wenn man das mit berücksichtigt, liegt Deutschland weit vorne bei der Abgabenlast. Sparen ist das Motto der Stunde, nicht noch mehr verbrassen und die Bürger dafür bluten lassen.



      Und weg mit dem Beamtenstatus. Österreich hat vorgemacht, dass das wirtschaftlich sinnvoll ist, und dass die Professorenlüge der daraus folgenden Kostensteigerung nur dem Schutz der Professorenprivilegien dient. Frage nicht den Frosch, wenn du den Sumpf trockenlegen willst.

  • Die Mittel könnten von manchen Subventionen abgezogen und den Ländern/Kommunen zu Verfügung gestellt werden.



    Als erstes fallen mir die Subventionen für E-Autos und Wärmepumpen ein. Alles geht eben nicht.

  • Es wird keinerlei Steuererhöhung für Reiche und Besserverdiener geben



    Das Geld muss aber irgendwo herkommen.



    Wo wird also gespart werden?

  • Die Lænder sind zuständig für die Flüchtlinge, sie mögen bitte ihre Hausaufgaben machen. Das ständige Pochen auf ihre Kompetenzen aus dem Föderalismus und der ständige Griff in die Bundeskasse passen nicht zusammen.

    • @Rechenfix:

      @Rechenfix:



      Es war die Regierung, die den Ukraineflüchtlingen direkte Sonderrechte eingeräumt hat, also NICHT die Entscheidung der Länder.



      Und es ist die Regierung, die nicht bereit ist, ernsthaft über eine Begrenzung des Zuzugs zu reden. Beides kann man politisch richtig oder falsch finden. Es steht der Regierung frei, solche Entscheidungen zu treffen. Aber dann ist es doch selbstverständlich, dass sich auch die Regierung um die Finanzierung der Folgekosten kümmern muss.

      Leider ist dieses Denken aus ideologischen Gründen und aufgrund fachlicher Inkompetenz selbst im Wirtschaftsministerium verloren gegangen. Wenn man Gesetze macht, hat man früher, in der Zeit der alten grauen Frauen und Männer, auch darüber nachgedacht, was die Folgen sind, und wie diese finanziert werden können. Aber dieses uralte Wissen ist ja leider hinter dem grün-roten Schleier verloren gegangen, in einer Zeit, in der Esken und Lang ihre ganze Kompetenz mit einbringen und die Parteilinien mitbestimmen.