piwik no script img

Senat blockiert EnteignungskommissionKein Licht für Enteignungen

Wohnungsmarkt bleibt intransparent: Mieterverein und DW Enteignen werfen dem Senat vor, der Expertenkommission wichtige Grundbuchdaten vorzuenthalten.

Mehr Schatten als Licht: Der Senat rückt die Grundbuchdaten für die eigene Kommission nicht heraus

Berlin taz | Sabotage, Blockade und immer wieder Verschleppung des erfolgreichen Enteignungs-Volksbegehrens – die Initiative Deutsche Wohnen Enteignen hat erneut Vorwürfe gegenüber dem Senat erhoben.

Die rot-grün-rote Koalition hat selbst eine Kommission zur Prüfung der Vergesellschaftung von privaten Immobilienfirmen mit mehr als 3.000 Wohnungen eingesetzt – und verweigert nun offenbar die Herausgabe von Daten aus den Grundbuchämtern. Anhand derer will die Kommisision ermitteln, welche Firmen für Vergesellschaftung überhaupt in Frage kämen. Bereits im Juli habe die mit der Prüfung beauftragte Expertenkommission Daten angefordert, kritisiert die Initiative.

Weil vor allem die SPD-Spitze um die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) das Ziel des Volksbegehrens ablehnt, rechtliche Fragen sowie die Entschädigungshöhe noch offen sind, hat der Senat diese auch koalitionsinternen Streitpunkte zunächst in diese Experten-Kommission geschoben, die der Senat offenbar behindert. Für die Kommision geht es also um die Frage, wem genau Berlin gehört und wie lange noch.

Klären soll die Kommission unter dem Vorsitz von Herta Däubler-Gmelin (SPD) demnach auch, wie die Besitzverhältnisse auf dem Wohnungsmarkt sind. Weil der private Immobilienmarkt aufgrund zahlreicher Investmentfonds, Briefkastenfirmen und Sub-Unternehmen besonders intransparent ist, hat die Enteignungskommission den Experten Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit beauftragt, Licht ins Dunkel zu bringen.

Keine Auskunft aus den Grundbuchämtern

Allerdings wartet Trautvetter, der sich schon länger für die linken-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung mit der Vermessung von Eigentümerstrukturen auf dem Berliner Wohnungsmarkt beschäftigt, seit über zwei Jahren auf Daten aus den Grundbuchämtern. An der Blockadehaltung hat auch der offizielle Auftrag der Enteignungskommission nichts geändert, in deren Auftrag im Juli erneut Daten angefordert wurden.

Vergesellschaftungs-Volksentscheid

Volksbegehren Berlin hat vergangenes Jahr mit 59,1 Prozent für die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne gestimmt. „Enteignungsreife“ private Immobilienfirmen mit mehr als 3.000 Wohnungen sollen in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden, um gemeinwohlorientierten Wohnraum zu schaffen und dauerhaft der Wohnungsnot entgegenzuwirken. Möglich ist eine Vergesellschaftung gegen Entschädigungszahlung nach dem Artikel 15 Grundgesetz.

Kommission Um Fragen wie Entschädigungshöhe und die rechtliche Umsetzung zu prüfen, hat der Senat die Enteignungskommission von Herta Däubler-Gmelin (SPD) eingesetzt, in der sich verschiedene Expert*innen zu diesen Fragen austauschen. DW Enteignen hat vor allem der SPD wiederholt Verschleppung vorgeworfen, weil diese zunächst die rechtliche Prüfung verzögerte und schließlich ein großer Teil der Kommissionsarbeit entgegen der Senatsvereinbarung nicht-öffentlich stattfindet.

Zuständig für die Grundbuchämter ist nicht nur Bausenator Andreas Geisel (SPD), sondern auch Justizsenatorin Lena Kreck (Linke), wie Trautvetter der taz sagte. Die Blockade liege allerdings vor allem auf der Verwaltungsebene: Bei Gesprächen mit den beteiligten Behörden seien Beamte sehr deutlich geworden, dass sie die Herausgabe von Grundbuchdaten für rechtlich unzulässig hielten. Am Ende hätten beide Senatsverwaltungen abgelehnt, so Trautvetter – obwohl es auch gegenteilige juristische Einschätzungen in der Verwaltung gäbe.

Auch der Berliner Mieterverein schloss sich der deutlichen Kritik am Senat an, erneut die Umsetzung des Enteignungs-Volksbehrens zu behindern. „Wir sind gern bereit, bei juristischen Bedenken zu einer Lösungssuche beizutragen“, sagt Geschäftsführerin Ulrike Hamann. Da andere Bundesländer Grundbuchdaten für Forschungszwecke ebenfalls herausgeben, sei nicht ersichtlich, „warum Berlin eine juristische Sonderrolle spielen sollte.“ Hamann sagte: „Die Umsetzung des Volksentscheids drängt, denn der Druck auf die Mie­te­r:in­nen durch das Gewinnstreben der börsennotierten Konzerne und Investmentfonds wird immer größer.“

DW Enteignen wird noch deutlicher: Datenschutzbedenken seien vorgeschoben, heißt es dort. Achim Lindemann, Sprecher der Initiative, sagt: „Diese Daten nicht rauszurücken und die Arbeit der eigenen Kommission so zu sabotieren, ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten.“ Ohne die Daten könne die Kommission nicht dem in der Koalition vereinbarten Auftrag nachkommen. „Es wird Zeit, dass der Senat aufhört, seine schützende Hand über die Großkonzerne zu halten, die uns allen das Leben schwer machen“, sagt Lindemann.

Mehrere Länder geben Daten für Forschung raus

Auch Trautvetter sagt: „Ohne die Grundbuchdaten lässt sich nicht seriös ermitteln, welche Unternehmen in Berlin große Wohnungsbestände besitzen.“ Berufung auf Datenschutz überzeuge nicht, weil „mehrere Bundesländer – mit der gleichen oder einer sehr ähnlichen Rechtsgrundlage – die nötigen Informationen für journalistische und wissenschaftliche Auswertungen zur Verfügung gestellt haben.“ DW Enteignen verweist auf das Saarland, Thüringen sowie die Städte Essen, Hannover und Dresden, die Grundbuchdaten für wissenschaftliche Untersuchungen herausgegeben hätten.

Das Einfachste wäre es, im Zweifel die Gesetzesgrundlage zu ändern, sagt Trautvetter gegenüber der taz. Mehr Transparenz hatte der Senat durch ein Mietenkataster ohnehin geplant – passiert ist allerdings noch nichts.

Auf taz-Anfrage weist der Senat Verantwortung von sich und versteckt sich im Berliner Behördendschungel: Die Grundbuchämter sind formal der Justizbehörde unterstellt, ihre Aufgaben berühren aber auch Bereiche der Baubehörde, insofern waren beide Verwaltungen beteiligt. Auf mehrfache Nachfragen der taz bestätigt der Sprecher der Bauverwaltung, Martin Pallgen, dass es ein gemeinsames Schreiben der Senatoren Kreck und Geisel an die Kommissionschefin Däubler-Gmelin gab. Zum Inhalt könne Pallgen sich aber nicht äußern – weil der in der Verantwortung der Justizsenatorin liege.

Die Justizbehörde verweist wiederum an das Kammergericht, das den Grundbuchämtern vorangestellt sein soll. Kurz vor Redaktionsschluss heißt es dann aus der Justizbehörde, dass die „erbetenen Informationen aus dem Grundbuch aus rechtlichen Gründen nicht erlangt werden“ könnten. Und plötzlich sei das Liegenschaftskataster zuständig – und damit wiederum Bausenator Geisel.

Däubler-Gmelin, Chefin der Enteignungskommission, wollte sich vorerst nicht dazu äußern, weil sie „den Sachverhalt zunächst in der Kommission besprechen“ wollte.

Am Donnerstag tagte die Kommission ab 15 Uhr erneut hinter verschlossenen Türen – obwohl eigentlich vereinbart war, dass die Sitzungen des Gremiums öffentlich stattfinden sollten. Eine öffentliche Sitzung ist hingegen für den 8. oder 9. Dezember geplant. Ebenso will die Kommission vor Jahresende einen Zwischenbericht vorlegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Echt jetzt? Die Grundbuchdaten um einen pol. Zweck zu verfolgen? Never ever.



    Warum nicht gleich die pers. Konteninfo oder das Einkommen oder ... hey da geht sicher noch was

  • Enteignungen werden mit Sicherheit nicht dazu führen, daß es mehr private Investitionen auf dem Wohnungsmarkt in Berlin gibt.

  • Mal eine Frage: Wäre es nicht sinnvoller die Verfassungsmäßigkeit final zu prüfen, bevor Zeit und Energie in ein Vorhaben gesteckt wird, dass ggf. rechtlich gegenstandslos ist?