Weihnachten für umme (9): Enteignung muss nicht teuer sein
taz-Adventskalender: Der Finanzsenator schätzt die bisherige Entschädigungssumme als zu hoch ein. Vergesellschaftung sei haushaltsneutral machbar.
Die taz Berlin sucht in Zeiten von Inflation und Energiekrise Türchen für Türchen nach Wegen, wie es ganz ohne Geld etwas werden kann mit dem ach so besinnlichen Fest.
Schon Mieten gilt dieser Tage als kaum bezahlbare Angelegenheit. Die Idee, irgendwann eine Wohnung ihr Eigentum nennen zu dürfen, bleibt für die große Mehrheit der Berliner:innen angesichts der astronomischen Immobilienpreise ein ferner Wunschtraum. Umso froher die Botschaft, die Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) am Mittwochabend während einer Diskussionsveranstaltung der Initiative DW Enteignen verkündete: Die Vergesellschaftung von Wohnraum sei möglicherweise „haushaltsneutral und Schuldenbremsen-konform“ durchzuführen.
Wesener sprach sich dafür aus, die Entschädigungssumme nicht auf der Grundlage des spekulativen Marktwertes zu berechnen, sondern nach dem Ertragswert zu gehen. Dieser basiert unter anderem auf den erwartbaren Mieteinnahmen, die sich aus den Immobilien erzielen lassen. Damit würde die Vergesellschaftung vermutlich deutlich günstiger werden als bisher gedacht. Die alte Berechnung des Senats von 30 Milliarden Euro, die dieser im Vorfeld des Volksentscheids veröffentlichte, gründete sich noch auf den Marktwert. Wesener nannte die Berechnung des Senats „nicht mehr up to date“.
Als Grund nannte die Finanzverwaltung auf taz-Nachfrage Veränderungen am Wohnungsmarkt. Durch die steigenden Kreditzinsen und jahrelange spekulative Überbewertung sei dieser gerade besonders volatil, was eine verlässliche Bewertung erschwere. „Die börsennotierten Immobilienunternehmen haben in diesem Jahr erheblich an Wert verloren“, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung am Donnerstag. Am Ende käme eine Vergesellschaftung nach Marktwert den Wohnungsunternehmen sogar gelegen, weil sie sowieso keine Käufer:innen für ihre überhöhten Preise finden würden, deutete der Finanzsenator am Mittwoch an.
Langfristig ein Gewinn
Damit stärkte Wesener die Forderung von DW Enteignen, die Vergesellschaftung weitgehend kostenneutral durchzuführen. Demnach sollten die Kredite mit den Mieteinnahmen refinanziert werden. Dies wäre bei einer Vergesellschaftung zum Marktwert aber kaum machbar, sagt der Sprecher der Initiative Ralf Hoffrogge der taz. Weseners Vorgänger, Matthias Kollatz (SPD), sperrte sich noch gegen diesen Weg.
Langfristig würde der Senat finanziell sogar von einer Vergesellschaftung profitieren, sagt Hoffrogge: „Da könnte man richtig viel Geld sparen“. So würden die Zuschüsse fürs Wohngeld in Zukunft nicht mehr an private Konzerne, sondern zurück an das Land fließen.
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