Das neue Normal: Bio, regional, weniger Fleisch

Der Trend zu nachhaltig produzierten Lebensmitteln trotzt der Inflation. Das zeigt die Biofach, die weltgrößte Messe der Ökobranche. Doch etwas ist anders

Schokoladenstückchen in kleines Glasschalen

Bio-Schoko­lade darf inzwischen in keinem Discounter mehr fehlen – zum Leidwesen der Biomärkte, die Kunden verlieren Foto: Daniel Karmann/picture alliance

Von Hanna Gersmann

Das gab ein Aufsehen. Die Fast-Food-Kette Burger King in Österreich fragt derzeit: „Normal oder mit Fleisch“. Es ist eine Werbekampagne für das Angebot an pflanzlichen Alternativen. Es wirft Fragen auf, wenn nicht mehr automatisch Fleisch zwischen die beiden Brötchenhälften gelegt wird: Wandelt sich das Essen? Auf was achten Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf? Antworten liefert die Biofach, die weltweit größte Messe der Ökobranche, die diese Woche von Dienstag bis Freitag in Nürnberg stattfindet.

Als wegen Corona das Leben stillstand, Restaurants und Kantinen geschlossen waren, meldete die Branche Rekorde. Der Umsatz mit Biolebensmitteln stieg 2020 um 20 Prozent. Mittlerweile aber reißen steigende Preise Löcher in den Geldbeutel – und Biolebensmittel sind im schnitt meist etwas teurer als andere. Doch der Appetit der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Bio bleibt. Nur kaufen sie die Ökoeier, -tomaten, -bananen derzeit in Discountern und Supermärkten, weniger in den Bioläden. Insgesamt aber gaben die Menschen hierzulande von Anfang Januar bis Ende Juni diesen Jahres im Vergleich zur selben Zeit im Jahr 2019, also zu Vor-Corona-Zeiten, 35 Prozent mehr für Bio aus. Das erklärte am Dienstag der Bund für Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) auf der Biofach. Die Preise für Bio sind im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 um 5,2 Prozent gestiegen, für konventionelle Lebensmittel waren es 8 Prozent. Bio-Landwirte kämen ohne den derzeit besonders teuren Kunstdünger aus, das mache unter anderem den Unterschied aus, so der BÖLW.

Aber ist Bio immer besser? Die Tiere auf dem Biohof haben mehr Platz, die Umwelt wird stärker geschont, die Böden sind gesünder. Aber die Erträge sind niedriger, es werden pro Tonne Ertrag mehr Flächen gebraucht. Professor Felix Creutzig vom Mercator Research Institute on Global Commons (MCC) in Berlin forscht seit Jahren zur Ökobilanz der Landwirtschaft. Er sagt: „Bio ist schon gut.“ Die konventionelle Landwirtschaft sei zwar produktiver, „lebe aber auf Pump, die Böden leiden, verlieren an Fruchtbarkeit“. Und: Die Biobauern verzichten auf Kunstdünger und chemisch-synthetische Pestizide, die sonst mit viel Energie hergestellt werden – „das ist wertvoll und trägt zur Energiesicherheit bei“. Nur gebe es ein Problem: die Fleischproduktion.

Die konventionelle Landwirtschaft lebt auf Pump, die Böden leiden, verlieren an Fruchtbarkeit

Laut Weltklimarat entstehen bis zu 37 Prozent der globalen CO2-Emissionen durch die Produktion von Nahrungsmitteln – 60 Prozent davon gehen auf das Konto der Tierhaltung. Da seien zum einen, so Creutzig, die Methan-pupsenden Rinder. Zum anderen würden mehr als die Hälfte aller Anbauflächen in der EU und den USA für die Futterproduktion genutzt. Das sei zu viel – egal ob bio oder nicht. Denn natürlich stößt auch die ökologische Landwirtschaft Treibhausgase aus, auch wenn sie im Vergleich besser abschneidet.

Im Jahr 2021 hat im Schnitt jede und jeder in Deutschland etwa 55 Kilogramm Fleisch gegessen, 2020 waren es zwar noch 2 Kilo, 2011 sogar noch fast 8 Kilo mehr. Doch müssten die Menschen bei Wurst und Schnitzel weiter abspecken, meint Creutzig: „Rein aus CO2-Sicht müssen die Tierbestände weltweit um den Faktor zehn gemindert werden.“ Ganz ohne Tiere gehe es nicht, da es Regionen auf der Welt gebe, in denen nichts als Gras wachse. Und das könnten nun mal nur Rinder verdauen. Wer die lokale Wirtschaft stärken wolle, achte auf regionale Produkte. Das sei auch für das Klima noch ein kleines Plus. Denn je kürzer die Transportwege, umso weniger Energie wird verbraucht.