Netzagentur übernimmt Gazprom Germania: Russisches Gas, deutsche Kontrolle

Die Bundesnetzagentur bestimmt ab sofort über Gazprom Germania, das Tochterunternehmen des russischen Konzerns. Putin kündigt Vergeltung an.

Logo der Gazprom Germania an einem Gebäude, Spiegelungen im Fenster

Zentrale der Gazprom Germania in Berlin Foto: Ralf Pollack/imago

Die Bundesnetzagentur hat am Dienstag auf Anordnung des Bundeswirtschaftsministeriums die Treuhänderschaft für die deutsche Tochter des russischen Energieunternehmens Gazprom übernommen, die Gazprom Germania Gruppe. Das Bundeswirtschaftsministerium greift zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik in dieser Form ein. Dabei handelt es sich nicht um eine Enteignung. Aber die Bundesregierung gewinnt mit diesem Schritt die Kontrolle über das Tagesgeschäft des Unternehmens.

Gazprom Germania hat eine sehr wichtige Rolle beim Handel, Transport und Speichern von Erdgas. Zu den mehr als drei Dutzend Firmen der Gruppe gehören Wingas, Lieferant vieler Stadtwerke, und Astora, Betreiber des größten Gasspeichers Deutschlands in Rehden.

„Die Anordnung der Treuhandverwaltung dient dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Der Schritt sei „zwingend notwendig“.

Gazprom hatte nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums in der vergangenen Woche die Firmen Gazprom Germania und Gazprom export business an zwei russische Firmen weitergegeben. Wer sich dahinter verbirgt, ist unklar. Der neue Besitzer von Gazprom Germania hat die Liquidierung des Unternehmens angekündigt – damit bestand Gefahr für den Fortbestand laufender Verträge und die Versorgung der Kund:innen. Da es sich bei den neuen Eigentümern um Nicht-EU-Firmen handelt, hätte die Übergabe vom Bundeswirtschaftsministerium genehmigt werden müssen. Das sieht das Außenwirtschaftsgesetz vor. Ohne die Genehmigung ist der Erwerb nicht wirksam, Eigentümer bleibt Gazprom.

Für die Versorgungssicherheit

Die Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur ist bis zum 30. September 2022 begrenzt. Bis dahin übt die Behörde sämtliche Stimmrechte bei Gazprom Germania aus. Sie ist berechtigt, Mitglieder der Geschäftsführung abzuberufen und neue zu bestellen, außerdem kann sie ihnen Weisungen erteilen. Die Bundesnetzagentur könnte zum Beispiel das Auffüllen des Gasspeichers veranlassen. „Sie kann alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um weiter die Versorgungssicherheit zu gewährleisten“, sagte Habeck.

Laut Gesetz hätte auch eine andere Behörde die Treuhänderschaft übernehmen können. Die Entscheidung für die Bundesnetzagentur sei naheliegend, weil sie sich mit der Materie sehr gut auskenne, sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Bundesnetzagentur ist die wichtigste Infrastrukturbehörde Deutschlands und unter anderem zuständig für die Regulierung des Energiemarktes. Ihr neuer Präsident Klaus Müller war einst wie Robert Habeck grüner Umweltminister in Schleswig-Holstein.

Wie die Arbeit der Behörde als Treuhänderin konkret aussehe, sei noch unklar, sagte der Sprecher. „Es geht darum, das Tagesgeschäft zu prüfen“, erklärte er. Die Treuhänderschaft sei ein wenig vergleichbar mit der Tätigkeit eines Insolvenzverwalters, der die Interessen Dritter vertrete. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Bundesnetzagentur über ihre Tätigkeit viel öffentlich berichte, da es auch um die Bewahrung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gehe.

Der russische Präsident Wladimir Putin drohte Europa wegen der „brachialen Maßnahmen“ mit Vergeltung.

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