Festnahme nach mehr als 30 Jahren

Samuel Yeboah starb 1991 beim Anschlag auf seine Asyl­unterkunft. Jetzt wurde eintatverdächtiger Neonazi verhaftet

Landespolizeipräsident Rupp entschuldigte sich für „Defizite“ der Polizeiarbeit

Von Christoph Schmidt-Lunau

Mehr als 30 Jahre nach einem tödlichen Brandanschlag auf ein Asylbewerberwohnheim in Saarlouis haben am frühen Montagmorgen Einsatzkräfte der Polizei einen dringend tatverdächtigen Rechtsextremisten festgenommen. Die Bundesanwaltschaft, die die längst eingestellten Ermittlungen vor zwei Jahren wieder aufgenommen hatte, wirft Peter S. vollendeten Mord an dem 27-jährigen Samuel Yeboah und Mordversuch in 20 Fällen vor.

Aus rassistischer Gesinnung habe S. in der Nacht zum 19. September 1991 in der Asylbewerberunterkunft in Saarlouis Freilautern aus einem Plastikkanister Benzin im Treppenhaus ausgegossen und dieses in Brand gesetzt, so die Behörde in ihrem Antrag auf Untersuchungshaft. In den Flammen war der damals 27-jährige anerkannte Asylbewerber aus Ghana ums Leben gekommen. Zwei andere Bewohner konnten sich nur retten, indem sie aus dem Fenster sprangen. Sie überlebten mit Knochenbrüchen.

Im Zusammenhang mit dem aktuellen Fahndungserfolg räumte die saarländische Polizei Versäumnisse bei der damaligen Polizeiarbeit ein. Landespolizeipräsident Norbert Rupp erklärte: „Ich entschuldige mich dafür, dass offensichtlich auch Defizite in der damaligen Polizeiarbeit zur Einstellung der Ermittlungen geführt haben.“ So etwas dürfe sich „nicht wiederholen“ – die Polizei habe inzwischen Schwachstellen beseitigt und „Qualitätsstandards“ eingeführt.

Seit drei Jahrzehnten kämpft der saarländische Flüchtlingsrat mit der „Antifa Saar“ und der „Aktion 3. Welt“ darum, die Erinnerung an die Ermordung von Samuel Yeboah und den Anschlag auf seine Mitbewohner aufrechtzuerhalten. Zur Festnahme eines mutmaßlichen Täters, mehr als 30 Jahre danach, sagte Ursula Quack vom Flüchtlingsrat der taz: „Jetzt bestätigt sich das, was wir schon immer gesagt haben und was in Saarlouis über all die Jahre verleugnet wurde: Es war ein rassistischer Mordanschlag.“ Hinweise auf rassistische Motive und einen rechtsextremistischen Hintergrund seien damals abgetan, die Ermittlungen viel zu früh eingestellt worden. Erst seit die Bundesanwaltschaft vor zwei Jahren die Ermittlungen übernommen habe, hätten die Behörden „endlich Ernst gemacht“, so Quack.

Dabei war der jetzt festgenommene Peter S. schon früh in Verdacht geraten. Vor und nach dem tödlichen Brandanschlag hatte es in Saarlouis und Umgebung mehrere versuchte Anschläge gegeben. Einige der Opfer des Brandanschlags von 19. September 1991 mussten einen zweiten Anschlag erleben, als nämlich in ihre nächste Unterkunft ein Molotowcocktail geworfen wurde – glücklicherweise ein Fehlzünder. Schon 1990 hatte am Eingang zur Geschäftsstelle der Linken Liste/PDS in Saarbrücken eine Nagelbombe gerade noch rechtzeitig entschärft werden können. 1992 gab es einen ähnlichen Sprengsatz vor dem linken Kommunikationszentrum in Saarlouis. Alle Ermittlungen endeten ergebnislos.

In ihrer aktuellen Mitteilung stellt die Bundesanwaltschaft einen zeitlichen und inhaltlichen Bezug zu einem anderen rassistischen Exzess her, der auch damals hätte auffallen können: Am Tag vor dem Brandanschlag in Saarlouis hatten die rassistischen Angriffe auf die Unterkünfte von Vertragsarbeitern und Flüchtlingen im sächsischen Hoyerswerda begonnen. Zwei Tage danach mussten die Behörden dort die Menschen mit Bussen vor dem gewaltbereiten Mob in Sicherheit bringen. Die Bilder von den pogromartigen Szenen waren damals um die Welt gegangen. Am Abend des 18. November habe S. mit rechten Gesinnungsgenossen in einer Kneipe die Ereignisse von Hoyerswerda besprochen, erklärte die Bundesanwaltschaft nun. Noch in derselben Nacht habe er im ehemaligen „Weißen Rössl“ in der Saarlouiser Straße, das als Asylbewerberunterkunft bekannt war, das tödliche Feuer gelegt.