Lafontaine tritt aus Linkspartei aus: Maximaler Schaden
Oskar Lafontaines Austritt ist nicht nur wenig stilsicher, sondern zeigt auch seine Egozentrik. Denn in zehn Tagen wird im Saarland gewählt.
O skar Lafontaine war einer der talentiertesten Politiker der Bundesrepublik: ein rhetorisches Naturereignis unter lauter politischen Sachbearbeitern. Seine altersweise, kluge Abschiedsrede im Saarländischen Landtag über Krieg und Frieden, bejubelt von fast allen Fraktionen, versprühte noch mal etwas von diesem Glanz. Sie sollte etwas Historisches sein. Die letzte Rede eines Staatsmanns.
Ein Staatsmann? Dazu fehlte Lafontaine immer das Entscheidende. Wo Disziplin und Verantwortungsbewusstsein nötig waren, war bei ihm ein maßloses Ego. Lafontaine hatte als Politiker immer etwas von Jekyll & Hyde. Das Großartige siedelte direkt neben dem Kleinlichen, das Mitreißende neben dem Zerstörerischen.
Um das ganze Bild zu sehen, muss man neben seine Landtagsrede seine Erklärung zum Austritt aus der Linkspartei legen. Dort klagt er, dass ihm in dem chaotischen saarländischen Landesverband der Linkspartei bitteres Unrecht geschehen sei. Als wäre er selbst ein Unbeteiligter und nicht Teil jener endlosen Querelen dort, die schon lange kein Außenstehender mehr durchblickt. „Nach dem sozialen Profil sollen jetzt auch noch die friedenspolitischen Grundsätze der Linken abgeräumt werden“ klagt er, der einsame Rufer in der Wüste. Es herrscht Verrat, allerorten. Dieses Austrittsschreiben ist ein Dokument jener Selbstgerechtigkeit, die immer Grenze und Scheitern von Lafontaine markierten.
So bleibt am Ende dieser Karriere etwas Klägliches. Seine schwindende Bedeutung ließ sich an den Namen seiner Gegner ablesen: Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Dietmar Bartsch, und schließlich Thomas Lutze. Dass er zehn Tage vor der Wahl im Saarland austritt, ist eine Art politisches Dum-Dum-Geschoss. Er will maximalen Schaden in der Linkspartei anrichten.
Austritt als Farce
Verdrießlich stimmt an diesem Abgang auch, wie wenig stilsicher er ist. Es ist eine Wiederholung seines Rücktritts als SPD-Chef 1999, fast exakt genau vor genau 23 Jahren. Der Austritt nun ist ein Selbstzitat, das die Egozentrik des Ganzen unterstreicht. 1999 war Lafontaines Abgang eine Art Tragödie für die danach recht kopflose SPD-Linke. Der Austritt jetzt ist Farce und müder Abklatsch.
Für die nach Wahlschlappe und Putins Krieg orientierungslose Linkspartei ist all das nicht schön. Aber nur auf den ersten Blick. Es ist naheliegend, zu vermuten, dass auch Wagenknecht und ihre Getreuen der Partei bald den Rücken kehren können. Das kann der Linken im Bundestag sogar den Fraktionsstatus kosten. Doch dieser Exodus kann sich trotz kurzfristiger Schadensbilanz mittelfristig rechnen. Ob die Linkspartei ohne Putin-Versteher, Corona-Zweifler und Populisten eine Zukunft hat, ist ungewiss. Sicher ist aber: Mit ihnen hat sie keine.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei