Legales Kiffen: Wenig berauschend

Bei der Legalisierung von Cannabis steht die Koalition juristisch vor einer Herausforderung. Sie würde gegen internationales Recht verstoßen.

Zwei Hände drehen einen Joint.

Statt mit Bierchen mit Tütchen in der Kneipe zu sitzen, kann hierzulande noch dauern Foto: imago

Die Legalisierung von Cannabis wird nicht so schnell vorangehen, wie manche Befürworter gehofft haben. Auch aufgrund juristischer Hürden wird es schwer werden, die Freigabe psychotroper Hanfprodukte für den Freizeitkonsum gegen Völkerrecht und EU-Vereinbarungen durchzusetzen. Zumindest wird es seine Zeit dauern.

So ist Deutschland einer Reihe von Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Drogenpolitik beigetreten, die die Verfügbarkeit von Suchtmitteln einschränken sollen. Das wichtigste ist die „Single Convention on Narcotic Drugs“ von 1961. Von Anbau über Verkauf bis zu Handel verbietet dieser völkerrechtliche Vertrag im Prinzip alles, was mit Cannabis zu tun hat.

Aber auch auf EU-Ebene würde eine Legalisierung Recht brechen. Die juristische Lage in Europa lässt sich besonders gut am Beispiel eines Gerichtsverfahrens von 2010 beschreiben. Ein Coffeeshop-Betreiber aus dem niederländischen Maastricht hatte gegen die neuen Bestimmungen in seiner Stadt geklagt, denen zufolge er Cannabisprodukte nicht mehr an Nichtniederländer verkaufen durfte. Er machte geltend, dass diese Regelung zu einer Ungleichbehandlung von EU-Bürgern führe.

„Anbieten, feilhalten, verkaufen“ unter Strafe

Der Europäische Gerichtshof wies die Klage ab. Ausfuhr und Abgabe „von Suchtstoffen und psychotropen Stoffen aller Art einschließlich Cannabis“ sei schon gemäß Schengen-Übereinkommen von 1990 zu unterbinden, so die Richter. Zudem müsse laut EU-Recht jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass unter anderem das „Anbieten, Feilhalten, Verteilen, Verkaufen, Liefern“ von Drogen unter Strafe gestellt werden, wenn dies „ohne entsprechende Berechtigung“ erfolge.

Damit sei in der Europäischen Union eindeutig auch Cannabis gemeint, befand das Gericht. „Lediglich ein streng überwachter Handel, der der Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke dient, ist davon ausgenommen.“

Wie also will Deutschland angesichts dieser Rechtslage Cannabis zu Genusszwecken legalisieren? Dessen Besitz ist auch nach dem niederländischen Betäubungsmittelrecht verboten. Doch das niederländische Opportunitätsprinzip gibt einen Ermessensspielraum bei der Frage, welche Straftaten überhaupt von den Behörden verfolgt werden oder nicht – etwa kriminalpolitische Schwerpunkte. Doch nicht nur kommt das Opportunitätsprinzip im deutschen Recht in weit geringerem Maße zur Anwendung – das holländische Modell als solches gilt schon lange nicht mehr als Vorbild.

Illegale Quellen

Denn der Stoff, dessen Verkauf in kleinen Mengen über den Tresen der Coffeeshops geduldet wird, stammt aus illegalen Quellen, wodurch ein Nährboden für die Drogenmafia entsteht. Es ist aber auch schlicht keine juristisch saubere, konsequente Lösung. Ähnliches gilt für die US-amerikanische Variante: Dort wurde Cannabis in einzelnen Bundesstaaten für den Freizeitkonsum legalisiert, ist aber durch Bundesrecht weiterhin verboten.

Kanada dagegen, ein wichtiges Vorbild für die neue deutsche Drogenpolitik, hat mit der Cannabislegalisierung schlicht und einfach Völkerrecht gebrochen: Der Internationale Suchtstoffkontrollrat INCB hat die Entscheidung mehrfach gerügt. Ähnlich hat der INCB Uruguay mehrfach abgemahnt und Sanktionen angedroht.

„Für eine saubere Lösung des Cannabis-Dilemmas kommen wir um eine Änderung europäischen und internationalen Rechts nicht herum“, schreibt Robin Hofmann, Professor für Strafrecht, Kriminologie und Kriminalistik an der Universität Maastricht, auf der Seite verfassungsblog.de.

Einfacher im Völkerrecht

Zumindest, was das Völkerrecht betrifft, geht es wohl auch einfacher. „Eine gute Grundlage für die anstehenden parlamentarischen Beratungen bietet der Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes aus der letzten Wahlperiode“, antwortet Kirsten Kappert-Gonther, drogenpolitische Sprecherin der Grünen, auf taz-Anfrage. In dem Entwurf – von den Grünen eingebracht, von der Linken unterstützt, aber 2017 mit der Mehrheit von Union und SPD abgelehnt – wird vorgeschlagen, Cannabis aus dem Strafrecht zu entfernen.

Um den damit verbundenen Bruch des Völkerrechts zu vermeiden, ist es möglich, aus dem UN-Vertrag auszusteigen – und unter Vorbehalt wieder einzusteigen, wie der Gesetzentwurf beschreibt. „Darin sind auch Zeiträume für die (Teil-)Kündigung internationaler Verträge enthalten“, so Kappert-Gonther.

Die sind allerdings nicht eben kurz: Sechs Monate dauert es mindestens, bis die Kündigung wirksam wird. Gleichzeitig darf der Wiedereintritt beantragt werden – der erfolgen kann, wenn nicht mindestens ein Drittel der Vertragsparteien Einspruch erheben.

Erfolgreiches Vorbild Bolivien

Immerhin gibt es für dieses Verfahren bereits es ein erfolgreiches Vorbild: Bolivien ist diesen zeitintensiven Weg bereits 2012 bei der Legalisierung der traditionell konsumierten Koka-Blätter gegangen. 2013 trat das Land wieder ein. Indien, Pakistan und Bangladesch, in deren Kulturen der Konsum psychotroper Hanfprodukte eine lange Tradition hat, hatte bereits bei Eintritt in das Abkommen 1961 Vorbehalte für die Verwendung von Cannabis zu Genusszwecken eingelegt.

Keine Blaupause gibt es dagegen für das juristische Vorgehen auf EU-Ebene. Deutschland wäre mit einer klaren juristischen Lösung Pionier. In dem Gesetzentwurf zum Cannabiskontrollgesetz wird unter anderem auf die „neue“ EU-Politik verwiesen, die stärker auf Subsidiarität setze und deshalb einer spezifischen deutschen Regelung „voraussichtlich nicht im Wege stehen“ werde.

Auch müsse ja der Besitz von Cannabis zu persönlichen Konsumzwecken nach EU-Recht nicht kriminalisiert werden. Zudem wird argumentiert, es sei nicht definiert, dass die Abgabe von Cannabis nur zu medizinischen Zwecken legal ist. Sie lasse sich daher „als Abgabe mit entsprechender Berechtigung“ bewerten – was die Richter im Falle des Coffeshop-Besitzers aus Maastricht freilich anders gesehen hatten.

Wichtiger Faktor: Geduld

Vielleicht räumt der Gesetzentwurf aufgrund der vorhersehbaren rechtlichen Tücken so klar ein, dass auch hier noch einmal Geduld ein besonders wichtiger Faktor ist: „Selbst wenn europarechtliche Verpflichtungen dem Regelungsvorschlag entgegenstünden, so böte der lange Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Gesetzes hinreichend Zeit, diese anzupassen“, heißt es.

Aber spielt den deutschen Legalisierungspionieren nicht ein neuer Zeitgeist in die Hände? Kappert-Gonther verweist darauf, dass sich die politische Haltung zu Cannabis etwa in Italien, Malta und Luxemburg ändere. Nur hat das bisher wenig genützt.

Luxemburg zeigt sogar eher einen Rückschlag: 2018 sollte dort eine komplette Legalisierung umgesetzt werden. Drei Jahre später sieht die Realität für Konsumenten wenig berauschend aus. Das Vorhaben sei mit EU-Recht nicht vereinbar, so Gesundheitsministerin Paulette Lenert Ende 2021. So ist aus der Legalisierung nicht mehr als eine Entkriminalisierung geworden: Privates Kiffen wurde erlaubt, ein paar Pflänzchen auf dem Balkon auch. Alles andere bleibt illegal.

Die zu erwartenden rechtlichen Herausforderungen seien keineswegs der einzige Grund dafür, dass es so schleppend vorangeht mit der Legalisierung, betont der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler. „Einerseits gibt es einfach extrem viel anderes zu tun zurzeit, das wichtiger ist.“ Anderseits sei die Legalisierung in vielerlei Hinsicht ein komplexes Vorhaben, nicht nur in juristischer. Es sei gut, dass das jetzt deutlich werde. „Es ist eben nicht so trivial, dass man sagen kann: Macht mal eben.“

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