Energiewende in Deutschland: Sorge um Gaslieferung

Der Krieg in der Ukraine facht die Debatte über die Energiewende in Deutschland neu an. Die Union ist gegen den vorgezogenen Ausstieg der Kohleverstromung.

Zwei Kühltürme eines Atomkraftwerkes stehen auf einem Feld

Das AKW Grohnde in Niedersachsen wurde Ende 2021 stillgelegt Foto: Picture alliancep

BERLIN afp/dpa/rtr | Angesichts des Krieges in der Ukraine und dem drohenden Szenario ausbleibender Gaslieferungen aus Russland wird in Deutschland wieder über den Kohle- und Atomausstieg gestritten. Der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, plädierte im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung am Samstag für eine spätere Abschaltung der letzten Atomkraftwerke. Die Betreiber der Kraftwerke lehnen dies laut Rheinischer Post jedoch ab.

„Der Gesetzgeber hat vor Jahren entschieden, dass Kernkraft in Deutschland keine Zukunft hat“, sagte ein Sprecher von Eon. Ein Weiterbetrieb über den gesetzlichen Endtermin 2022 sei kein Thema. „Das Thema Kernkraft ist in Deutschland vom Tisch“, hieß es von RWE. „Kurzfristig wäre es gar nicht möglich, die Kernkraftwerke wieder hochzufahren.“

„Das Verschieben des Atomausstiegs ist ein komplexes Unterfangen, bei dem viele rechtliche und organisatorische Fragen zu klären sind“, sagte auch Ifo-Chef Fuest der „NOZ“. Aber es sollte dennoch in Erwägung gezogen werden, „bis die Abhängigkeit von russischem Erdgas überwunden ist, also voraussichtlich mehrere Jahre“.

Beim Thema Kohle wandten sich Vertreter von FDP und Union gegen einen möglichen früheren Ausstieg als gesetzlich beschlossen. „Ein vorgezogenes Ausstiegsdatum für die Kohleverstromung verbietet sich“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) der Welt mit Blick auf den russischen Einmarsch in die Ukraine.

Kretschmer stellt Vorziehen des Kohleausstiegs infrage

Sachsen und Brandenburg stellen wegen der Abhängigkeit Deutschlands von russischem Erdgas ein Vorziehen des Kohleausstiegs infrage. „Die gesamte Energiewende wird schlagartig einem Realitätscheck und einem Stresstest unterzogen“, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) der Welt laut Vorabbericht vom Samstag. Ein vorgezogenes Ausstiegsdatum aus der Kohle verbiete sich. Die Bundesregierung müsse jetzt schnell entscheiden, was kurzfristig zu tun sei und was langfristig, so Kretschmer.

Auch Brandenburgs Energie- und Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) äußerte seine Zweifel, den nach geltendem Gesetz für 2038 geplanten Kohleausstieg der Bundesrepublik auf 2030 vorzuziehen. „Ob wir in Deutschland schneller als gesetzlich verankert die Kohleverstromung beenden können, kann heute noch nicht abschließend bewertet werden“, sagte Steinbach. Festlegen könne man sich hierbei erst, wenn die vorgesehenen Überprüfungsschritte in einigen Monaten abgeschlossen seien. Die veränderte geopolitische Lage müsse dabei berücksichtigt werden.

„Kohle ist keine Brückentechnologie, sondern ein Irrweg“, sagte hingegen die Grünen-Chefin Ricarda Lang den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Wenn wir den Kohleausstieg 2030 aufgeben, geben wir das Pariser Klimaabkommen auf.“ Es müsse nun vor allem der Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt werden.

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft hat die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs zu einem Energiemoratorium aufgefordert. „Im Klartext heißt das, der staatlich forcierte Ausstieg aus der Kohle muss unverzüglich ausgesetzt werden, und die verbliebenen Kernkraftwerke müssen über das Jahresende hinaus am Netz bleiben“, sagte Bundesgeschäftsführer Markus Jerger der Deutschen Presse-Agentur. „Andernfalls besteht die reale Gefahr eines flächendeckenden Blackouts.“

Drei Atomkraftwerke in Deutschland liefern bis Ende 2022 noch Strom, dann sollen sie vom Netz gehen und der Atomausstieg vollendet werden. Bis spätestens 2038 soll schrittweise der Kohleausstieg vollzogen werden, die Ampel strebt aber ein Vorziehen auf 2030 an.

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