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Gewalt in der PartnerschaftIm Halbschatten

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Die diesjährigen Zahlen zur Partnerschaftsgewalt taugen nicht für schmissige Schlagzeilen – dabei hat Gewalt gegen Frauen System. Es ist ein einziger großer Skandal.

Diskretes Hilfezeichen für Personen in Not (gestellte Szene) Foto: Rolf Kremming/imago

A n einem Tag im Jahr ist der Scheinwerfer, der auf das Phänomen „Gewalt gegen Frauen“ gerichtet ist, einigermaßen hell. Kurz vor dem Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen am Donnerstag laden die Familienministerin und der Präsident des Bundeskriminalamts zur Pressekonferenz. Die Zahlen zur Partnerschaftsgewalt werden vorgestellt, die Medien hören zu.

Medial ungünstig ist es, wenn, wie ausgerechnet im Pandemiejahr, die Zahlenlage nicht eindeutig ist. Zwar sind die Fälle von Partnerschaftsgewalt 2020 gestiegen, der Trend setzt sich fort. Während der Lockdowns jedoch scheint die Lage widersprüchlich: Mal gab es mehr, mal weniger Anzeigen.

Und für eine schmissige Schlagzeile eignet es sich nicht besonders zu beschreiben, dass es sehr schwer ist, den eigenen Partner anzuzeigen, dass das Dunkelfeld in diesem Bereich mit bis zu 90 Prozent immens hoch ist und dass Forschung fehlt, um das Ausmaß und die Formen von Gewalt gegen Frauen vor, während und nach Corona ausreichend zu beleuchten. Trotzdem berichten vor diesem Tag die Medien, manche zumindest.

Je nach Konkurrenz schafft es das Thema auf eine vordere Seite, aber die Konkurrenz ist hoch. Und innerhalb der Logik von Medien ist der Neuigkeitswert der Tatsache, dass Frauen hierzulande von ihren Partnern oder Ex-Partnern zusammengeschlagen werden, nicht allzu groß. Seit Jahren ist bekannt, dass nahezu jeden dritten Tag eine Frau dabei stirbt. Kennen wir schon; früher war’s schlimmer.

Etwas mehr Aufmerksamkeit bekommen tote Frauen, wenn der Täter einen Migrationshintergrund hat. Dass unter den Tatverdächtigen knapp 70 Prozent Deutsche sind – geschenkt. Folgt die Methode dann noch eher spektakulären Mustern (an einem Strick am Auto hinter sich herschleifen) als alltäglichen (in den eigenen vier Wänden den Kiefer brechen), ist die Chance auf mediale Aufmerksamkeit tatsächlich da. Ein paar Tage lang zumindest, aber dann ist doch wieder Fußball.

In Deutschland im Halbschatten

In manchen Ländern gehen Menschen auf die Straße, um gegen Gewalt gegen Frauen zu demonstrieren, in Mexiko oder Frankreich zum Beispiel. Sie fordern Prävention, Schutz, Strafverfolgung der Täter, eine bessere Ausstattung unterfinanzierter Frauenhäuser und ein Umdenken in der Gesellschaft. Doch was zumindest mancherorts langsam ins hellere Licht rückt, liegt in der bundesdeutschen Öffentlichkeit noch im Halbschatten – auch weil nicht genug berichtet wird: dass Gewalt gegen Frauen und deren Tötung gesellschaftlich System hat.

Das sollte nicht nur einmal im Jahr auf den vorderen Seiten der Zeitungen stehen, sondern immer, immer wieder: Es ist ein einziger großer Skandal.

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Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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22 Kommentare

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  • Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen

  • Gewalt in der Gesellschaft muss unerbittlich bekämpft werden und der Rechtstaat besser ausgestattet werden.



    Wie die Autorin aber darauf kommt, Mexiko in diesem Kontext in ein gutes Licht zu rücken ist mir mehr als unbegreiflich.



    Gerne hier einige Hinweise für zukünftig bessere Recherchearbeit: www.amnesty.de/inf...lassen-frauenmorde

    Selbst wenn die Autorin sich nur auf die wenigen Proteste hiergegen bezieht, muss zwangsläufig der Kontext erwähnt werden. Zudem erwächst der Eindruck, es gäbe in Deutschland keine Maßnahmen bzw Proteste gegen Gewalt gegen Frauen. Das ist schlicht falsch.



    Welche Vorschläge hätte denn die Autorin, Gewalt gegen Frauen einzudämmen?

  • Jede fünfte Gewalttat in der Partnerschaft wird von einer Frau verübt. Könnte wenigstens einen Halbsatz wert sein. Ungefähr alle zehn Tage wird laut BKA ein Mann in der Partnerschaft getötet. Nur der Vollständigkeit halber.

    • @Friedel Castrop:

      Besagt also, dass Männer in der großen Mehrheit die Täter sind. Und nun? :)

      • 0G
        04405 (Profil gelöscht)
        @andric:

        falsch, das besagt dass im HELLFELD der Kriminalstatistik 4 von 5 Taten Männer begehen. Wie es im Dunkelfeld tatsächlich aussieht, ist nicht so richtig untersucht.

        Ich erinnere mich an die Studie der "Aufarbeitungskommission" zum sexuellen Missbrauch, bei der 90% der untersuchten Missbrauchsfälle an Mädchen verübt wurden. In der selben Studie war jedoch zu lesen, dass ca. 35 % der Missbrauchsopfer Jungen sind. Nicht 10%. Dieser Widerspruch wurde übrigens nirgends aufgelöst.

        Wäre mal an der Zeit, auch Partnerschaftsgewalt konsistent und repräsentativ - unverzerrt! - zu untersuchen. Jedenfalls würde ich weder 20% noch mehr der Fälle einfach so ignorieren, nur weil es wohlfeil ist, Männer ausschließlich als Täter zu "verhandeln".

  • 4G
    46057 (Profil gelöscht)

    "Dass unter den Tatverdächtigen knapp 70 Prozent Deutsche sind"

    Auch wenn man es nicht gerne hört, aber es muss heißen, dass "70% auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben".

    Verfolgt man z.B. die Tötungsdelikte in den Medien, dann fällt halt doch auf, wie oft hier Tatverdächtige zwei Staatsangehörigkeiten haben und damit die Tat dann doch tief in ihrer frauenfeindlichen Kultur verwurzelt ist.

    Die Autorin nennt explizit den Fall des Deutschkurden, der seiner Frau in die Brust stach, aus dem Fenster warf und mit dem Auto durch die Stadt schleifte. In der zitierten Statistik war das einer der 70% deutschen Tatverdächtigen!

    • 0G
      04405 (Profil gelöscht)
      @46057 (Profil gelöscht):

      Art 116 GG "(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder (...)". Klingt ziemlich eindeutig. Wo sehen sie eine Grundlage, zwischen "Deutscher" und "Deutscher Staatangehöriger" zu unterscheiden?

    • @46057 (Profil gelöscht):

      Eine Sichtweise die zwischen 'richtigen' Deutschen, also solchen mit Stammbaum, Blut und Boden, und 'falschen' Deutschen, also solche die 'nur' Staatsbürger sind, ist völkisch und rassistisch.

  • Was ist nun damit gemeint, dass diese Gewalt "gesellschaftlich System hat"?

    Um systematische Gewaltausübung handelt es sich nicht, jedenfalls nicht auf gesellschaftlicher Ebene (anders als z.B. in Folterlagern von Diktaturen).

  • Mehr als 30 Prozent Ausländeranteil bei diesem Deliktfeld erscheint mir aber ganz schön hoch angesichts des geringen Anteils an der Gesamtbevölkerung.

  • Eine wirklich irreführende Überschrift. Es geht nicht um Gewalt in der Partnerschaft, sondern ausschließlich um Gewalt von Männer gegen Frauen. Das es auch Gewalt von Frauen gegen Männer gibt, ist allgemein bekannt und es macht ungefähr 20 % der Fälle aus.



    Wie schon @ MARTINSEMM ausführt, sollte der Kampf gegen jede Gewalt geführt werden.

  • Mit Verlaub, ich denke nicht, dass die Ermordung von Frauen in Deutschland "gesellschaftliches System" hat.

  • Warum immer Frauen vs. Männer bei Gewalt, Beruf,...

    Männer werden auch Oper von Gewalt de.m.wikipedia.org..._gegen_M%C3%A4nner

    Warum nicht einfach gegen jede Form von Gewalt?

    • @MartinSemm:

      "Warum nicht einfach gegen jede Form von Gewalt?"

      Weil das banal, undifferenziert und folgenlos wäre.

      Bei einer Wanderung im Harz kam ich einmal an einem Gedenkstein mit folgender Aufschrift vorbei:

      "Ehre den Opfern von Krieg und Gewalt 1933 - 1989"

      Irgendwie gab es in diesen Jahren irgendwie Gewalt mit irgendwelchen Opfern.

      Alles irgendwie schlimm. Ohne Struktur. Irgendwie passiert. Wie die Gewalt gegen Frauen.

    • @MartinSemm:

      Von wem geht denn die meiste Gewalt aus, egal gegen wen? Ach ja, von Männern. Kann dieses Rumgeheule unter jedem Artikel nicht mehr ertragen.

      Warum ist es für manche Männer ein Problem, sich einzugestehen dass eine nicht geringe Menge des eigenen Geschlechts ein Problem mit Frauen hat? Ich kann das auch, ohne gleich in einen Kommentarbeißreflex zu verfallen der alles relativieren muss, damit ja nicht der gute Ruf der Männer beschmutzt wird. Aber vielleicht müssten da manche zu sehr über ihre eigene Einstellung nachdenken :)

    • @MartinSemm:

      Es ist an sich doch kein Widerspruch, Gewalt gegen Frauen UND Gewalt gegen Männer zu kritisieren. In beiden Fällen muss man sich allerdings, wenn man die Gewalt abschaffen und nicht nur unter dem Vorwand einer Sorge um die Opfer derailen will, die Täter*innengruppe angucken. Und das sind überwiegend Männer, besonders deutlich im Fall von sexueller Gewalt (sowohl gegen Frauen als auch gegen queere Leute, Kinder und eben auch Männer). Daher der besondere Fokus auf Männer, der Feminist*innen seit jeher von Leuten wie Ihnen reflexhaft als "Gegeneinander" vorgeworfen wird.

    • @MartinSemm:

      Weil die Ideologie besagt, dass Beziehungsgewalt ein Produkt des Patriarchats ist. Da passt es nicht ins Bild das mit mindestens einem Fünftel zu einem beträchtlichen Anteil Frauen die Täterinnen sind. Ob den Opfern damit gedient ist, aus Beziehungsgewalt einen ideologischen Geschlechterkonflikt zu machen, kann man allerdings bezweifeln.

    • @MartinSemm:

      Ich kann Ihnen nur zustimmen. Die Gewalt Mann gegen Frau ist KEIN Tabu mehr: Der obige Beitrag beweist es. Das eigentliche Tabu ist heutzutage die meist psychische Gewalt Frau gegen Mann (z. B. Kontaktverbot zu den gemeinsamen Kindern). Im Zeitalter der Geschlechtergerechtigkeit darf auch diese Richtung der Gewalt nicht außen vor bleiben, auch wenn sie sich nicht so einfach auf Pressefotos bannen lässt!



      Hier ein weiterer Link: www.bmfsfj.de/blob...ngfassung-data.pdf



      Offenbar war die Regierung damals (2004) schon weiter als die Medien bis heute. Letztere befassen sich nach wie vor kaum mit Gewalt gegen Männer in der Partnerschaft.



      Wie wär’s, wenn z. B. die TAZ mal diesem Zustand abhilft?

    • @MartinSemm:

      Häufig übt der kräftigere Gewalt gegen den schwächeren aus.



      Es wäre daher eine interessante Untersuchung, wie die Gewaltausübung vom Kräfteunterschied (z.B. zierliche Frau - kräftiger Mann oder umgekehrt) abhängt.

    • @MartinSemm:

      Du hast Recht, auch Männer werden Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt. Menschen aller Geschlechter werden Opfer davon. Dieses Phänomen hier (Gewalt insbesondere gegen Frauen durch männliche Partner) hat besondere Relevanz. Früher war das sozial akzeptabel bis rechtlich teilweise gedeckt. Es deutet auf ein tiefgreifenderes Problem hin. Unser jetziger Einblick darauf, selbst wenn das RKI sagt, die Zahlen seien jetzt vergleichbar mit entsprechenden Gewalttaten ggü. Männern, ist auch hoffentlich der einer Gesellschaft, in der es zunehmend an's Tageslicht gerät. Die Geschichte dahinter kann man aber nicht ausblenden.

    • 9G
      90946 (Profil gelöscht)
      @MartinSemm:

      Warum vs. Männer? Seltsamer Einwand. Weil in den meisten Fällen Männer gewalttätig sind. Und Frauen in den meisten Fällen Opfer dieser ebendieser Gewalt. Deshalb.



      Und ja, auch Männer sind betroffen und ja, jede Form von Gewalt, auch psychische ist verwerflicher Mist.

    • @MartinSemm:

      Danke!



      Geht mir auch seit Jahren auf den Zeiger!!