Sondierungen zur Regierungsbildung: Jamaika ist nicht tot

Die Hürden für eine Ampelkoalition sind besonders in der Finanzpolitik noch sehr hoch. Am Ende könnten sich die Grünen flexibler zeigen als die FDP.

Laschet und Baerbock mit Regenschirmen.

Noch steht Laschet nicht alleine im Regen: Hier nach dem Treffen CDU/CSU-Grüne am 5. Oktober Foto: Kay Nietfeld/dpa

Ist Jamaika tot? Abwarten. Die Lage ist offener, als es scheint – auch wenn Armin Laschet wie ein Dead Man Walking wirkt. Aber die SozialdemokratInnen und diejenigen Grünen, die lieber mit der SPD regieren wollen, sollten sich nicht zu sehr in Sicherheit wiegen. Es läuft keineswegs alles automatisch auf eine Ampel unter einem Kanzler Olaf Scholz zu. Jamaika, ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen, hat durchaus noch eine kleine Chance.

Dafür gibt es vier Gründe. Erstens: Die Verhandlungen zwischen SPD, FDP und Grünen werden langwierig und zäh, auch wenn die Beteiligten gerade so tun, als seien sie schockverliebt. SPD und Grüne wollen in der Finanzpolitik, die die Grundlage für vieles ist, etwas grundsätzlich anderes als die FDP. Diese Kluft ist schwer zu überbrücken, ein paar Schattenhaushalte helfen da nicht.

Auch ein Finanzminister Christian Lindner ist für SPD und Grüne im Grunde schwer tragbar, denn das Blockadepotenzial für die Regierungs­arbeit wäre immens. Es gibt also enorm hohe Hürden für die naheliegende Ampel­option. Zweitens: Die FDP würde Verhandlungen mit der Scholz-SPD sofort platzen lassen, wenn sich die Jamaika-Option materialisieren ließe. Lindner hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass er den Lagerwechsel nicht will.

Drittens: Die Grünen sind ideologisch flexibler als die Lindner-FDP. Wichtige Grüne finden, dass man mit der Union mehr Klimaschutz schaffen kann als mit der SPD. Robert Habeck tendiert zur bürgerlichen Mitte, er hat in Schleswig-Holstein 2017 die Koalition mit CDU und FDP einem Ampelbündnis vorgezogen. Viertens wäre der Diskurs nach langen, gescheiterten Ampelverhandlungen ein völlig anderer als heute.

Dass die Union die Wahl verloren hat, wäre kein großes Thema mehr. Stattdessen ginge es darum, dass das Land eine Regierung braucht. Kurz: um staatspolitische Verantwortung. Würde die Grünen-Basis in einer solchen Situation gegen Jamaika votieren? Selbstverständlich nicht. Wenn Olaf Scholz Fehler macht und die Union geschäftsfähig bleibt, ist alles möglich.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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