Julia Neumann über den UN-Kompromiss zu Syrien-Hilfslieferungen
: Erpressbare UNO

Die USA und Russland loben sich dafür, im Sicherheitsrat einen Kompromiss für die Hilfslieferungen nach Nordwestsyrien gefunden zu haben. Doch der Kompromiss, dass die UNO nun für weitere sechs Monate Hilfen über die Türkei an 4 Millionen Notleidende schicken kann, ist ein Versagen. Schon im Winter muss erneut darüber debattiert werden, wie die Millionen Vertriebenen, die in unfertigen Häusern oder Zelten leben, an Essen kommen. Mit einem einzigen, für Hilfen offenen Grenzübergang wird lediglich der Status quo erhalten.

Russland hatte mit der Souveränität Syriens argumentiert und damit die Frage nach humanitärer Hilfe wieder einmal zu einer geopolitischen gemacht. Doch Hunger darf kein politisches Druckmittel sein, um eine Zusammenarbeit mit Assad zu erzwingen. Russland erzwang von UNO-Generalsekretär António Guterres auch eine Einschätzung über alternative Routen für die Hilfsgüter via Damaskus. Doch das ist Humbug: Die Güter müssten dann von Damaskus im Südwesten des Landes aus nach Nordwestsyrien gebracht werden – entlang der Frontlinie in Rebellengebiete, die Assad aushungern möchte. Mehr noch: Die Hilfen könnten vom Regime selbst abgezwackt werden.

Die irrsinnige Debatte darüber, eine Lebensader offenzuhalten, zeigt einmal mehr, dass die Institution des Sicherheitsrats mit fünf großen Vetomächten den Grundsätzen der humanitären Hilfe widerspricht: Er verhindert Unparteilichkeit und macht die UN zu einem politischen Instrument, das von alten Großmächten lenk- und erpressbar ist.

Dass sich die UNO politischem Druck beugt, hat sie schon mehrfach bewiesen: Die syrische Regierung drohte seit 2011 immer wieder damit, der UNO Visa und Genehmigungen zu entziehen, sollten Grenzübergänge gegen ihren Willen passierbar bleiben. Die UNO musste sich darauf einlassen, um zumindest jenen Hungernden zu helfen, die in den Gebieten unter Assads Führung leben. Die großen Geberländer, darunter auch Deutschland, müssen daher dringend alternative Wege finden, um auch ohne UN-Mandat eigenständig Medizin, Zelte und Mehl an Zi­vi­lis­t*in­nen liefern zu können.

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