taz-Community über Klima und Klassismus: „Fokus auf Konsum ist ineffektiv“

Die Klimakrise trifft arme Menschen am härtesten – diese sind aber oft von Debatten ums Klima ausgeschlossen. taz-Leserinnen berichten von Klassismus.

Bioprodukte liegen in einem Einkaufswagen

Wenn Klimaschutz auf Konsumverhalten reduziert wird, sind Arme oft nicht mitgedacht Foto: Daniel Karmann / dpa

An vielen Stellen zeigt sich: Vor allem die Lebensweisen reicher Menschen haben zum Klimawandel geführt. In der taz schrieb der Klassismus-Experte Andreas Kemper kürzlich: „Man kann und muss auch […] von Klimaklassismus sprechen. [… Der] vor allem von Reichen gemachte Klimawandel trifft Arme besonders hart.“

Auf unserem Instagram-Kanal zur Klimakrise haben wir unsere Community gefragt: „Wie erlebst Du Klassismus in der Klimakrise oder in der Klimabewegung?“ Die Antworten kamen von Menschen aus Arbeiter:innenfamilien, aber auch von Nicht-Arbeiter:innen, die Klassismus beobachtet haben. Hier veröffentlichen wir eine Auswahl.

„Wie erlebst Du Klassismus in der Klimakrise oder in der Klimabewegung?“

Emma Rosenstock im Porträt

Emma Rosenstock Foto: privat

Hochstapler-Syndrom. “Wieso kämpft ihr für Klimagerechtigkeit?“ war die Vorstellungsfrage bei meinem ersten Plenum in der neuen Klimagruppe vor drei Jahren. Ich war davor schon im Klimakontext aktiv und wollte in der neuen Stadt weitermachen. Es ging der Reihe um. Meine Aufregung wuchs mit jeder schlauen Antwort. Fast alle beherrschten das Vokabular, wussten, wie sie intellektuell klingend antworten konnten. Ich war eingeschüchtert, aber versuchte mich daran. Ich hatte Angst als ungebildetes Ar­bei­te­r:in­nen­kind aufzufliegen. Zwischen all denen, die ihr bildungsbürgerliches Auftreten geerbt hatten. Eigentlich wusste ich genau, wieso ich da war, in die richtigen Worte fassen konnte ich es in dem Moment aber nicht.

Emma Rosenstock, 24, Tübingen

Scham beim Einkaufen. Klimaklassismus sehe ich vor allem, wenn durch Politik und Unternehmen dem Verbraucher die Verantwortung auferlegt wird klimaneutral zu sein, um sich selbst der Verantwortung zu entziehen. Dadurch entsteht eine gewisse Scham, wenn sich jene Verbraucher die – deutlich teureren – Produkte nicht leisten können. Dadurch werden sowohl kapitalistische Machtstrukturen verstärkt als auch das Image der Unternehmen aufpoliert, sie bieten ja klimaneutrale Produkte an.

Laura H., 16, Berlin

Nina Anzenberger im Porträt

Nina Anzenberger Foto: privat

Ungerechte CO2-Bepreisung. Ich halte die aktuelle Form der CO2-Bepreisung für sozial ungerecht, da sie insbesondere lohnabhängige Ge­ring­ver­die­ne­r*in­nen trifft. Es ist Ver­mie­te­r*in­nen vorbehalten zu entscheiden, ob sie auf klimafreundliche Heizungen setzen oder die gestiegenen Heizölkosten über die Nebenkostenabrechnung oder eine Mieterhöhung an Mie­te­r*in­nen weitergeben. Haushalte, die ohnehin schon den Großteil ihres Einkommens für Konsumausgaben verwenden, müssen dann an anderer Stelle Abstriche machen. Ein sozial gerechter und ambitionierter Klimaschutz sieht anders aus.

Nina Anzenberger, 22, München

Melda Demir im Porträt

Melda Demir Foto: privat

Ungleichheit für POC. Der Vorwurf, die deutsche Klimabewegung sei ein weißes Phänomen, stimmt schon auf den ersten Blick. Die Tatsache, dass die prominentesten Vertreterinnen und Vertreter in Sachen Klima keine POC oder Personen mit Migrations- oder Fluchthintergrund sind, zeugt von einer großen Ungleichheit. Junge Heranwachsende aus Ar­bei­te­r:in­nen­fa­mi­li­en fallen ebenfalls darunter. Auch wenn sich Organisationen wie „Fridays For Future“ darum bemühen, antirassistische und postmigrantische Strukturen zu etablieren, bleiben konkrete Veränderungen in der internen Ordnung als auch in der medialen Berichterstattung aus. Es gibt Ausnahmen, die wiederum die Regel bestätigen. Und die Regel ist weiß.

Melda Demir, 20, Frankfurt/Main

Fokus auf Kosumverhalten. Für mich ist klar: die Folgen der Klimakrise können nur durch den Wechsel unserer Wirtschaftsweise eingedämmt werden. Der Verweis auf das Konsumverhalten einzelner ist daher nur wenig effektiv und lenkt von eigentlich notwendigen Schritten ab. Es freut nur Unternehmen, die ihre Gewinnspanne so weiter aufrechterhalten und die Kosten an uns Ver­brau­che­r*in­nen weitergeben können. Die Klimakrisenbewältigung braucht nicht nur einen ökologischen, sondern vor allem auch einen sozialen Umbau, da ohne Berücksichtigung der finanziell Schwächeren die Unterstützung für notwendige Maßnahmen weiter sinken könnte. Dabei brauchen wir dringend Mehrheiten für progressive Klimapolitik!

Antonia W., 18, Dresden

UPDATE 28.05.: Ein Statement wurd entfernt, weil die Teilnehmerin nicht mehr mit der Veröffentlichung einverstanden war.

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