Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes: Geht doch!

Die Regierung musste erst vom Verfassungsgericht zu mehr Klimaschutz verdonnert werden. Und plötzlich ist einiges möglich.

Bei einer Greenpeace-Aktion steht ein CO-2 Schriftzug vor dem Brandenburger Tor, aus dem Flammen schlagen. Mit der Aktion fordern Aktivisten der Umweltschutz-Organisation Greenpeace die Bundesregierung auf, den CO-2 Ausstoß in Deutschland weiter zu reduzi

Was gestern noch unerreichbar schien, ist heute Mainstream: Klimaprotest von Greenpeace Foto: Jörg Carstensen/dpa

BERLIN taz | Da war Freundin S. aber baff: Schon drei Tage nach Meldung hatte ihre Versicherung Geld für das geklaute Fahrrad überwiesen. Ein Bekannter war überrascht, wie effizient sein Impftermin verlief. Andere erzählen erschüttert von pünktlichen Zügen der Bahn. „Geht doch!“, sagen dann alle und zweifeln plötzlich an ihren Zweifeln.

Und dann macht die Regierung auch noch in nur zwei Wochen ein neues Klimaschutzgesetz (KSG), das sich sehen lassen kann. Geht doch.

„Geht ja gar nicht“, höre ich Sie rufen: Das Gesetz kommt zu spät; es hat nur Ziele, keine Maßnahmen; die Regierung musste erst vom Verfassungsgericht dazu verdonnert werden; es ist nicht konform mit dem Pariser Abkommen.

Stimmt, stimmt, stimmt, stimmt nicht. Das mit dem Pariser Abkommen ist komplizierter, als es manchmal Fridays for Future darstellt, denn Deutschland hat sich dort keineswegs direkt verpflichtet, vor 2050 klimaneutral zu sein, um 1,5 Grad zu halten. Die genauen Paris-Pflichten sind absichtlich unscharf gehalten. Aber egal: All die anderen Punkte sind völlig korrekt. Und trotzdem ist das KSG ein Grund zum Feiern. Warum nicht gleich so? Geht doch!

Mehr geht kaum

Noch vor drei Jahren, als die Verhandlungen zum Kohleausstieg tobten, noch vor zwei Jahren, als das KSG für die CDU/CSU „Öko-Planwirtschaft“ war und noch vor einem Jahr, als es in der Coronakrise Wichtigeres zu tun gab, hätte ich für so ein Gesetz meine Oma verkauft und den Opa gleich noch dazu: die Pflicht und der Pfad für alle kommenden Regierungen, bis 2045 bei null Emissionen zu landen – abgesichert durch das höchste deutsche Gericht. Mehr geht kaum. Aber nicht nur in der Klimawissenschaft gibt es „shifting baselines“, also die Verschiebung der Maßstäbe – auch beim Klimaprotest ist heute unannehmbar, was gestern noch unerreichbar schien.

Das ist verständlich. Der Klimawandel galoppiert uns davon, und nichts ist deshalb im politischen Prozess wichtiger als der Stachel im Fleisch der Politik: die erfolgreichste deutsche Umweltbewegung, die „Fridays“. Gut, dass sie weiterhin nerven. Aber wer Erfolge nicht sehen und feiern kann, der verliert den Fokus und den Bezug zur Realität. Und er nimmt den Mitkämpfenden ihren wichtigsten Rohstoff: den Mut und die Hoffnung auf Veränderung.

Wer seine Vorräte daran aufstocken will, könnte sich dieser Tage beim Ökumenischen Kirchentag umsehen, bei vielen klugen und ermunternden Leuten und Debatten. Begonnen hat die Veranstaltung an Christi Himmelfahrt. Daran muss man nicht glauben. Mir würde es ja schon reichen, wenn wir unsere gemeinsame Höllenfahrt verhindern könnten.

Wir sollten uns keine falsche Hoffnungen machen. Dagegen hilft Einsicht in das Nötige. Aber wir sollten auch den Blick auf das Mögliche richten. Denn wenn „Geht doch“ nicht mehr gilt, dann geht bald gar nichts mehr.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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