Katja Kipping über „Zero Covid“: „Absicherung muss besser werden“

Die Linkspartei-Chefin begrüßt die Forderung der Zero-Covid-Initiative. Sie sieht vor allem eine Gruppe in der Verantwortung.

Katja Kipping

Macht sich stark für einen solidarischen Lockdown: Katja Kipping Foto: Reuhl/imago

taz: Frau Kipping, bislang gab es Covid-Proteste vor allem von rechts. Nun hat sich mit Zero Covid eine linke Initiative gebildet. Der Name ist Programm: mit hartem Lockdown die Zahl der Neuinfektionen auf Null drücken. Was halten Sie von dieser Forderung?

Katja Kipping: Ich freue mich, dass es eine Initiative gibt, die auf die enormen Folgen und auf das Leid hinweist, das mit Corona einhergeht. Das ist gesellschaftlich ein wichtiges Gegengewicht zu den rechten Coronaverharmlosern und Querdenkern.

Ist diese Forderung denn realistisch?

Das ist natürlich eine sehr ambitionierte Zielsetzung. Aber vielleicht muss eine Initiative, die bewusst ein Gegengewicht sein will, auch ambitioniert sein. Es wäre schon viel gewonnen, wenn wir in Deutschland eine Situation haben, wie sie vom Max-Planck-Institut ins Gespräch gebracht wurde. Dass wir die Zahlen pro Tag auf maximal 1.000 Neuinfektionen drücken, weil dann die individuelle Nachverfolgung sichergestellt ist und wir wieder soziales Leben ermöglichen können. Momentan ist das Ziel der Maßnahmen, den kompletten Zusammenbruch des Gesundheitssystems und der Krematorien zu verhindern. Das ist wichtig. Aber natürlich kann es nicht nur um die Abwendung des Allerschlimmsten gehen. Unser Ziel sollte schon sein, dass wir in einen Zustand kommen, wo wir soziales Leben in all seiner Vielfalt wieder ermöglichen können.

geboren 1978 in Dresden, führt seit 2012 gemeinsam mit Bernd Riexinger die Linkspartei. Beide haben Ende August verkündet, nicht mehr für den Vorsitz zu kandidieren. Die Wahl einer neuen Spitze wurde wegen Corona auf Februar 2021 verschoben.

Die Initiative fordert auch die Schließung von Betrieben. Die Bundesregierung weigert sich bislang, den Arbeitgebern verpflichtende Auflagen zu erteilen. Was ist Ihre Haltung?

Die bisherigen Lockdown-Maßnahmen der Bundesregierung haben ganz klar eine Schlagseite. Ich habe schon mehrfach kritisiert, dass die Bundesregierung die Last der Kontaktbeschränkungen faktisch allein auf die Privathaushalte ablegt. Der Verbreitungsweg eines Virus endet aber nicht dort, wo Lobby-Interessen betroffen sind. Die Regierung sollte endlich den Mut haben, auch die Arbeitgeberseite verbindlich in die Pflicht zu nehmen. Wo Arbeit im Homeoffice erledigt werden kann, muss es das Recht auf Homeoffice zur Kontaktreduktion geben. Wo Arbeit weiterhin vor Ort erfolgen muss, sollte es klare und verbindliche Infek­tionsschutzmaßnahmen geben – die zur Not auch mit unangemeldeten Kontrollen und Bußgeldern durchgesetzt werden. Es kann nicht sein, dass Amazon-Sortierzentren immer wieder zu Hotspots werden, weil dort beim Infektionsschutz weiter geschlampt wird.

Ihre Parteigenossin Sahra Wagenknecht hat in einem Interview geäußert, dass sie selbst das Ziel der Bundesregierung, die 7-Tage-Inzidenz auf 50 zu senken, für unrealistisch hält. Sie fordert, sich bloß auf den Schutz der Risiko­gruppen zu konzentrieren, ansonsten aber schon jetzt zu lockern.

Ist das wirklich ihre Position? Ich hatte die Tage mehrere Debatten in der Partei und in der Fraktion. Und da ist so eine Position von niemandem vertreten worden. Die gemeinsame Position der Partei lautet: Wir machen uns stark für einen solidarischen Lockdown. Und das bedeutet: Neben unserer Forderung, die Arbeitgeber beim Infektionsschutz in die Pflicht zu nehmen, muss auch die soziale Absicherung besser laufen. Auch daran hapert es derzeit.

Werden Sie den Aufruf der Initiative unterschreiben?

Ich werde auf jeden Fall informieren, dass es diese Initiative gibt. Als Linke haben wir unseren Ansatz des solidarischen Lockdowns, die Initiative hat ihren. Und das ist auch gut so. Nicht alles, was ich sympathisch finde, muss man parteipolitisch okkupieren.

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