Streit um Impfstoff-Beschaffung: Gerechtigkeit für die SPD

Die SPD hat mit ihrer Kritik am Impfkurs von Gesundheitsminister Spahn recht. Sie agiert wie eine Oppositionspartei, die Grünen oft staatstragend.

Ein Mann redet im Bundestag, dem Parlament

Jens Spahn bei seiner Regierungserklärung im Bundestag Foto: Kay Nietfled/dpa

Die SPD hat eigentlich in letzter Zeit viel richtig gemacht. Sie hat dafür gesorgt, dass die EU in der Krise Geld lockergemacht hat. Und sie hat vom Kurzarbeitergeld bis zum Konjunkturpaket viel gegen die widerstrebende Union durchgesetzt. Doch die Aussichten im Wahljahr sind trübe. Dass sie in Sachen Impfen nun Gesundheitsminister Jens Spahn anschießt, wirkt wie ein verzweifelter Versuch, endlich mal aus Merkels Schatten zu treten. Ist das also die Flucht aus dem lähmenden Korsett der Verantwortung – ausgerechnet in einer Krise, in der man keine Koalition braucht, die sich gegenseitig die Schuld zuschiebt? Und ist es Zufall, dass die SPD ihre Attacke auf Spahn scharf stellt, der für höhere Aufgaben in der Union gehandelt wird?

Wenn die SPD-Spitze mit diesem Angriff Punkte machen wollte, muss man sagen: Das Manöver ist gescheitert. Alles bloß Wahlkampf, so das mediale Echo. Nichts ist für Parteien schädlicher als das Image, nur eigene Wahlchancen im Blick zu haben.

Doch vielleicht hat die SPD mehr recht, als es scheint. Die Firma Biontech hat Deutschland im November 200 Millionen Impfdosen angeboten. Minister Spahn lehnte das Angebot ab. Im Coronakabinett kam das, folgt man der SPD, nie zur Sprache. Wenn es stimmt, ist Spahn, der diese Frage im Bundestag umkurvte, für eine Fehlentscheidung verantwortlich.

Denn früher mehr Impfstoff zur Verfügung zu haben wäre angesichts der monströsen sozialen und finanziellen Kosten der Pandemiebekämpfung richtig und nötig gewesen. Dies wäre kein Verstoß gegen die verabredete gemeinsame europäische Beschaffung des Impfstoffs gewesen. Der SPD zu unterstellen, dass sie die nationale Karte spiele, ist verquer.

Die Debatte im Bundestag offenbart eine kuriose Lage. SPD-Mann Carsten Schneider formuliert eine zündende Anklage gegen die Union, die einem Oppositionspolitiker gut angestanden hätte. Die grüne Opposition hingegen applaudiert brav Spahn und warnt die SPD, in der Krise Zwietracht zu schüren. Eigentlich soll die Opposition der Regierung Versäumnisse nachweisen und das Argument, dass in der Krise alle zusammenstehen müssen, aushebeln.

Doch bei den Grünen scheint die fiebrige Erwartung, bald zu regieren, alles andere zu verdrängen. Die SPD als Oppositionsführerin, die Grünen als stocksteif staatstragende Regierungspartei – die Debatte im Bundestag schien wie ein Zukunftsbild, das im Jetzt aufblitzt.

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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