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Pestizidhersteller MonsantoDie heimlichen Glyphosat-Gelder

Pestizidproduzent Monsanto gab im Lobby-Register an, 1,5 Millionen Euro in Europa gezahlt zu haben. Doch es war zehnmal so viel – nur für Glyphosat.

In Lyon protestierten im vergangenen Jahr Menschen gegen Monasanto Foto: Nicolas Liponne/ZUMA Press/imago

Berlin taz | Der Pestizidhersteller Monsanto hat viel mehr für Lobbyarbeit zur Wiederzulassung von Glyphosat gezahlt, als er im EU-Transparenzregister angegeben hatte. Das US-Unternehmen überwies der PR-Agentur FleishmanHillard für die Kampagne 2016/2017 rund 14,5 Millionen Euro, wie aus einem Bericht im Auftrag des Bayer-Konzerns hervorgeht, der Monsanto 2018 übernommen hat. Monsanto teilte dem amtlichen Register jedoch mit, man habe maximal 1,45 Millionen Euro für seine gesamte Lobbyarbeit von September 2016 bis August 2017 aufgewendet – genauso wie im Jahr danach.

„Monsanto hat die Öffentlichkeit irregeführt“, sagte Nina Holland, Rechercheurin bei Corporate Europe Observatory (CEO), am Dienstag der taz. Das Transparenzregister von EU-Kommission und Europaparlament soll offenlegen, wie Organisationen mit finanziellen und personellen Mitteln die Politik beeinflussen.

Ziel der Lobbykampagne von Monsanto war die Wiederzulassung von Glyphosat in der EU, was 2017 tatsächlich erfolgte – obwohl die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation den weltweit meistverkauften Pestizidwirkstoff 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft.

Anmerkung der Redaktion vom 08.06.2020: Beim Redigieren des Artikels ist leider gelöscht worden, dass die „Krebsforschungsagentur“ der WHO die Einstufung von Glyphosat vorgenommen hat. Das haben wir nun ergänzt.

FleishmanHillard legte Listen über insgesamt 1.500 Industrie- und Verbandsvertreter, Politiker, Lobbyisten und Journalisten in mehreren EU-Ländern an. Die Agentur sollte Argumentationen entwickeln und zum Beispiel Bauern helfen, in Briefen an Politiker für das Pestizid zu werben. An der Kampagne beteiligten sich 59 Lobbyisten von FleishmanHillard oder deren Sub-Auftragnehmer. All das veröffentlichten die Unternehmen erst, nachdem Medien 2019 auf die Datensammlungen der PR-Leute gestoßen waren.

Register muss jegliches Lobbying enthalten

Jetzt will das Transparenzregister der Europäischen Union seine Regeln verschärfen

„Es gab keinen Zweifel, dass die Summe von 14,5 Millionen Euro hätte offengelegt werden müssen“, sagte CEO-Aktivistin Holland. Den Regeln zufolge muss das Register jegliches Lobbying „zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf EU-Organe, unabhängig vom Ort, an dem die Tätigkeiten ausgeführt werden“, enthalten.

„Die Wiederzulassung von Glyphosat war eine EU-Entscheidung, mit einer endgültigen Abstimmung durch die EU-Mitgliedstaaten“, argumentiert die Aktivistin. FleishmanHillard habe gezielt Entscheider in Brüssel sowie in den EU-Ländern beeinflusst. Die Firmen hätten die Kosten in ihren Registereinträgen nennen müssen. „Das hätte der Öffentlichkeit und den Entscheidungsträgern ein realistischeres Bild der Lobbymacht der Pestizidindustrie vermittelt“, sagte Holland. Monsanto und FleishmanHillard müssten aus dem Register gestrichen werden – und dadurch den Zutritt zu Gebäuden des Europäischen Parlaments verlieren.

Das Sekretariat des Registers antwortete CEO, Monsanto habe nur die Kosten für das Lobbying in Brüssel, aber nicht die Tätigkeiten in den Mitgliedsländern gemeldet. Um Interpretationen in diesem Sinne künftig zu verhindern, werde man die Regeln ändern. Da Monsanto nach der Übernahme keinen eigenen Eintrag im Register mehr habe und Bayer die Zahlen schließlich veröffentlicht habe, seien keine weiteren Sanktionen nötig.

Die angekündigte Klarstellung begrüßte CEO. Aber „Strukturprobleme“ des Registers, weshalb zu geringe Angaben über Lobbyausgaben lange unentdeckt blieben, würden fortbestehen: Das Sekretariat habe zu wenig Personal, um die Daten zu prüfen, sagte Holland. Bayer-Sprecher Holger Elfes schrieb der taz, dass der Konzern „anders [als Monsanto] gehandelt und auch die Aktivitäten in den EU Mitgliedstaaten in seine Erklärung aufgenommen“ habe. „Wir werden selbstverständlich auch in Zukunft höchste Standards in Sachen Transparenz einhalten“, so Elfes.

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19 Kommentare

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  • *obwohl die Weltgesundheitsorganisation den weltweit meistverkauften Pestizidwirkstoff 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft*



    Können wir bitte mal diese Aussage in die Mülltonne treten? ich empfehle, sich die Liste der Stoffe mit der gleichen Einstufung mal selber anzusehen und sich zu wundern, wie gefährlich der Alltag in dieser Hinsicht ist.

  • Vor der Existenz von Roundup aka Glyphodings ist die Menschheit bekanntlich wg. berhardscher Oberflächentrockenheit alle 2-3 Jahre vollständig verhungert. - Wie hat man das nur um 1970 gemacht?

  • Die Alternative zu Glyphosat ist der Pflug. Die Evolution hat weder den Pflug noch Glyphosat vorgesehen. Wer glyphosat nicht einsetzen will muss Pflügen! Nach den Pflügen ist der Boden nackt und ohne Bewuchs. Der Boden ist durch Austrocknung, Wind und Starkregen extrem gefährdet. Beim Einsatz von Glyphosat können die abgestrobenen Pflanzenteile auf der Bodenoberfläche verbleiben und schützen so den Boden. Weniger Bearbeitung bedeutet mehr Humus, ein besserer Wasserhaushalt und mehr Bodenleben.

    • @Bernhard Hellweg:

      Sie argumentieren viel zu rational. Es ist ja richtig, dass Glyphosat die Bodenerosion vermindert. Das zählt aber nicht. Glyphosat ist böse, bohrt man nach und fragt, was denn daran so böse ist, bekommt zur Antwort: weil es von Monsanto ist. Das belegt jetzt zwar noch nicht die Gefahren, die von diesem Mittel ausgehen, aber der Hinweis auf Monsanto genügt den meisten ja schon.



      Fragt man danach worin die Schädlichkeit bestehen soll, erhält man kaum vernünftige Antworten. Den Wirkmechanismus kann eh kaum jemand beschreiben. Aber Biolandbau mit Kupfersulfat, das nun nachweislich giftig und in schon weitaus geringere Dosen tödlich, der geht in Ordnung.

  • Im Schweisse deines Angesichts sollst du dein Brot essen. Die Hacke mit Chemie tauschen ist da nicht drin.

    • @Friedrich Helmke:

      Als dieser Satz geschrieben wurde, gab es auch keine Dusche, Heizung für jedes Haus, Urlaub, Autos, Flugzeuge usw....



      Wenn Landwirte Arbeiten sollen wie vor 2000 Jahren, dann sollen auch alle so Leben wie vor 2000 Jahren, währe für die Welt sowieso das Beste.

  • Es sind insbesondere die CDU und FDP die sich gegen eine verstärkte LobbyTransparenz zur Wehr setzen.



    Doch meine größere Sorge gilt nun den Vorstandsgehältern und Bonuszahlungen von Bayer. Denn für die bestand doch vor der Übernahme von Monsanto keine Möglichkeit zu erkennen, wie gesundheitsbedenklich Glyphosat war und ist; denn sonst hätten sie ja sicherlich die Übernahme von Monsanto nicht einmal erwogen, welche sich jetzt zu einer der größten Fehlentscheidungen der Firmengeschichte entpuppt hat. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Vorstand da von einem Analysten aus dem mittleren Management falsch informiert wurde, welcher jetzt unbedingt entlassen gehört.



    Vorstandsgehälter bei Bayer rauf, plus Bonuszahlungen, und Dividendenausschüttungen auf Steuerzahlerkosten.



    Ich mag unsere schöne neoliberale Welt.



    😉

    • @tazeline:

      Der kauf von monsanto war teil der politik.... Monsanto hat bayer vor knapp 100 jahren bestohlen, nun kauft bayer monsanto, wer diesen unnötigen kauf nicht geschichtlich, politisch beleuchtet, hat denke ich gar nix verstanden. Monsanto ist durch die geklauten patente von bayer erst zu dem geworden was es ist

  • In Zeiten des Klimawandels mit immer mehr extremen Wetterereignissen wird Glyphosat auch für die mitteleuropäische Landwirtschaft immer mehr systemrelavant. Landwirtschaft ohne Glyphosat würde unsere Böden extrem schädigen, durch Humusabbau und Erosion. Übrigens, in den "Great Plains" von Nordamerika wäre ohne Glyphosat kein Ackerbau mehr möglich.

    • @Bernhard Hellweg:

      Die Böden SIND kaputt, weil sie durch chemisch gestärktes Extremwachstum und Monokulturen völlig ausgelaugt wurden: Misswirtschaft.

      Jetzt zu behaupten, man könne nur mittels noch mehr Chemie überleben, ist Zynismus und Lüge.

    • @Bernhard Hellweg:

      Herr Hellweg mal wieder fleissig dabei, wenn für die industrialisierte Landwirtschaft oder für die Atomenergie eine Lanze zu brechen ist.

      Wer nicht sieht, dass wir mit der Überindustrialisierung gegen die Wand fahren...

      (Nicht gesagt, dass der Wandel einfach wird).

    • @Bernhard Hellweg:

      dieser Beitrag hier oben von Bernhard Hellweg ist ein typisches Beispiel für Lobbyarbeit.

      Das Aufstellen einer globalen Behauptung ( In Zeiten des .... ...systemrelevant) und dann eine offensichtlich frei erfundene Schlussfolgerung anschliessen (ohne Glyphosat ...... Humusabbau und Erosion).



      Nach den neuen Twitterregeln käme jetzt ein Hinweis auf Seiten auf denen dies als Falschaussagen bewiesen wird.

      Der Hinweis, dass im mittleren Westen ohne Gift kein Anbau mehr möglich wäre ist so auch nicht richtig.



      Lediglich die jetzige, die Natur ruinierende Wirtschaftsweise lkommt langsam an ein Ende.



      Normale Landwirtschaft wird spätestens nach einer Erholungsphase des Bodens weiterhin oder wieder möglich sein.

    • @Bernhard Hellweg:

      Die Böden sind schon lange kaputt..... deswegen wächst ja nix mehr ohne chemie..... und alles nur für den export, für profit und für krankmachende Überernährung. Ohne chemie ist die deutsche Landwirtschaft nicht mal in der lage sein eigenes volk zu ernähren, so verarmt sind unsere minderwertigen böden.... das gilt für die industrielle Landwirtschaft weltweit....

      • @Datura:

        Sehr richtig - ohne Chemie war Deutschland seit 1880 nie in der Lage seine Bevölkerung zu ernähren - bei sehr viel größerer Fläche einschließlich aller nach dem Ersten Weltkrieg verlorenen. Übrigens bis zur Weimarer Republik ganz ohne "chemischen Dünger" und bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg weitestgehend ohne "chemische" Pflanzenschutzmittel.

        Wer der Meinung ist 2-3 Milliarden Menschen auf dem Planeten reichen (selbst unter günstigen Bedingungen lassen sich nicht mehr mit biologischer Landwirtschaft ernähren) und die restlichen rund fünf Milliarden Menschen können doch verhungern kann also gern weiterhin "chemiefreie" Landwirtschaft fordern.

    • @Bernhard Hellweg:

      Na, dann haben wir doch, was Monsanto immer wollte - ohne giftresistente und patentierte Pflanzen geht es nicht mehr.

      • @Lapa:

        wenn wir bald 8 Mrd. Menschen in Zeiten des Klimawandels ernähren wollen, wird es ohne Chemie und neue Zuchtmethoden nicht gehen.