Schwedens Staatsepidemiologe Tegnell: Anders macht es anders

Anders Tegnell steuert Schwedens Kampf gegen Covid-19. Dabei weicht er vom Weg der europäischen Nachbarn ab.

Porträt von Anders Tegnell, im hintergrund Gebäude

Der Christian Drosten Schwedens: Anders Tegnell Foto: Archiv

Stockholm taz | Deutschland mag in Christian Drosten eine Art inoffiziellen „Mister Corona“ haben. Schweden hat kraft Amtes einen „Staatsepidemiologen“. Seit 2013 ist das Anders Tegnell, ein Spezialist für Infektionskrankheiten mit Erfahrung beim Einsatz gegen Ebola und Schweinegrippe. Nun ist er für die Strategie der Corona-Bekämpfung verantwortlich. Seinen Empfehlungen vertraut die Regierung bislang bei allen ihren Maßnahmen.

Und nicht nur sie. Aftonbladet spricht schon von einem „Nationalidol“, das die Bevölkerung durch den Dschungel der Verhaltungsregeln im Umgang mit Covid-19 führe. Mit seiner unaufgeregten Art scheinen die SchwedInnen ihn ins Herz geschlossen zu haben. Obwohl er ja meist unangenehme Nachrichten zu verkünden hat.

Die Linie, die er von Beginn an konsequent verfolgt, wird im Ausland oft als Sonderweg beschrieben. Was Tegnell bestreitet: „Wir wollen dasselbe wie alle anderen Länder: Die Virusausbreitung so gut es geht zu verlang­samen.“ Anders macht es anders: Er hält nichts von überstürzten Panikmaßnahmen und wenig wirksamen Verboten.

Wichtig sei das Vertrauen der Bevölkerung. Die habe das Recht, erklärt zu bekommen, warum man ihre Freiheit und das gesellschaftliche Leben einschränke. Und warum eine andere nicht oder noch nicht notwendig sei, weil sie nur eine marginale Verlangsamung verspreche. Seine Botschaft: Hier habt ihr die Infos, jetzt könnt ihr selbst denken und entscheiden.

Keine Experimente

Bei der täglichen Pressekonferenz erscheint er im charakteristischen Wollpullover. Manchmal fällt es ihm schwer, seine Irritation zu verbergen, wenn er aus Journalistenfragen die Unterstellung heraushört, er nehme den Schutz der Bevölkerung nicht so ernst wie andere Länder: Nein, er unterwerfe die schwedische Bevölkerung keinem „Experiment“. Es stelle sich eher die Frage, ob nicht andere Länder gefährlich experimentierten, weil sie die Folgen eines langen Lockdowns gerade auf die Gesundheit der Menschen unterschätzten.

„Faszinierend“ findet Göteborgs-Posten Tegnell, der auf jede Frage eine „konkrete, durchdachte Antwort“ habe und nicht wie ein Politiker ausweiche und vorwiegend daran denke, wie er sich am besten vermarkten könne.

Dagens Nyheter lobt den 63-Jährigen als vorbildlichen Repräsentanten für die positiven Seiten einer 400 Jahre alten schwedischen Verwaltungstradition, die die obersten Behörden unabhängig von der Politik konstituiert hat. „Natürlich lastet ein enormer Druck auf ihm, den man ihm aber kaum anmerkt“, bewundert ein Ex-Kollege Tegnell: „Er hat eine unheimliche Energie und Arbeitskapazität.“

Wird ihm das Pendeln ins eineinhalb Stunden von Stockholm entfernten Linköping, wo er mit Frau Margit lebt, nicht zu viel? Nein, lacht Tegnell: Gerade beim Kontakt mit ­Mitreisenden „begegnet mir unheimlich viel Zuspruch, ja Liebe“. „Du machst einen tollen Job“, habe er heute gleich mehrfach wieder gesagt bekommen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.