Polizei will Erlaubnis für Datenanalysen: Präventives Durchleuchten

Die Reform des Hamburger Polizeigesetzes soll automatisierte Datenanalysen ermöglichen. Die Polizei will damit Straftaten vorhersehen können.

Ein Kriminalbeamter sitzt im Frankfurter Polizeipräsidium vor einem Laptop, auf dessen Bildschirm die Aufschrift "hessenDATA Daten-Analyseplattform" zu lesen ist.

Auch in Hessen sind neue Datenanalyse-Methoden bei der Polizeiarbeit ein Thema Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Kritik an der Reform des Hamburger Polizeigesetzes wächst: Als der rot-grüne Senat den Entwurf Ende Juli öffentlich machte, versprach er, es würde sich um eine „maßvolle Weiterentwicklung“ handeln. Doch Datenschützer*innen, Anwaltsvereine und die Opposition sehen weitreichende Eingriffe in die Grundrechte. Insbesondere die automatisierte Datenanalyse steht im Zentrum der Kritik. „Hier wird die Idee der Vorhersagung von Straftaten zur konkreten Ermittlungspraxis“, sagt Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion.

Der Paragraf 49 des Entwurfs soll der Polizei die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten durch automatisierte Datenanalyse erlauben. Mithilfe einer Software sollen „in polizeilichen Dateisystemen gespeicherte personenbezogene Daten“, wie es im Entwurf heißt, durchleuchtet werden. Die Ermittler*innen erhoffen sich dadurch, Beziehungen oder Zusammenhänge zwischen Personen, Gruppierungen oder Objekten besser erkennen zu können. Damit würden schwere Straftaten schon im Vorfeld verhindert werden – Predictive Policing nennt sich dieser Ansatz.

Um welche Daten es sich handelt, ist unklar. „Weder die Art der personenbezogenen Daten, die genutzt werden sollen, noch aus welchen Dateien die Polizei diese ziehen kann, ergeben sich aus dem Entwurf“, sagt Hamburgs oberster Datenschützer, Johannes Caspar. Daniel Schaefer, Sprecher der Innenbehörde, erklärt, es handle sich dabei um „rechtmäßig gespeicherte polizeiliche Dateien“.

Schneider kritisiert zudem, dass sich durch das Zusammenbringen unterschiedlicher Daten problemlos vermeintliche Gefahren konstruieren lassen: „Alles wird herangezogen“, sagt sie.

Predictive Policing nennt sich der Ansatz, Straftaten zu erkennen, bevor sie passiert sind

Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) kritisiert die Pläne ebenfalls. Unbescholtene Bürgerinnen und Bürger würden in den Fokus geraten: „Der Einsatz der Datenanalyse, lange bevor überhaupt eine konkrete Gefahr vorliegt, betrifft naturgemäß auch vollkommen legale Aktivitäten eines jeden“, sagt DAV-Sprecher David Albrecht.

Allerdings ist laut Caspar fraglich, ob der Paragraf aufgrund der fehlenden Begrenzung der Überwachung rechtmäßig ist. „Es lässt sich nicht erkennen, inwieweit limitierende Kriterien gegenüber umfassenden Massendatenverarbeitungen bestehen“, sagt der Datenschützer. Damit stelle der Paragraf einen intensiven Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.

Einen gleichlautenden Paragrafen gibt es seit 2017 in Hessen. Die als „Hessen-Data“ bekannte Analysesoftware baut auf der Software des umstrittenen US-amerikanischen Unternehmens Palantir auf. Ob Hamburgs Polizei ebenfalls die Software von Palantir nutzen will, sei noch offen, teilt die Innenbehörde mit. Gegen „Hessen-Data“ läuft derzeit eine Verfassungsbeschwerde.

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