Kolumne Die eine Frage: En marche!
Daniel Cohn-Bendit ist Europas glühendster Macron-Unterstützer. Warum schließen die deutschen EU-Grünen kein Bündnis mit Emmanuel Macron?
F ür einen entschiedenen liberalen Pro-Europäer gäbe es am 26. Mai eine ideale Wahl als Signal für eine EU des positiven Aufbruchs: Emmanuel Macron. Und da beginnt das Problem. Macrons En Marche („In Bewegung“) kann man in Deutschland nicht wählen. Man müsste also auf den deutschen Partner ausweichen. Das aber ist die FDP, eine Partei die vermutlich innerhalb der liberalen EU-Allianz Alde am weitesten von Macron entfernt ist, ganz zu schweigen von anderen zukunftspolitischen Bereichen. Was tun?
Die EU ist die große Leistung des produktiven Antagonismus zwischen Christdemokratie und Sozialdemokratie. Die beiden führenden politischen Kräfte der jüngeren Vergangenheit haben das Ding mit ihrer gemeinsamen Mehrheit zwar nicht gerockt, aber ordentlich geschaukelt.
Und nun ist das christdemokratisch-sozialdemokratische Zeitalter aus den bekannten Gründen vorbei, also wegen fehlender Antworten auf Erderhitzung, Globalisierung, Digitalisierung. Nun muss eine neue sozialökologisch-liberale Politik in der Hauptverantwortung Demokratie, Freiheit und Wohlstand emissionsfrei produzieren.
Das einzig sichtbare und sich europaweit wachsender Beliebheit erfreuende Alternativmodell bei dieser EU-Wahl heißt aber autoritärer Nationalismus. Man kann selbstverständlich sagen, dass dieses Modell ja nun gar keine Antworten habe. Aber das reicht nicht.
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Es braucht auch eine sichtbare und wählbare pro-europäische Alternative zum alten Erfolgs- und heutigen Auslaufmodell. Und sie muss eben – das ist der Abschied von „europäische Republik“-Träumen oder „alles neoliberal“– Altkadergeraune – raketenartig mehrheitsfähig werden, wie es Präsident Macron in Frankreich geschafft hat. Das war ein notwendiger Befreiungschlag aus dem zunehmend gelähmten Halbrechts-Halblinks. Aber es gibt kein Zurück mehr, und das macht Leuten auch Angst.
Lieber nicht bewegen als falsch bewegen? Das ist nicht nur Christian Lindners Strategie, sondern das Motto aller, die sichergehen wollen, dass sie keine Zukunft haben, aber zumindest nicht dafür haftbar gemacht werden. Ganz normale Feiglinge; wer spürte nicht selbst so einen Feigling in sich?
Womit wir bei den Grünen sind, die besonders laut „hier“ geschrien haben, als der Herrgott die Hasenfüße verteilte. Daniel Cohn-Bendit ist nicht nur Europas berühmtester Grüner, sondern Europas glühendster Macron-Unterstützer, und da ist es naheliegend, beide zu einer progressiven Allianz zusammenführen zu wollen, zumal Macron die Sozialökologie in sein politisches Sortiment aufgenommen hat.
Nun sind aber die deutschen EU-Grünen angepisst von Macron und die französischen sowieso. Weshalb sie die Sache so sehen, dass Macron beziehungsweise sein Adjutant Cohn-Bendit von ihnen die „Unterwerfung“ wolle. Was der für „idiotisch“ hält. Er habe nur gesagt, dass sich in beiden Parteiprogrammen so viele Überschneidungen fänden, dass ein Bündnis sich geradezu aufdränge.
Wenn man die Nationalisten bremsen will und gleichzeitig das christdemokratisch-sozialdemokratische Zeitalter offiziell beenden, dann braucht es zumindest nach der Wahl am 26. Mai ein loses ökoliberales Bündnis, das als dritter Mehrheits- und damit Machtfaktor mit um die 150 Stimmen im EU-Parlament mitmischt. Und am Ende vielleicht sogar Margrethe Vestager als Kommissionschefin durchsetzt. Unwahrscheinlich, okay, aber sie wäre das sichtbare Symbol dafür, dass etwas Neues beginnt. Das wäre der erste Schritt.
Schritt zwei ist ungleich wichtiger: ein ernsthaftes europäisches Zukunftsbündnis zwischen Macron und der Bundesregierung. Das muss das zentrale politische Angebot der Grünen bei der nächsten Bundestagswahl sein. Dann hat man wirklich eine Wahl.
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