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Wahlrecht ab 16 JahrenReifeprüfung für die Wahlurnen

Sollten 16-Jährige auf Bundesebene wählen dürfen? Die SPD-Fraktion greift diesen Vorschlag von Justizministerin Barley auf – die Union hält dagegen.

Streikend schon aktiv – bald auch im Wahllokal? Jugendliche bei „FridaysForFuture“ in Berlin Foto: Christian Mang

Berlin taz | Eigentlich streiken sie für Klimaschutz, jetzt haben die Schülerinnen und Schüler von „Fridays for Future“ aber auch eine Debatte über das Wahlrecht von Minderjährigen losgetreten. Am Montag erklärte die SPD-Bundestagsfraktion, dass sie hinter dem Vorschlag von Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) steht, ein aktives Wahlrecht ab 16 Jahren auch auf Bundesebene einzuführen.

Am Wochenende hatte sich Barley mit Blick auf das Engagement der jungen Klima­strei­ke­rInnen für die Absenkung des Wahlalters ausgesprochen. „Das räumt mit dem Vorurteil auf, dass junge Leute nicht aktiv genug wären und sich nicht politisch engagieren“, sagte sie der Passauer Neuen Presse.

Eva Högl, Vizefraktionsvorsitzende der SPD, sagte am Montag der taz, ihre gesamte Fraktion trage den Vorschlag mit. Denn: „Jugendliche sind heute früher politisch aktiv und engagieren sich vielfältig.“

Wie dieser Vorschlag jedoch genau umgesetzt werden könnte, dazu äußerte sich weder Barley noch Högl gegenüber der taz. Dabei böte sich aktuell eine Möglichkeit: Gerade berät eine Kommission unter Vorsitz des Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) eine Wahlrechtsreform. Eigentlich soll durch die Kommission nur der Bundestag verkleinert werden, der durch Überhangmandate seit der Bundestagswahl 2017 so groß ist wie nie. Nun fordert jedoch ein überparteiliches Frauenbündnis im Bundestag, gleichzeitig mit der Reform auch eine Paritätsregelung auf den Weg zu bringen. Könnte dabei nun auch das Wahlalter angetastet werden?

Linke und Grüne unterstützen die Initiative

Cornelia Möhring, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, die für das Paritätsgesetz eintritt, hält es für „absolut sinnvoll, die Herabsetzung des Wahlalters gleich mit anzupacken“. Jugendliche hätten ein berechtigtes Interesse daran, die Gesellschaft mitzugestalten, und müssten darin bestärkt werden. Auch die Grünen unterstützen die Initiative.

Insbesondere die Union stemmt sich aber weiter gegen eine Absenkung des Wahlalters. Schon in den Koalitionsverhandlungen hatte die SPD das Thema eingebracht, sich jedoch nicht durchsetzen können. Die Union führt vor allem die eingeschränkte Geschäftsfähigkeit von 16-Jährigen an.

Obwohl Jugendliche bei entsprechendem Verdienst Steuern zahlen müssen, straf- und religionsmündig sind und ab 17 Jahren auch in der Bundeswehr dienen können, kritisiert der Vizevorsitzende der Unions-Fraktion, Thorsten Frei, den Vorschlag Barleys: „Man kann kaum begründen, warum jemand über die Geschicke eines Landes und einer Gesellschaft mitentscheiden soll, den wir in allen anderen Bereichen nicht für reif genug erachten, seine Angelegenheiten ohne die Zustimmung seiner Eltern zu regeln.“ Das Wahlrecht würde durch eine Absenkung des Wahlalters entwertet.

Geringe Wahlbeteiligung spräche dagegen

Auch die geringe Wahlbeteiligung von Jung- und Erst­wäh­ler*innen spricht für Kriti­ker*innen gegen eine Herabsetzung des Wahlalters. Bei der Bundestagswahl 2017 lag die Beteiligung der unter 21-Jährigen nur bei 69,9 Prozent und damit um 6,3 Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt.

Die Gründe hierfür liegen laut Annekatrin Friedrich von der Kampagne „Mach’s ab 16!“ aber nicht am mangelnden politischen Interesse. Eher fehle den jungen Menschen die ­Möglichkeit, ihre Stimme in die Politik einzubringen. „Das Wahlalter herabzusetzen würde die Jugendlichen ermächtigen, sich über Politik und Demokratie zu informieren und sie aktiv mitzugestalten“, so Friedrich zur taz.

Befürchtungen, dass Jugendliche stärker manipulierbar seien als Volljährige, hält Friedrich für unbegründet: Dass hätten Wahlergebnisse in Brandenburg, Bremen und Schleswig-Holstein nicht gezeigt, wo Jugendliche seit 2014 bereits bei Landtagswahlen ihre Stimme abgeben dürfen. Auch auf kommunaler Ebene dürfen junge Wähler*innen in elf Bundesländern bereits mitbestimmen.

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30 Kommentare

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  • Ich halte die Idee für falsch. Ich glaube nicht, daß man mit 16 mündig genug ist. Finde es aber auch bedauerlich, daß ansonsten alle ohne Wahlführerschein wählen dürfen. Aber wenn die SPD keine anderen Sorgen hat.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Blöder als die Älteren würden sich die Jugendlichen bei der Wahl auch nicht verhalten.

    Und wenn man mit 17 zur Armee kann, sollte es sowieso normal sein, auch wählen zu dürfen.

    "You're old enough to kill but not for votin"

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Wollen Sie das Jugendstrafrecht auch anpassen? Wäre konsequent.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Wäre es nicht. Es findet ja heute auch Anwendung bis zum 21. Lebensjahr. Und, es ist jedemal eine Einzefallentscheidung.

        Anders als das Wahlrecht.

        Was ist denn ihr Problem mit dem Wahlrecht ab 16?

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Es gibt völlig zu Recht ein gesondertes Strafrecht für Jugendliche. Eben weil der Gesetzgeber sagt, unter 18 ist man noch nicht reif genug, für seine Handlungen voll einzustehen. Wird eine Reifeverzögerung festgestellt, gilt das (ausnahmsweise) sogar bis 21.

          Die selben Jugendlichen sollen aber nun reif genug sein, zu wählen. Was denn nun? Reif oder nicht reif?

          Man kann es auch anders ausdrücken, Es fehlt das Gleichgewicht von Rechten und Pflichten.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Also ich bin zwar auch aus Mündigkeitsgründen dagegen, aber das Gleichgewicht von Rechten und Pflichten ? Meinen sie das Ernst ? Dann dürfte man wohl erst mit fertigem Job, Kindern, Hauskredit wählen in unserer Zeit also so ab Mitte 30.

            • @Berhard Bendler:

              Sie haben Vorstellungen.

              Kinderkriegen und Häuslebauen sind keine staatsbürgerlichen Pflichten.

              Es geht darum, dass, wenn man volle Rechte beansprucht, auch voll für seine Taten einstehen muss. Der Mensch kann nicht nur fordern.

  • Ein Wahlalter ab 16 ergibt keinen Sinn. 16-Jährige verfügen idR über keinerlei politisches Wissen und Erfahrung.

    Dieser Satz Abschnitt hier allerdings: "Die Gründe hierfür liegen laut Annekatrin Friedrich von der Kampagne „Mach’s ab 16!“ aber nicht am mangelnden politischen Interesse. Eher fehle den jungen Menschen die ­Möglichkeit, ihre Stimme in die Politik einzubringen. „Das Wahlalter herabzusetzen würde die Jugendlichen ermächtigen, sich über Politik und Demokratie zu informieren und sie aktiv mitzugestalten“, so Friedrich zur taz."

    ist ja wohl äußerst lächerlich. Klar, wenn die unter 21-Jährigen keinen Bock auf Wahlen haben, weil sie "ihre Stimme nicht in die Politik einbringen können", dann werden sie es bestimmt dann können, wenn auch 16-Jährige das gleiche erleben. Sehr logisch, 10/10.

    • @John Farson:

      "Ein Wahlalter ab 16 ergibt keinen Sinn. 16-Jährige verfügen idR über keinerlei politisches Wissen und Erfahrung."

      "16-Jähirge" lässt sich im obigen Satz 1:1 durch "Menschen" ersetzen ohne dass sich der Wahrheitsgehalt verändert, das entkräftet die Wirkung des Arguments.

    • @John Farson:

      schauen sie doch nur mal freitags aus ihrem fenster, vielleicht zieht dort eine horde von 16-jaehrigen vorbei, die ihre politische meinung lautstark aeussern, waehrend sie sich zwischenzeitlich scheinbar von der realitaet entfremdet haben

      • @the real günni:

        Na hoffentlich wohnt er nicht im Osten.



        Sonst hat man statt Vorbilder wieder die ach so leicht manipulierbare Jugend.

        Wahlrecht ab 16 - gern, sofern Hartalk, Kippen, Führerschein und Solarium ebenfalls auf die ach so reifen 16 Jahre gesenkt werden.



        Und selbstverständlich fällt sämtlich Einschränkungen bei der "Geschäftsfähigkeit" ebenfalls weg.

        Wer ja so aufgeklärt und reif ist wie es insbesondere Freitag der Jugend zugesprochen wird der braucht auch keinen besonderen Schutz vor guerigen Handyverkäufern, Zucker im Nutella oder vor dem Schönheitsideal von Klums Flopmodels.



        Ach und die 16 Jährigen vor den Rekrutieren der Bundeswehr zu schützen brauch man auch nicht.



        Sind ja so reif dass sie es selber durchschauen.

  • Wahlrecht ab Geburt! Bisher sind 16% der Bürger vom Wahlrecht durch Altersdiskriminierung abgeschnitten.

    Solange das Kind nicht in der Lage ist, selbst zu bestimmen, stimmen die Eltern gemeinschaftlich ab. (Elternwahlrecht.)

    Das Wahlrecht geht durch Antrag auf das Kind über, unabhängig vom Alter.

    Somit wählt das Kind erst dann selbst, wenn es in der Lage ist diesen Antrag auszufüllen, und dadurch eine gewisse Mindestreife nachgewiesen hat.

    • @R R:

      "Solange das Kind nicht in der Lage ist, selbst zu bestimmen, stimmen die Eltern gemeinschaftlich ab. (Elternwahlrecht.)"

      Und wenn sich die Eltern nicht einig sind? Dann der Bürgermeister? Oder im Zweifel das "Oberhaupt der Familie"?

      Es gibt gute Gründe, warum die Rechte und Pflichten der Bürger an ein bestimmtes Alter gebunden sind.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Letztendlich eine Detailfrage, die - wie andere, z.B. Scheidung, Patchwork - sicher noch geklärt werden muss.

        Für das erwähnte Beispiel würde ich Enthaltung vorschlagen.

        • @R R:

          Dann bekommen Scheidungskinder keine Stimme? Nur Kinder aus "ordentlichen" Familien?

          Es geht nicht um Detailfragen. Es geht um grundsätzliche Dinge.

  • wer gerechtigkeit will, muss dafuer sein. alles andere sind an den haaren herbeigezogene argumente.



    wer macht sich denn gedanken ueber die grosse zahl der menschen, die eigentlich nicht mehr waehlen sollten? ich habe meinen zivildienst auf einer geriatrischen station der hoechsten pflegestufe abgeleistet, dort waren menschen, die schon dement jenseits von gut und boese waren, und trotzdem ihren wahlzettel bekommen haben. den haben dann die verwandten ganz gewissenhaft ausgefuellt.



    einem 16-jaehrigen ein mitbestuimmungsrecht zu verwehren, ist gesellschaftlich grob fahrlaessig.



    im grunde kann man auch schon das wahlrecht auf kommunaler ebene fuer 14-jaehrige einfuehren. und wer glaubt, diese menschen haetten nur ponys und dsds im kopf, sollte sich einfach mal mit diesen unterhalten.

  • Tja, hin und her gerissen. Ich denke, wenn schon, dann sollte man es nicht am biologischen Alter festmachen, sondern eine Art Wahlführerschein einführen. Wer immer noch meint, dass Kohl Bundeskanzler ist, sollte keinen Wahlzettel in die Hand kriegen, auf dem er Kreuzchen malen darf.

    Das träfe dann halt auch öfter mal Leute über 18.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Nein. Obwohl ich durchaus verstehe und akzeptiere, dass alte Menschen keine Politik für eine junge Gesellschaft machen sollten. Zumindest nicht allein und ausschließlich.

  • Ich bezweifle, dass Leute, die - angeblich aus Protest - AfD wählen, reifer sind.

  • In Österreich wurde das Alter herabgesetzt, die jungen Wähler haben überdurchschnittlich für Ohrenmann Kurz optiert. Der SPD, Partei der jährlichen Rentengeschenke, würde das überhaupt nicht nutzen.

  • Meine Tochter wurde einen Monat, nachdem sie zum ersten mal den Bundestag mitgestalten konnte, 22 Jahre alt und hatte da z.B. schon fast ihren Master der Mathematik.



    Interessen wie die der Studierenden sind auf diese Weise systematisch unterrepraesentiert.

    • @meerwind7:

      Blödsinn - Studenten sind absolut überrepräsentiert.

      Nahles, Kühnert, Keller, der General Heini von der CDU... Alles Bummelstudenten due außerhalb der Politik und Unis nichts kennen.



      Sagen Sie mir mal einen wichtigen SPD-Politiker (es reicht wenn man seinen Namen und Funktion nicht googlen muss) der sowas wie nen Facharbeiter, Techniker oder Meister in seinem Lebenslauf stehen hat.

      Soziologie/Politikzeug/Genderquatsch



      Praktikum bei DGB/Sozis/Stiftung

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Die ganzen Handwerker und Facharbeiter finden sie traditionell bei den Rechten, weil viele von denen glauben, daß ihre Art zu leben die einzig richtige ist. Nur mal so als Tip. Darüber hinaus wird das Praktische ins einer Relevanz für die Gesellschaft überschätzt, es läßt sich eben weder mit mangelnder Bildung noch nach Gebrauchsanleitung regieren

  • Ein politisches Mitbestimmungsrecht fuer 18- und 19-jaehrige waere auch schon ein Erfolg. Dazu koennte es z.B. zeitgleich mit der Europawahl eine Nachwahl zum Bundestag geben, bei der all diejenigen wahlberechtigt sind, die seit der letzten Wahl 18 geworden sind. Die Listen koennten ja dieselben bleiben und Wahlkreismandate wuerden nicht neu zugeteilt werden.

    • @meerwind7:

      Dabei wuerden rund drei Prozent der Sitze zusaetzlich zugeteilt werden. Im weitestgehendsten Fall koennte das mit Ueberhangmandaten verrechnet werden, soweit die Jugend nicht andere Parteien waehlt.



      Eine spezielle Listenbildung nur fuer die Nachwahl waere auch denkbar. Das wuerde ggf. Unstimmigkeiten in dem Fall vermeiden, dass eine Partei erst durch die Nachwahl insgesamt 5%-Huerde schafft. Wenn bei der Nachwahl rund 20 Mandate zu vergehen waeren, ergaebe das ganz automatisch eine 5%-Grenze.

      • @meerwind7:

        Wie wäre es mit einer monatlichen Nachwahl? Damit es auch ganz, ganz gerecht wird!

  • Alle Jahre wieder. Schon wieder ein Vorschlag der der SPD den Allerwertesten retten soll. So einfallslos, weil alt, wie durchschaubar.

    • @Pia Mansfeld:

      Keine Sorge. Das rettet ihn nicht, den Allerwertesten.



      Linke Politik gibt's nicht mehr auf dem SPD Speiseplan. Da muss man woanders wählen.

    • @Pia Mansfeld:

      Ach.

      Was Sie nicht sagen.

      Können Sie das auch fundiert begründen, oder ist das "nur so'n Gefühl"?

    • @Pia Mansfeld:

      Ich glaube nicht, dass die SPD bei Erstwaehlern einen Vorsprung haette. Das war vor 50 Jahren noch so gewesen, einige davon waehlen immer noch die Leute im Willy-Brandt-Haus.