Arbeitnehmer bei Bio-Kette Alnatura: Betriebsräte werden abgeblockt
Von den 133 Filialen des Bio-Discounters verfügt nur eine über eine Arbeitnehmervertretung. Immer wieder wehrt sich die Firma gegen Mitbestimmung.
„Mit taktischen Spielchen“ soll Alnatura im Oktober 2015 die Wahl eines Wahlvorstandes in der Bremer Filiale in der Faulenstraße verhindert haben, sagt die damals noch dort angestellte Kai Wargalla. Denn unmittelbar vor der Wahl habe die Filialleitung, die in Mitarbeitergesprächen stets ihren Unmut über die geplante Betriebsratswahl geäußert habe, plötzlich selbst drei zusätzliche KandidatInnen aufgestellt. Aufgrund der Vielzahl an KandidatInnen erhielt bei der Wahl niemand die erforderliche einfache Mehrheit.
Also beantragte die Gewerkschaft Verdi als Vertreterin von fünf Alnatura-MitarbeiterInnen beim Arbeitsgericht Bremen den Einsatz eines Wahlvorstandes. Das ist nicht ungewöhnlich – und so im Betriebsverfassungsgesetz verankert, um die eigentliche Wahl des Betriebsrats nicht zu gefährden.
Alnatura freilich gab nicht viel auf das Gesetz: Das Unternehmen legte Beschwerde gegen den vom Gericht bestellten Wahlvorstand ein – und ließ sich damit Zeit bis zum Ende der einmonatigen Frist. Zur Begründung der Beschwerde forderte der Bio-Konzern aus dem hessischen Darmstadt noch einmal eine Fristverlängerung. Und als schließlich auch das Landesarbeitsgericht die Einsetzung eines Wahlvorstands bestätigte, legte Alnatura sogar eine Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht ein.
Aufgestockt mit LeiharbeiterInnen
Auch in der Bremer Filiale blieb Alnatura nicht untätig und reduzierte die Anzahl der Angestellten auf 20, angeblich aus betriebswirtschaftlichen Gründen. Für Kai Wargalla, deren befristeter Vertrag nicht verlängert wurde, steht indes fest: „Bei einer Mitarbeiterzahl bis 20 besteht nur das Recht auf einen einköpfigen Betriebsrat – deswegen wurden die Stellen reduziert.“ Und schnell wieder aufgestockt, allerdings mit LeiharbeiterInnen.
In der vorletzten Woche wurde die Nichtzulassungsbeschwerde Alnaturas vor dem Bundesarbeitsgericht verhandelt – und auch hier bekam das Unternehmen erwartungsgemäß kein Recht. Ein Grund zum Jubeln sei das dennoch nicht, sagt Sandra Schmidt von Verdi Bremen. Denn der Fall wurde nicht abgeschlossen, sondern lediglich an das Bremer Arbeitsgericht zurückverweisen, unter anderem deswegen, weil drei Mitglieder des eingesetzten Wahlvorstands mittlerweile nicht mehr in der Filiale arbeiten. Schmidt ist sich sicher: Wäre ein Urteil gegen Alnatura ergangen, hätte das Unternehmen dennoch nicht lockergelassen: „Die haben für diesen Fall mit einer Verfassungsklage gedroht“, sagt sie.
Denn für Alnatura ist das Einsetzen eines Wahlvorstandes ohne einen zweiten Wahlgang undemokratisch, heißt es in einer öffentlichen Stellungnahme des Unternehmens. Auf Anfrage der taz sagte eine Unternehmenssprecherin, der größte Teil der Mitarbeitenden in der Bremer Filiale sei ohnehin gegen einen Betriebsrat. Denn in Firmen, in denen „die Mitgestaltung der Mitarbeiter ein wesentlicher Bestandteil des Arbeitslebens“ sei, entstehe „eher selten das Bedürfnis nach einem Betriebsrat“. Grundsätzlich stehe man dem Wunsch nach einer Wahl aber „natürlich nicht entgegen“.
„Keine Lust mehr auf diese Auseinandersetzungen“
Der wird allerdings immer kleiner, je mehr Zeit vergeht: „Die Leute, die noch in der Faulenstraße arbeiten, haben mittlerweile keine Lust mehr auf diese Auseinandersetzungen“, sagt Wargalla. Auch Sandra Schmidts Prognosen sind eher verhalten: „Wir werden jetzt im Betrieb schauen, wie wir den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts für uns nutzen können, aber wenn da nur noch zwei Angestellte sind, die sich für einen Betriebsrat einsetzen wollen, bringt’s das natürlich nicht.“
Vor fast neun Jahren hat die Alnatura-Filiale in der Freiburger Kaiser-Joseph-Straße einen Betriebsrat gewählt – den noch immer einzigen bei Alnatura. Käme ein zweiter hinzu, könnte ein Gesamtbetriebsrat für sämtliche Beschäftigten des anthroposophisch orientierten Unternehmens eingerichtet werden. Danach sieht es aber vorerst nicht aus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen