Kolumne Wir retten die Welt: Ein Öko-Patriot sieht rot

Atomausstieg, Energiewende, Klimaschutz – alles made in Germany. Lange habe ich Schwarz-Rot-Grün verteidigt. Das ist jetzt vorbei.

Gleitschirm in schwarzrotgold

Fliegt bei dir: Nachhaltiger Luftverkehr aus Deutschland Foto: dpa

Wenn ich mich mal so richtig unbeliebt machen will, komme ich Freunden und Kollegen mit Schwarz-Rot-Gold: Ich finde, das liberale und tolerante Deutschland („Wir Gutmenschen“) muss sich die nationalen Symbole von den Rechtsextremen und den Dumpfbacken zurückholen.

Vielleicht fühlt es sich seltsam an, jenseits des Fußballplatzes die deutsche Fahne zu schwenken – aber viel schlimmer ist es, Schwarz-Rot-Gold denen zu überlassen, die genau das Gegenteil von Einigkeit und Recht und Freiheit wollen.

Und sind wir nicht sowieso inzwischen eher Schwarz-Rot-Grün? Atomausstieg, Energiewende, Klimaschutz, alles „made in Germany“. Ich habe lange in Frankreich gelebt, war oft in den USA und bin auch sonst viel in der Welt unterwegs. Das hat mich zum Öko-Patrioten gemacht.

Wo sonst in der Welt sind Ökoverbände so stark?

Hier wird jede Kröte so geschützt und geschätzt, hier ist Klimaschutz offizielle Staatsräson, hier hat die Atomkraft auf ewig verschissen und hier gilt Plastik als großer Satan.

Wo sonst gibt der Staat mehr Geld für die Umwelt aus, sind Umweltverbände so reich und stark, wo produzieren Bienen auf dem Parlament Honig? Eine nachhaltige Welt? „Nur mit Euch“, wie es am 3.Oktober in Berlin hieß.

Allerdings ruinieren wir gerade unseren Ruf. Wir Weltmeister im Mülltrennen produzieren immer mehr Plastik-Verpackungen. Wir Vorbilder beim Klimaschutz senken unsere Emissionen nicht. Wir schwärmen von „Energiewende“ und bauen Hürden vor jedem neuen Windpark. Wir träumen von einer Bio-Landwirtschaft und exportieren wie die Bekloppten Billigfleisch. Wir wollen sauberen Verkehr und lassen BMW, VW und Daimler ans Steuer der Verkehrspolitik. Wir sehen uns als Vorreiter in der EU und gehören zu den Öko-Bremsern.

Wir haben einfach die falschen Angestellten: Einen Wirtschaftsminister, der nicht mal mitten im Aufschwung die Industrie auf einen nachhaltigen Kurs einschwört; eine Landwirtschaftsministerin, die nicht grundsätzlich in Brüssel an den Agrarsubventionen rütteln will; einen Verkehrsminister, dem das überholte Geschäftsmodell der Autokonzerne wichtiger ist als die Atemluft der Bürger.

Wir beschäftigen einen Heimatminister, den Agrarwüsten und Gewerbegebiete nicht stören, die die Heimat verschandeln; Einen Finanzminister, der nicht damit rechnet, dass verpasster Klimaschutz sehr teuer wird.

Wir haben eine Umweltministerin, die zu schwach ist, um sich gegen diese geballte Ignoranz zu wehren. Und wir haben eine Kanzlerin, die mit anderem beschäftigt ist als mit der Zukunft des Landes.

Ein nachhaltiges Deutschland? Nur ohne Euch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.