Männer schwafeln über sexuelle Gewalt: Bitte schweig doch zu #MeToo, Matt
Matt Damon ist doch einer von den Guten, oder? Aber auch einer, der zu sexualisierter Gewalt besser anderen zuhören als selber sprechen sollte.
Matt Damon setzt sich für eine besonders unbeachtete Minderheit ein: Männer, die keine Sexualverbrecher sind. Jedenfalls erzählte er dem Business Insider, dass wir nicht genug über diese Männer sprechen würden. Wahrscheinlich kann er nichts dafür, dass er zur #MeToo-Debatte gefragt wird, während er Promo-Interviews für seinen neuen Film gibt. Aber er kann was dafür, was er sagt.
Danke Matt, dass Du Dich für die ganzen armen, unbescholtenen Männer einsetzt, die sonst keine Beachtung erfahren. In Film und Fernsehen werden bekanntlich nur diskriminierte Gruppen und männliche Verbrecher ausgestrahlt, die anderen, die guten Männer kommen ja leider nicht vor. So eine Aussage ist anhand der starken fühl- und messbaren männlichen Dominanz im Filmbusiness schon irgendwie lächerlich. (Weiße) Männer sind ständig und überall überrepräsentiert.
Sie ist aber erst recht lächerlich anhand des unfassbar wirkmächtigen Schweigens, das beispielsweise Harvey Weinsteins Übergriffe so lange ermöglichte, und das in vielen Bereichen noch gar nicht überwunden ist. Es wurde nicht darüber geredet, während so viele Menschen extrem darunter leiden mussten. Und jetzt, wo endlich darüber gesprochen wird und einige Täter wirkliche Konsequenzen erfahren, soll schnell das Thema gewechselt werden.
Sobald das Problem der sexualisierten Gewalt einen Schwung Aufmerksamkeit bekommt, melden sich sofort eifrige Männer zur Stelle und versuchen, es kleinzureden. Es seien ja nicht alle Männer (#NotAllMen), die dafür sorgen, dass in etwa alle Frauen (#YesAllWomen) früher oder später Erfahrungen mit sexualisierter Belästigung und Gewalt machen.
Wenn Männer wie Matt Damon doch unschuldig und mitfühlend sind, warum springen sie nicht den Betroffenen sexualisierter Gewalt zur Seite? Stattdessen solidarisieren sie sich lieber mit dem vermeintlich generalverdächtigen eigenen Geschlecht, das somit als Opfer dargestellt wird. Warum können sie es nicht ausnahmsweise mal kurz aushalten, dass sie nicht das Thema sind? Warum müssen sie in dem Moment, wo sich Menschen mit ihren schlimmsten Erfahrungen an die Öffentlichkeit trauen, dafür Aufmerksamkeit und Anerkennung verlangen, dass sie einen Mindeststandard eingehalten haben?
Der Wunsch, zu differenzieren
Einige Tage zuvor hatte Damon gesagt, dass es wichtig sei, zwischen einem Klaps auf den Po und Kindesmissbrauch oder Vergewaltigung zu unterscheiden. Das stimmt zwar grundsätzlich und Damon betonte auch, dass gegen all diese Formen von Übergriffen vorgegangen werden soll. Gleichzeitig benutzte er den Vergleich, um die Belästigungen durch den demokratischen Politiker Al Franken und den Komiker Louis C.K. herunterzuspielen und die selbstverschuldeten karriereschädlichen Konsequenzen für beide als übertrieben anzuprangern.
Matt Damons Kollegin und Ex-Freundin Minnie Driver kritisierte seine Aussagen auf Twitter und in einem Interview mit dem Guardian. Damon könne wie so viele Männer einfach nicht verstehen, was Missbrauch im Alltag wirklich bedeute. Seine belehrende Differenzierung zwischen unterschiedlichen Formen des Missbrauchs sei in ihrer unsensiblen Art Teil des Problems.
Driver sagt, Männer sollten damit aufhören, Frauen über ihre eigenen Missbrauchserfahrungen zu belehren, das stehe niemandem zu. Diese Erfahrung sei so individuell und persönlich, dass es wirklich mühsam sei, dass mächtige Männer sich anmaßen würden, beabsichtigt oder unbeabsichtigt die Bedingungen vorzuschreiben. Wenn schon die „guten Männer“ wie Matt Damon so denken, dann haben wir ein Problem, sagt Driver.
Oft wird angeprangert, dass Männern verallgemeinert Schuld zu gewiesen oder Sprechverbote erteilt würden. Aber die Kritik richtet sich nicht gegen Männer per se. Sie richtet sich an den Status quo, in dem privilegierte Männer ohne Ende über Themen reden oder schreiben können, von denen sie keine Ahnung haben, während die relevanten Stimmen kämpfen müssen, gehört zu werden.
Sie richtet sich nicht an jemanden wie Ronan Farrow, der als einer der ersten die Weinstein-Vorwürfe enthüllte. Sie richtet sich nicht an Anthony Rapp, der als erster als Opfer von Kevin Spacey an die Öffentlichkeit ging. Sie richtet sich an merkbefreite Leute wie Matt Damon, die sich nicht entscheiden können, auf welcher Seite sie stehen – und solange besser anderen das Feld überlassen sollten.
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