Kolumne Luft und Liebe: Sich schön in die Fleischtheke legen

Wer sich vom Feminismus beim Flirten verunsichern lässt, war auch vorher schon zu dumm dazu. Dabei gibt es nur eine einzige Flirtregel.

Flirtende Katze

Flirten für Anfänger. Üben Sie erst einmal an unbelebten Objekten. Wie fühlen Sie sich? Foto: dread kennedy / photocase.de

Lalülala! „Das Kompliment stirbt aus“, alarmiert die Süddeutsche Zeitung. Der Feminismus sei zwar „eine feine Sache“, habe aber dazu geführt, dass Männer sich nichts mehr trauen: Gar nichts! „Bloß nicht lächeln, bloß nichts sagen, das gilt doch gleich wieder als doofe Anmache.“ Männer leben heutzutage, bis auf Rainer Brüderle und Dieter Bohlen, in „ständiger Angst“, weiß die SZ: „Der Rest der deutschen Männlichkeit presst die Lippen aufeinander und guckt auf den Boden, wenn er Frauen auf der Straße oder im Büroflur begegnet.“

Diese Art von Vorwurf an den Feminismus ist nichts, was man per Eilantrag beim Patentamt anmelden müsste. Die Süddeutsche holt diese Idee jetzt pfiffigerweise im Sommer raus, weil: Im Urlaub, in Italien, da wird man „als Frau“ wenigstens noch angeguckt, da – und nur da! – kriegt man noch „eine Portion Aufmerksamkeit“, zu Hause nämlich nicht mehr.

Oder nur von anderen Frauen, „vielleicht, weil sie insgeheim hoffen, etwas Nettes zurückgesagt zu bekommen“ (die Biester). Wenn ein Mann sich trotzdem traue, einer Frau ein Kompliment für ihre neue Frisur zu machen, dann, so hat die SZ eigenhändig recherchiert, bricht die Frau in Tränen aus: „So etwas Nettes hat noch nie jemand zu mir gesagt.“

Nun bin ich tatsächlich selten in München unterwegs und weiß nicht, was für ein eisiger Wind da weht. Wenn das keine Satire sein soll, dann hui. Sorry, liebe „Ich bin ja wirklich für Gleichberechtigung, aber man muss es doch bitte nicht übertreiben!“-Leute, es tut mir leid, ihr seid voll drauf reingefallen. Aber so richtig. Auf all die Idioten, die euch erzählen, Feministinnen seien haarige Hexen, die sehr konkret an eurem Untergang interessiert sind. Man muss sein Hirn dick in Post von Wagner gewickelt haben, um zu denken, Feminismus verbiete irgendwem, freundlich zu sein.

Ein bisschen sinnieren

Wo soll man anfangen, bei Menschen, die so was denken? Soll man überhaupt? Was ist das für eine Form von Anerkennung, nach der eine Frau sich da sehnt? Wenn ich jemanden will, der mich anhechelt, kauf ich mir nen Hund. Wer sich vom Feminismus beim Flirten verunsichern lässt, war auch vorher schon zu dumm dazu. Oder zu faul. Man kann das natürlich schön finden, sich als Frau nur wie ein Stück Vorderschinken in die Auslage zu legen und zu warten, bis einer kommt. Wer auch immer. Kann man machen.

In der Wartezeit kann man ein bisschen sinnieren: Wenn man glaubt, dass ein Flirt oder auch nur ein nettes Gespräch nicht mehr zustande kommen kann, weil die Männer sich alle nicht mehr trauen anzufangen, welches Bild hat man dann von sich als Frau? Als Mensch? Ist das angenehm? Und was heißt es, wenn man glaubt, diese Form von Anerkennung exklusiv nur von Männern kriegen zu können? Wie frei fühlt sich das an? Und wie traurig ist das?

Es gibt eine einzige feministische Flirtregel, die man sich im Übrigen sehr leicht merken kann, und die lautet: Sei kein Arschloch. Fertig. That’s it. Unisex übrigens. One size fits all. So praktisch. Der Rest ist ein bisschen gesunder Menschenverstand, Anarchie und Liebe, und das ist genau so schön, wie es klingt.

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Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff

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